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Das Abitur ist der Abschluss eines Lebensabschnittes und gleichzeitig natürlich auch der Beginn von etwas Neuem. Wenn die Schulglocke zum Ende der letzten Schulstunde des Lebens läutet, verfällt man schon in eine nostalgische Stimmung. Die Schule ist nicht nur bloß eine Bildungsanstalt für die Schüler, sondern auch ein sozialer Fixpunkt im Leben. Die Pausen, der Sitznachbar, die Freunde, die Lehrer und die Ausflüge prägen die Persönlichkeit viel mehr, als man vermutet.
Der geregelte Alltag in Form von Unterricht und Hausaufgaben geben einen Halt, den man erst im Nachhinein wirklich zu schätzen weiß. Daher sagen viele, dass die Schulzeit eine der besten Zeiten im Leben ist. Wenn ich hier so an meinem Schreibtisch sitze und unzählige Blätter und Bücher vor mir liegen habe, deren Inhalt ich jetzt irgendwie in meinen Kopf bekommen soll, während mein Schulrucksack einsam und leer in der Ecke steht, kann ich sagen: Das stimmt. Viele Dinge weiß man eben erst zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind.
Das unliebsame Lernen ist also ab sofort unvermeidbar. Der Stoff von 3 Leistungskursen aus den letzten beiden Schuljahren muss wiederholt und irgendwie eingeprägt werden. Ich verbringe die Tage einsam in meinem Zimmer und komme gefühlt nur zum Essen aus meiner selbst auferlegten Quarantäne heraus. Mit Schokolade als Nervenfutter versuche ich, den eintönigen Tagesablauf zu versüßen. So verstreicht Tag für Tag, bis ich mich auf einmal einen Tag vor der 1. Prüfung wiederfinde und langsam aus meinem geistigen Delirium auftauche.
Jetzt kommt natürlich die typische Prüfungsangst wie eine Lawine über mich und lässt mich scheinbar bisher gut Gelerntes panisch vergessen. In meinem Kopf herrscht so eine gähnende Leere, als wäre mein Hirn ein schwarzes Loch, das mein ganzes Wissen unwiderruflich verschluckt. Der einzige Gedanke meines sonst so produktiven Gehirns grenzt an Galgenhumor. Angesichts der morgigen Lateinklausur denke ich mir: „Veni, Vidi, Violini.“ Übersetzt: „Ich kam, sah und vergeigte.“ Wow. Cäsar wäre stolz gewesen.
Der Blackout ist aber nicht mein einziges Problem. Der Diabetes liefert auch einen gewissen Grund zur Sorge. Was soll ich machen, wenn ich während der Prüfung Unterzucker habe und dadurch wertvolle Zeit verliere? Wie sieht es aus, wenn ich sogar dauerhaft schlechte Werte habe und meine Konzentration darunter leidet? Muss ich dennoch weiterschreiben und zur vorgegebenen Abgabezeit abgeben? Bekomme ich möglicherweise mehr Zeit? Oder darf ich die Prüfung an einem anderen Termin nachholen? Fragen über Fragen, die in meinem Kopf herumgeistern. Deswegen habe ich mit meinen Eltern und Lehrkräften gesprochen und ein bisschen recherchiert.
Zum einen steht es mir rechtlich zu, mehr Zeit zu verlangen, wenn ich aufgrund meiner Behinderung für einen bestimmten Zeitraum unfähig bin, weiter zu arbeiten. Dieses Recht versteht man unter dem Begriff Nachteilsausgleich und findet sich unter anderem in der Abiturprüfungsordnung von Rheinland-Pfalz (§ 32: „Sonderregelung für behinderte Prüflinge“). Der Nachteilsausgleich gilt natürlich nicht nur für das Abitur sondern allgemein für das Schulwesen. Die ganzen rechtlichen Grundlagen zum Nachteilsausgleich können ebenfalls auf dem Bildungsserver von Rheinland-Pfalz im „Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen“ eingesehen werden.
Da der Nachteilsausgleich für alle Behinderungen gültig ist, die das schulische Lernen negativ beeinträchtigen, wird je nach Situation individuell entschieden, inwiefern der Nachteilsausgleich angewendet wird. Wenn ich also zum Beispiel 10 Minuten „außer Gefecht“ wäre, dürfte ich 10 Minuten länger schreiben. Klingt soweit einleuchtend. Ich darf aber natürlich nicht Extrazeit fordern und dann trotzdem ohne „Zwangspause“ durchschreiben. Das wäre unfair gegenüber den übrigen Prüflingen. Wenn ich die Abiturprüfung aufgrund des Diabetes nicht absolvieren könnte, würde wie beim Fehlen durch Krankheit ein anderer Termin zur Nachschrift angeboten. So wäre zumindest an meiner Schule nach Absprache mit meinen Lehrern und der Prüfungskommission verfahren worden, die genannten Beispiele sind daher ohne Gewähr, da die Entscheidungen, wie bereits geschildert, individuell festgelegt werden!
Puh, jetzt weiß ich (und ihr) wenigstens, dass mir einerseits der Diabetes nicht das Abi versauen kann und dass es andererseits nur an mir und meinem Wissen liegt, wie gut oder schlecht ich die Prüfungen hinter mich bringe. Bisher ist auch der Diabetes in den vergangenen Kursarbeiten oder HÜs nie ein wirkliches Problem gewesen, da ich diesbezüglich meine Werte normalerweise gut unter Kontrolle habe. Als Tipp: Messt auf jeden Fall regelmäßig während des Schreibens und beugt Unterzuckerungen, soweit es geht, vor. Geht besser mit einem leicht erhöhten Wert in die Arbeit, da das Gehirn in einer Prüfungssituation Unmengen an Zucker bzw. Kohlenhydraten „frisst“. Glücklicherweise habe ich dann auch alle 3 Prüfungen ohne besondere Vorkommnisse oder Einschränkungen geschafft und habe jetzt nur noch das mündliche Abitur in Mathe vor mir. Hoffentlich läuft das genauso reibungslos ab 🙂
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