Aus dem Schulalltag mit Diabetes Typ 1 – Diabetes Mobbing

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Aus dem Schulalltag mit Diabetes Typ 1 – Diabetes Mobbing

Trauriges Mädchen

Meine Tochter ist 7 und besucht zurzeit die zweite Klasse der Grundschule. Normalerweise kommt sie gut gelaunt nach Hause. Doch vor ein paar Wochen war es einmal nicht so. Auf mein Nachfragen erzählte sie mir, dass ein Mädchen aus der vierten Klasse sie wegen ihrer Krankheit geärgert hat. „Du hast ja nur Diabetes, weil du immer so viele Süßigkeiten gegessen hast. Du bist selbst schuld an deinem doofen Diabetes.“ Dass ihr diese Worte auf den Magen schlugen, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe mir ihr lange darüber gesprochen. Ich habe ihr vorgeschlagen, erstmal nicht auf diese Sprüche weiter einzugehen und zu sehen, ob es nochmal vorkommt. Und wenn ja, sollte sie sofort ihre Klassenlehrerin darüber informieren. Gottlob, es war bis jetzt der einzige Vorfall dieser Art. Doch er hat mich recht nachdenklich gestimmt. Wird sie im Laufe ihrer Schulzeit noch mehr von diesen Vorurteilen zu hören bekommen? Ist das erst der Anfang von möglichen Hänseleien und Schikanen, die sie aufgrund ihrer Erkrankung in der Schule erleben muss? Wie erleben unsere Kinder diese Situationen? In meinem Kopf begann sich das Gedankenkarussell immer weiter zu drehen. Dabei hat mich eine Frage einfach nicht mehr losgelassen:

Gibt es so etwas wie Diabetes Mobbing an unseren Schulen?

Oftmals sind es bereits schon kleine Hänseleien, die unsere Kinder verunsichern. Sätze wie „Immer müssen wir auf dich warten, wegen deinem doofen Messen.“ und „Du willst dich doch die ganze Zeit nur wichtigmachen.“ gehören da noch zu den „harmlosen“ Sticheleien der Mitschüler. Aber auch Aussprüche wie „Du benutzt deinen Diabetes nur als Ausrede, um im Sport nicht mitmachen zu müssen. Darum hast du auch Diabetes.“ oder „Du brauchst immer eine Extrawurst und darfst im Unterricht essen.“ können sich extrem verletzend auf unsere Kinder auswirken.

violation abuse girl

So wie bei Lena. An ihre Schulzeit denkt sie mit gemischten Gefühlen zurück. Denn da gab es sie, diese kleinen und großen Sticheleien und Schikanen aufgrund der Diabetes Typ 1 Erkrankung. In ihrer Grundschulzeit traten keine Probleme mit ihren Klassenkameraden auf. Doch „in der weiterführenden Schule fingen die Probleme dann an. Denn Jugendliche können ganz schön gemein sein und Direktoren auch“, so Lena weiter. Eine Situation hat Lena bis heute nicht vergessen. Sie erzählt:

Mein Blutzucker war aufgrund einer bis dahin nicht erkannten Schilddrüsenerkrankung mal wieder total aus dem Ruder gelaufen und bei knapp 500 mg/dl (27,8 mmol/l) während des Unterrichts. Mir ging es richtig mies und ich habe mich ins Krankenzimmer begeben, weil ich mich aufgrund der Ketone schon übergeben musste. Leider glaubte mir die Direktorin nicht und meinte, ich simuliere, damit ich den Unterricht schwänzen kann. Ich musste mir vor ihr den Blutzucker messen. Doch da ich die Signaltöne von meinem Messgerät ausgestellt hatte, glaubte sie mir den Wert von knapp über 500 mg/dl (27,8 mmol/l) nicht. Ich hätte mein Messgerät manipuliert und komme damit bei ihr nicht durch, ich sollte wieder zurück in den Unterricht. Ich habe protestiert, nochmal gemessen, auch diesmal war der Wert natürlich wieder so hoch. Ich durfte dann endlich meine Eltern anrufen, die mich dann abgeholt haben.

Aber auch durch ihre Mitschüler musste sie immer wieder Schikanen erleben. Sprüche wie „Du lebst eh nicht lange mit deinem Diabetes, und verrecke daran“, waren an der Tagesordnung. Diese Mobbing Attacken führten dazu, dass Lena nur noch sehr selten in der Schule ihren Blutzucker gemessen hat. Die Folge war natürlich ein sehr schlechter Langzeitwert. Irgendwann merkte sie aber, dass sie sich mit ihrem Verhalten nur selbst Schaden zufügt, und hat noch rechtzeitig die Reißleine gezogen. Hilfe hat sie dabei von ihrer Familie und Freunden bekommen. „Meine Eltern und Freunde haben mich dabei immer unterstützt und mir bei allem geholfen. Dennoch ist es für mich oft nicht leicht, wenn man von sämtlichen Ecken nur Negatives entgegengestrahlt bekommt. Mittlerweile gehe ich sehr offen mit meiner Erkrankung um und verstecke sie nicht mehr.“

Wie in Lenas Geschichte verstecken viele Schüler mit Diabetes Typ 1 ihre Krankheit in der Schule. Häufig verzichten sie deshalb auf ihre wichtigen Blutzuckermessungen und Insulingaben. Die hohen Blutzuckerwerte führen unweigerlich zu einer Verschlechterung des HbA1c-Wertes und die Möglichkeit von späteren Folgeerkrankungen steigt.

Ich bin sehr froh, dass mir meine Tochter gleich alles erzählt hat. Doch nicht jedes Kind geht so offen mit seinen Problemen um.

Warnsignale

Woran kann ich als Vater oder Mutter ausmachen, ob mein Kind evtl. Probleme in der Schule aufgrund der Krankheit hat? Hier sind ein paar Warnsignale aufgelistet:

  • Kind möchte nicht mehr in die Schule oder an außerschulischen Aktivitäten teilnehmen.
  • plötzliche Verschlechterung der Schulnoten
  • Kind zieht sich immer mehr zurück, möchte nichts mehr mit seiner Krankheit zu tun haben
  • keine Blutzuckermessungen und Insulingaben in der Schule (kann im Messgerät überprüft werden)
  • Verschlechterung des Langzeitwertes

Bereits schon beim ersten Verdacht auf Diabetes Mobbing sollten die Eltern nicht zögern und umgehend eingreifen. Oftmals helfen gemeinsame Gespräche mit Lehrern und Mitschülern, die Situation zu entschärfen. Mobbing entsteht häufig durch Unwissenheit und durch Vorurteile in Bezug auf die Diabetes Typ 1 Erkrankung. Reicht das nicht aus, findet man mit der Schule keine adäquate Lösung, so kann auch mal ein Schulwechsel hilfreich sein.

 

 

 

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