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Bereits seit 2008 gibt es für Menschen mit Behinderung das „Persönliche Budget“, also die Möglichkeit, einen Geldbetrag zu beantragen, mit dem man benötigte Leistungen zur Teilhabe selbstständig einkaufen und bezahlen kann. Erstaunlicherweise ist diese Unterstützungsleistung bislang eher unbekannt, manche Landkreise müssen teilweise sogar Werbung dafür machen, damit das vorgesehene Budget nicht ungenutzt bleibt. Auch für Menschen mit Diabetes kann es interessant sein. Hier erfahren Sie, warum.
Menschen mit einer Behinderung bzw. die von Behinderung bedroht sind, können umfangreiche Sach- oder Dienstleistungen zur Rehabilitation und Teilhabe erhalten. Diese werden grundsätzlich als Sachleistung von der zuständigen Stelle bzw. dem verantwortlichen Kostenträger veranlasst. Weithin unbekannt ist, dass die Betroffenen aber auch die Möglichkeit haben, die benötigten Unterstützungsleistungen selbst „einzukaufen“. Schon seit 1.1.2008 gibt es nämlich das Persönliche Budget (geregelt in § 29 SGB IX).
Mit dem Persönlichen Budget muss man benötigte Eingliederungs- oder Rehabilitationsleistungen nun nicht mehr zwingend von der Behörde (zugewiesen) erhalten, sondern bekommt stattdessen Geld oder Gutscheine – und kann sich damit die benötigten Leistungen selbst und eigenverantwortlich einkaufen.
Dabei handelt sich auch nicht etwa um eine freiwillige Leistung der Behörde, sondern um einen Rechtsanspruch, den man im Zweifel auch gerichtlich durchsetzen kann. Allerdings bekommt man das Geld nicht automatisch, sondern muss es ausdrücklich beantragen. Dabei ist auch eine Abwicklung aus „einer Hand“ möglich: Wenn es als „trägerübergreifendes Persönliches Budget“ beantragt wird, dann übernimmt eine einzige Behörde (bzw. ein einziger Kostenträger) die Koordination und Abrechnung mit den anderen Kostenträgern; die Betroffenen haben dann nur noch einen Ansprechpartner, der sich um alles kümmern muss.
Das Persönliche Budget meint hierbei einen pauschalen Geldbetrag, den Menschen mit Behinderung entsprechend ihrem individuellen Hilfebedarf erhalten, um damit erforderliche Unterstützungsleistungen zur Teilnahme am Leben der Gesellschaft in eigener Verantwortung „einzukaufen“ bzw. zu organisieren. Dieses Persönliche Budget ergänzt die bisher üblichen Dienst- oder Sachleistungen.
Beantragt werden können Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen wie:
Grundsätzlich ist gemäß §29 Abs. 2 SGB IX vorgesehen, dass das Persönliche Budget als Geldleistung ausgezahlt werden soll; in der Regel wird am Monatsanfang das Budget für den Monat überwiesen. Im Ausnahmefall ist es möglich, dass das Persönliche Budget in Fom von Gutscheinen eingeräumt wird, die man bei bestimmten Diensten (Sozialstationen) einlösen kann.
Das Budget soll den individuell festgestellten Bedarf eines behinderten Menschen decken und dürfte regelmäßig zwischen 200 und 800 Euro im Monat liegen. Das Persönliche Budget darf nicht höher sein als die Summe der Kosten aller bisher individuell festgestellten Leistungen (Krankenpflege etc.). Das Persönliche Budget dient auch nicht dazu, die Kosten des täglichen Lebens zu finanzieren; vielmehr sollen damit ausschließlich die Leistungen der Förderung, Betreuung, Beteiligung, Assistenz und Pflege bezahlt werden, die ein behinderter Mensch benötigt. Deshalb müssen Empfänger von Hartz IV das Budget nicht anrechnen.
Wichtig ist, dass man nicht schwerbehindert sein muss, um ein Persönliches Budget zu erhalten: Den Antrag kann jeder behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch stellen, egal, wie schwer die Behinderung ist. Gerade auch Eltern profitieren hiervon, denn sie können für ihre Kinder mit Diabetes ein Budget beantragen, etwa für Einzelfallhilfe, Sozialassistenz oder Ferienbetreuung vom Jugendamt.
Der Antrag muss bei einem der möglichen Kostenträger gestellt werden wie Integrations-, Versorgungsamt, Rentenversicherungs- oder Jugendhilfeträger, Kranken- oder Pflegekasse, Berufsgenossenschaft, Hauptfürsorgestelle, Jugendamt, Sozialamt oder Agentur für Arbeit. In jedem Kreis gibt es auch eine gemeinsame Servicestelle der Leistungsträger, bei der man den Antrag stellen kann (mehr Informationen: www.reha-servicestellen.de). Es ist übrigens egal, wenn der angesprochene Kostenträger nicht direkt zuständig ist – im Zweifel wird der Antrag an die richtige Stelle weitergeleitet.
