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Die EU-Kommission will mit einem neuen Gesetzespaket die Straßen sicherer machen. Änderungen sind auch bei den medizinischen Anforderungen für den Führerschein geplant. So sollen Menschen mit Diabetes künftig alle 10 Jahre ihre Fahrtauglichkeit überprüfen lassen. Dank moderner Diabetes-Technologie könnte es für viele aber auch Entlastungen geben.
Anfang März hat die Europäische Kommission in Brüssel einen Vorschlag zur Änderung der EU-Führerscheinrichtlinie vorgelegt. Die neuen Regeln sollen 2025 in Kraft treten und spätestens ab 2030 in allen 27 EU-Ländern greifen.
Eine wichtige Stellschraube, an der die Behörde drehen will, um die Verkehrssicherheit auf Europas Straßen zu erhöhen, sind die Vorschriften zur Überprüfung der medizinischen Fahrtauglichkeit. So sieht der Vorschlag unter anderem vor, dass alle, die künftig einen Führerschein erwerben oder auch erneuern lassen wollen, nachweisen müssen, dass er oder sie über eine ausreichende körperliche und psychische Kondition verfügt, um sich hinter das Steuer zu setzen.
Für über 70-Jährige mit Führerschein, plant die EU-Kommission hierfür eine Frist von fünf Jahren. Für jüngere Menschen soll sich die Frage erst nach 15 Jahren stellen. Denn Führerscheine, die ab dem 19. Januar 2013 ausgestellt wurden, sollen nicht mehr – wie derzeit in Deutschland – unbegrenzt gültig sein, sondern nur noch für jeweils 15 Jahre, danach müssten sie immer wieder erneuert werden.
Der Grund: Einer Studie zufolge, die dem Gesetzentwurf zugrunde liegt, sind zwischen 5 und 15 Prozent aller Verkehrsunfälle auf den Gesundheitszustand der Fahrerin bzw. des Fahrers zurückzuführen. Die EU-Kommission verweist ferner darauf, dass eine Befragung von 22 nationalen Verkehrssicherheitsbehörden ergeben habe, dass 15 die bisherigen Standards für die körperliche, kognitive und mentale Tauglichkeit für unzureichend halten. Sie hat daher die medizinischen Mindestanforderungen an die Fahrtüchtigkeit erhöht.
Bei der Ausgestaltung der nationalen Vorschriften zur medizinischen Feststellung der Fahrtüchtigkeit sollen die Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum erhalten. Die Spanne kann von einer reinen Selbsteinschätzung der Autofahrer bis hin zu verpflichtend vorgeschriebenen ärztlichen Checks reichen.
„Wie die von der EU-Kommission angedachten Fahrtauglichkeitsprüfungen in Deutschland aussehen werden und welche neuen Pflichten auf Ärztinnen und Ärzte unter Umständen zukommen könnten, ist somit noch offen und hängt vom weiteren Gesetzgebungsprozess ab“, merkt der Stuttgarter Rechtsanwalt Oliver Ebert an, der für die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) die „S2e-Leitlinie Diabetes und Straßenverkehr“ mitkoordiniert hat.
Von verpflichtenden ärztlichen Attesten unter anderem für betagtere Fahrerinnen und Fahrer hält Ebert indes wenig, da sie die Antragstellenden in einer falschen Sicherheit wiegen könnten. Außerdem gehöre es schon heute zu den Aufklärungspflichten von Ärztinnen und Ärzten, ihre Patienten über mögliche krankheits- oder medikamentenbedingte Leistungsbeeinträchtigungen zu informieren und diese ggf. auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen hinzuweisen, so der Jurist. Dies gelte nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für jüngere, die z.B. an Diabetes mellitus oder Epilepsie litten oder die aufgrund eines ambulanten ärztlichen Eingriffs sediert werden müssten.
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„Bei Erkrankungen, wie dem Diabetes mellitus, könnten die geplanten Änderungen der EU womöglich sogar für Entlastungen sorgen“, meint der Jurist. Denn Ärztinnen und Ärzte sollen der Kommission zufolge bei der Bewertung der individuellen Verkehrstauglichkeit von Menschen mit Diabetes künftig auch Fortschritte bei der medizinischen Behandlung einfließen lassen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mindestanforderungen sehen ferner vor, dass Menschen mit Diabetes künftig alle zehn Jahre ihre Fahrtauglichkeit überprüfen lassen müssen. Auch sollen sie dazu verpflichtet werden, nachzuweisen, dass ihnen das Risiko einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) bekannt ist und sie in der Lage sind, angemessen darauf zu reagieren. Wer regelmäßig unter einer schweren Unterzuckerung leidet, soll keinen Führerschein mehr bekommen.
