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Die Arbeit am System der Gesundheitsversorgung in Deutschland ist ein wenig so wie der Bau am Kölner Dom: Ein imposantes Konstrukt steht bereits seit Langem und wird auch durchaus von Menschen aus dem In- und Ausland geschätzt und bewundert. Doch es ist immer etwas zu tun, um die Funktion aufrechtzuerhalten und im Idealfall sogar zu verbessern.
Ob die 134. Sitzung des Deutschen Bundestags der laufenden Legislaturperiode bei diesem steten Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung in die Geschichte als Meilenstein eingehen wird, bleibt abzuwarten. Anfang Novemberkamen hier gleichzwei Gesetzesvorlagen zur Digitalisierungim Gesundheitswesen zur ersten Lesung. Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) standen auf der Tagesordnung und wurden nach der Debatte wie geplant an den federführenden Gesundheitsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. "Es ist überfällig, dass wir in Bezug auf Datennutzung, dass wir in Bezug auf Digitalisierung mit diesen Gesetzen eine Aufholjagd beginnen!", warb Dr. Edgar Franke (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Gesundheit, in der Debatte um Zustimmung. Auch für Oppositionspolitiker Dr. Georg Kippels (CDU/CSU) sind Daten der Stoff, aus dem in Zukunft die Gesundheitsversorgung gebaut wird. Er verwies auf Erfahrungen mit solchen elektronischen Patientenakten in Skandinavien. Eine wichtige sei, dass die Bevölkerung dem System vertrauen muss. Die im Entwurf vorgesehenen unverbindlichen Empfehlungen von Krankenkassen aufgrund der Gesundheitsdaten seien hier befremdlich und lösten bei Patientinnen und Patienten eher Irritationen aus, befürchtet er.
Das DigiG soll bei der elektronischen Patientenakte (ePA) mit einer "Opt-out-Regelung" für Schub sorgen. Jeder, der nicht aktiv der elektronischen Akte widerspricht, erhält sie damit eingerichtet, Anfang 2025soll das geschehen. Hintergrund ist, dass alle gesetzlich Versicherten zwar seit dem 1. Januar 2021 von ihrer Krankenkasse eine ePA erhalten können, bislang jedoch nur weniger als ein Prozent dieses Angebot nutzen. Als Gründe werden lückenhafte Informationen und die aufwendige Registrierung und Anwendung vermutet. Das elektronische Rezept (E-Rezept) soll laut Gesetzentwurf zum DigiG schon 2024 verbindlich werden und die Nutzung über eine ePA-App stark vereinfacht möglich sein.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) wies anlässlich der Debatte im Bundestag darauf hin, dass eine ePA gerade für Menschen mit Diabetes Vorteile habe: Bei einemArztwechsel, einer Überweisungin eine Klinik oderauchim Notfallseien alle notwendigen Daten inklusive des Medikationsplans sofort verfügbar. "Das spart wertvolle Ressourcen für doppelte Anamnese und Diagnostik und schafft uns mehr Behandlungszeit für die Patientinnen und Patienten", erläutert Dr. Tobias Wiesner, Vorstandsmitglied der DDG und niedergelassener Diabetologe in Leipzig. "Dies trägt wesentlich zur Patientensicherheit bei, da sich das medizinische Personal stärker auf die ganzheitliche und individuelle Behandlung konzentrieren kann." Das DigiG eröffne neue Perspektiven für die Versorgung: "Niedergelassene Ärzte können wichtigeGesundheitsanwendungen auf Rezeptverordnen, Video-Sprechstunden für ihre Patienten anbieten und auch auf ihrer Website darauf hinweisen", so Wiesner. Die bisherigen Mengenbeschränkungen bei Video-Sprechstunden sollen gestrichen werden, bei den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) soll der Leistungsanspruch auf digitale Medizinprodukte höherer Risikoklassen ausgeweitet werden, um beispielsweise auch telemedizinisches Monitoring zu ermöglichen. Auch Papier und Fax könnten mit dem DigiG der Vergangenheit angehören: "Neben der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem E-Rezept können wir auch Heil- und Hilfsmittel oder häusliche Krankenpflege elektronisch verordnen." Damit werde die zeitaufwendige, aber wichtige Dokumentation erleichtert – für Wiesner auch ein Punkt, von dem die individuelle Versorgung erheblich profitieren wird.
Das Ziel des DigiG ist eine vollumfängliche, weitgehend automatisiert laufende Befüllung der ePA mit strukturierten Daten. Der erste Anwendungsfall sei der digital gestützte Medikationsprozess. Als nächste Anwendungen sollen die elektronische Patientenkurzakte (ePKA) und die Labordatenbefunde folgen.
Der Entwurf des GDNG zielt darauf ab, Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke leichter und schneller nutzbar zu machen. Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen sollen breiter und schneller nutzbar gemacht werden. Für die anonymisierte Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte zu Forschungszwecken ist in dem Gesetzentwurf ebenfalls ein Widerspruchsverfahren vorgesehen. Ein Widerspruch kam noch im Bundestag von der Fraktion der Linken: In einem eigenen Antrag zu den beiden Digital-Gesetzen verlangte sie als "Service-Opposition", so deren Abgeordnete Kathrin Vogler, Lese- und Schreibrechte an Dritte müssten immer aktiv gegeben werden – nicht über ein Opt-out.
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