Wenn nur Leistungen von einem Kostenträger benötigt werden, dann spricht man vom Persönlichen Budget. Benötigt man dagegen unterschiedliche Leistungen, für die an sich verschiedene Kostenträger zuständig sind, dann liegt ein „Trägerübergreifendes Persönliches Budget“ vor (hier wird ein Kostenträger allein zuständig – er wird zum „leistenden Träger“).
Das Persönliche Budget wird nur auf Antrag gewährt. Hierzu sollte man zunächst ein Beratungsgespräch mit einem Kostenträger oder einer Servicestelle führen, um den konkreten Bedarf zu ermitteln und auch auszuloten, welche Möglichkeiten (sprich: welcher finanzielle Rahmen) zur Verfügung stehen. Im Gespräch wird geklärt, für welche Hilfen man ein Persönliches Budget haben möchte, welche Leistungen tatsächlich infrage kommen, welche dem Betroffenen überhaupt zustehen etc.
Wenn das geklärt ist, dann stellt man einen schriftlichen Antrag. Die Behörde klärt daraufhin, welcher der beteiligten Kostenträger zuständig ist; dieser gilt dann als „leistender Träger“ und koordiniert den Ablauf. Ein typischer Ablauf könnte dann wie folgt aussehen:
Sofern Leistungen mehrerer Leistungsträger benötigt werden, bittet der beauftragte Leistungsträger die anderen Träger um eine Stellungnahme. Diese muss innerhalb von zwei Wochen abgegeben werden. Danach wird mit dem Antragsteller besprochen, welche Leistungen in Form des Persönlichen Budgets erbracht werden können. Falls erforderlich, werden die beteiligten Leistungsträger einbezogen. Auch der Antragsteller kann eine Person seines Vertrauens mitbringen.
(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung
(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.
(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.
(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.
§ 17 SGB IX (Ausführung von Leistungen, Persönliches Budget)
(1) Auf Antrag[..] werden Leistungen zur Teilhabe durch die [..] Persönlichen Budgets ausgeführt [..].Das Persönliche Budget wird [..] trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. [..] Budgetfähig sind auch [..] Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, [..] sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen[..] erbracht werden können.
(2) Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich.[..]
[…]
Sobald der jeweilige Bedarf von dem oder den jeweiligen Leistungsträger/n festgestellt ist, schließen die leistungsberechtigte Person und der leistende Träger eine Zielvereinbarung über die mit dem Budget abzudeckenden Leistungen. Anschließend erlässt der beauftragte Leistungsträger einen Bescheid mit den Einzelheiten. Wenn man nicht mit der dortigen Feststellung einverstanden ist, kann man innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Der Hilfebedarf wird alle zwei Jahre geprüft und ggf. angepasst.
Grundsätzlich können die Teilhabeleistungen auch von Familienmitgliedern erbracht werden, welche dann über das Persönliche Budget bezahlt werden. Hier muss man aber unterscheiden: Wenn es sich um ganz normale Beistandspflichten handelt, die z. B. Eltern gegenüber ihren behinderten Kindern ohnehin erfüllen müssen, dann gibt es dafür natürlich kein Geld. Denkbar wäre es aber, über das Persönliche Budget eine Betreuungsperson für Schule, Kindergarten oder Klassenfahrt zu bezahlen – und das kann durchaus auch ein Verwandter sein.
Die Auszahlung von Geld birgt immer die Gefahr, dass damit tatsächlich nicht die vorgesehenen Leistungen eingekauft werden, sondern das Geld anderweitig ausgegeben wird. Also muss man einen Nachweis für die vorgesehene Verwendung des Persönlichen Budgets erbringen: Hierzu dient eine Zielvereinbarung zwischen Leistungsträger und Betroffenem, in der festgelegt wird, ob und wie der Einsatz der Mittel nachgewiesen werden soll. Der Nachweis soll sich dabei nur auf die tatsächlich erbrachte Leistung beziehen, nicht auf deren Kosten. Die Nachweise sollten einfach und unbürokratisch erbracht werden können.
Man kann selbst entscheiden, ob man das Persönliche Budget oder die Sachleistung bevorzugt. Wenn man sich für das Budget entscheidet, ist man hieran nicht für ewig gebunden: Budgetnehmer sowie die Leistungsträger können die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund sofort schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann eine Änderung der persönlichen Lebenssituation sein. Für den Leistungsträger kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn der Budgetnehmer die Vereinbarung, vor allem hinsichtlich des Nachweises der Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung, nicht einhält.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (9) Seite 42-45
5 Minuten
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