Wie mit Diabetes im Straßenverkehr umgegangen werden soll, dafür gibt es in Deutschland seit 2017 die S2e-Leitlinie Diabetes und Straßenverkehr. Sie wird derzeit vom Ausschuss Soziales der DDG aktualisiert und wohl im Herbst diesen Jahres publiziert. Für Menschen mit Diabetes gibt es eine eigene Patientenleitlinie.
Dr. Wolfgang Wagener, Vorsitzender des Ausschusses Soziales, weist in diesem Zusammenhang auf die unverzichtbaren Patientenschulungen und die „sich rasant entwickelnden technischen Unterstützungssysteme“ hin, die die Gefahr von Hypoglykämien verringern. „Menschen mit Diabetes sind einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrer Erkrankung und damit an gewisse Disziplin gewöhnt. Das Zusammenwirken von Mensch und maschinellem System ermöglicht bei verantwortungsvoller Anwendung, immer weiterer Verbreitung und erkennbaren Innovationsfortschritten immer höhere (Fahr-)Sicherheit.“ Er gibt auch zu bedenken, dass andere Länder es Menschen mit Diabetes bereits ermöglichen, Pilotin bzw. Pilot zu werden – „die dritte Dimension von Verkehrstauglichkeit“.
In den meisten EU-Staaten gibt es bereits Vorschriften zu medizinischen Untersuchungen oder Verpflichtungen zur Selbsterklärung in unterschiedlichen Zeitintervallen und ab einem bestimmten Alter, und zwar unabhängig davon, ob der Führerschein erneuert werden muss oder nicht.
Aus Sicht von Behandelnden, die im Bereich der Verkehrspsychologie und -medizin tätig sind, ist der Nutzen solcher Checks, insbesondere mit Blick auf das Lebensalter, fraglich. Denn internationale Evaluationsstudien belegten, dass das Lebensalter allein kein ausreichender Indikator für eine mangelnde Fahreignung sei. Vielmehr ergäben sich durch altersbezogene Überprüfungen negative Effekte für die Seniorinnen und Senioren. „Sie entwickeln Versagensängste vor der Überprüfung und geben verfrüht ihre Fahrerlaubnis zurück. Dadurch verlieren sie an autonomer Mobilität und damit Lebensqualität und/oder setzen sich den – derzeit – viel größeren Gefährdungen als Fußgänger oder Radfahrer aus“, so die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP).
Der Psychologe und Altersforscher Prof. Dr. Georg Rudinger von der Gesellschaft für empirische Sozialforschung und Evaluation in Bonn bezeichnet eine Verpflichtung betagterer Führerscheininhaber zu Gesundheitschecks gar als altersdiskriminierend und angesichts der wachsenden individuellen Unterschiede als „übergeneralisierte Ungleichbehandlung“. Er setzt lieber auf das Prinzip Freiwilligkeit bei der Überprüfung der individuellen Fahrtauglichkeit. „Bewährt haben sich beispielsweise sogenannte qualifizierte Rückmeldefahrten, bei denen Fahrschwächen durch versierte Fahrtrainer ausgelotet und korrigiert werden“, so Prof. Rudinger. Der Trainingseffekt halte in der Regel ein bis zwei Jahre an.
Neue Standards könnten in Zukunft auch für andere gesundheitliche Einschränkungen gelten. Bei einer Augenkrankheit z.B. hätten Autofahrer regelmäßig ihre Sehkraft ärztlich prüfen zu lassen. Auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet werden, die Fahrtauglichkeit zu bescheinigen. Bei Krankheiten des Bewegungsapparates, die das Nutzen eines Fahrzeugs erschweren, soll kein Führerschein mehr ausgestellt werden. Menschen mit Epilepsie dürften ihren Führerschein nur dann erhalten oder behalten, wenn sie seit einem Jahr keinen Anfall hatten.
von Petra Spielberg
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