4 Minuten
Menschen mit Diabetes müssen immer damit rechnen, dass die Fahreignung plötzlich auf dem Prüfstand steht und der Führerschein in Gefahr ist. Es muss nicht unbedingt zu einem Unfall oder einer Auffälligkeit kommen – manchmal reicht es schon, dass die Polizei bei einer Verkehrskontrolle auf den Diabetes aufmerksam wird. In diesem Beitrag geben wir nützliche Tipps, um die Fahrerlaubnis möglichst zu behalten.
Wenn die Straßenverkehrsbehörde von bestimmten Erkrankungen eines Führerschein-Inhabers erfährt, muss sie prüfen, ob dies Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr hat. In der Regel wird die Behörde dann verlangen, dass man auf eigene Kosten ein verkehrsärztliches Gutachten vorlegt, welches die Fahreignung bestätigt.
Die Rechtsgrundlage hierfür ist § 11 Absatz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV):
„Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung (…) begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens (…) anordnen.“
Mehr Online
➤ Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 2
Solche „Tatsachen“ liegen aber nicht erst dann vor, wenn ein Unfall passiert oder jemand „auffällig“ geworden ist. Denn die FeV sagt in § 11 Absatz 2 weiter: „Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.“ In dieser Anlage ist auch der Diabetes genannt.
Dies bedeutet: Sobald die Behörde erfährt, dass jemand Diabetes haben könnte, darf sie ein Gutachten verlangen. Dabei kann sie auch bestimmen, ob das Gutachten von einem verkehrsmedizinisch erfahrenen Facharzt (Facharzt für Innere Medizin, Diabetologe), von einem Amtsarzt oder von einem Betriebsmediziner erstellt werden soll. Ein Attest vom eigenen Arzt reicht regelmäßig nicht aus.
Bei der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens handelt es sich noch um keine behördliche Entscheidung, ein Rechtsmittel ist daher nicht möglich. Die Behörde kann das Gutachten auch nicht erzwingen. Faktisch hat man aber dennoch keine Wahl: Wird das geforderte Gutachten nicht vorgelegt, dann darf die Behörde davon ausgehen, dass die Eignung zum Führen des Kfz nicht (mehr) besteht. Dann wird sie die Fahrerlaubnis entziehen bzw. deren Erteilung verweigern (geregelt in § 11 Nr. 8 FeV). Hiergegen kann man zwar Rechtsmittel einlegen – der Führerschein ist dann aber für längere Zeit erstmal weg.
Wenn man ein solches Schreiben der Führerscheinbehörde erhält, ist sofortiges Handeln geboten. Man darf hier nichts falsch machen, sonst ist der Führerschein in Gefahr.
Bei der verkehrsmedizinischen Untersuchung wird der Gutachter u.a. prüfen, ob man ausreichend geschult ist, Unterzuckerungen rechtzeitig wahrnimmt und die erforderliche Sorgfalt beim Umgang mit dem Diabetes zeigt. Auch eine fehlende Diabetes-Dokumentation oder ausgeschaltete bzw. nicht sinnvoll eingestellte Alarme des Systems zum kontinuierlichen Glukose-Messen (CGM) können daher dazu führen, dass der Gutachter die Fahreignung nicht bestätigen will oder entsprechende Auflagen vorschlägt.
Gerade nach einer Auffälligkeit im Verkehr bzw. einem Unfall aufgrund einer Unterzuckerung muss mit einer strengen Untersuchung gerechnet werden. Wer ein CGM-System einsetzt, wird dem Gutachter dann auch plausibel erklären müssen, wieso man trotz der vom System ausgelösten Alarme bzw. Warnungen nicht rechtzeitig angehalten hat.
Wenn der Gutachter die Fahreignung verneint, wird die Behörde meist die Fahrerlaubnis entziehen. Ein weiteres Problem sind die Kosten: Diese belaufen sich meist auf 400 bis 800 Euro, können mitunter aber auch höher ausfallen. Diese Kosten muss man selbst tragen. Bei Menschen mit geringem Einkommen kann dies daher den Führerschein-Verlust bedeuten, wenn das Geld für das Gutachten nicht aufgebracht werden kann.
Häufig liegt der Aufforderung zum Gutachten eine Liste mit Ärzten bei, diese ist aber nicht bindend. Man kann also bundesweit jeden Arzt beauftragen, der über die von der Behörde geforderte Qualifikation (z. B. „Facharzt für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation“) verfügt. Adressen sind beispielsweise auf der Website der Deutschen Diabetes Gesellschaft zu finden.
Hilfreich ist es, vorab vom behandelnden Arzt eine möglichst ausführliche Stellungnahme zur Fahreignung zu erbitten. Wenn dort gut begründet ist, warum keine Bedenken gegen die Fahreignung bestehen müssen, wird es für den Gutachter deutlich schwieriger, zu einer anderen medizinischen Bewertung zu kommen. Unabdingbar ist auch, eine plausible Diabetes-Dokumentation mindestens der letzten 90 Tage zur Untersuchung mitzubringen. Anwender eines CGM-Systems sollten darauf achten, dass die Alarme entsprechend den Vorgaben des behandelnden Arztes eingeschaltet sind.
Wenn es in Zusammenhang mit dem Diabetes zu einem Unfall oder einer Verkehrs-Auffälligkeit kommt, erfolgt in der Regel eine Meldung an die Führerscheinbehörde. Dies gilt auch, wenn es zu keinen weiteren polizeilichen Ermittlungen kommt. Oder wenn man in einem etwaigen Bußgeld- oder Strafverfahren freigesprochen wird. In der Regel wird die Führerscheinbehörde dann ein verkehrsmedizinisches Gutachten verlangen, was nicht nur zu weiteren Kosten führt, sondern schlimmstenfalls auch den Verlust des Führerscheins zur Folge hat.
Viele Betroffene sind sich aber nicht darüber bewusst, dass eine solche Meldung an die Führerscheinbehörde selbst dann erfolgen kann, wenn gar nichts passiert ist bzw. man nichts falsch gemacht hat. Gemäß § 2 Absatz 12 Straßenverkehrsgesetz (StVG) muss die Polizei nämlich „Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden“ übermitteln.
Die Führerscheinbehörde kann daher auch von der Erkrankung erfahren, wenn die Polizei im Rahmen einer normalen Verkehrskontrolle auf den Diabetes aufmerksam wird und eine entsprechende Meldung macht. Dies ist zwar nicht die Regel – mir sind aber schon mehrere solcher Fälle bekannt, in denen die Polizei solche Meldungen machte.
Tipp: Bei einer Verkehrskontrolle sollten Diabetes-Utensilien wie Messgerät bzw. Insulinpen oder Sensoren nicht offen im Fahrerraum sichtbar sein.
Im Fall eines Unfalls ist man nur verpflichtet, Angaben zur Person zu machen, weitere Angaben muss man nicht machen. Eine unbedachte bzw. leichtfertige Äußerung kann zu erheblichen Strafen und langdauerndem Verlust des Führerscheins führen. Hier sollte man keine Zeit verlieren und unverzüglich einen Anwalt einschalten, der zunächst die Ermittlungsakten einsieht. Abhängig vom jeweiligen Sachverhalt muss dann entschieden werden, welche weiteren Schritte erforderlich sind. Unbedingt ratsam ist für etwaige Fälle auch eine Verkehrsrechtsschutzversicherung.
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (4) Seite 14-15
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
4 Minuten
4 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Grundwissen Diabetes
Push-Benachrichtigungen