- Leben mit Diabetes
Glatteis Diabetes– wie man nicht so schnell ausrutscht
5 Minuten
“Diabetes ist so etwas Schwieriges. Wie können alle Menschen dieser Welt das verstehen?” Das fragte sich Maren Sturny, nachdem ihre Tochter Sarah-Léonie an Typ-1-Diabetes erkrankt war. Deshalb hat sie das Buch “Rock around the Clock mit Diabetes Typ 1” geschrieben und sagt dazu: “Mein Anliegen war, frisch diagnostizierten Familien, wie wir das auch damals waren, etwas an die Hand zu geben, dass sie schneller im Alltag landen und nicht so viel aufs Glatteis kommen wie wir.”
Name: Maren Sturny
Alter: 48 Jahre
Wohnort: Planegg bei München
Beruf: Diplom-Betriebswirtin (Marketing und Kommunikation)
Diabetes seit: Tochter Sarah-Léonie seit 2019
Hobbys: Musik, Tanzen, Yoga, Konzerte, Reisen, Kulinarik
Lebensmotto: “Stay true to yourself”
Kontakt: marensturny@icloud.com, www.marensturny.com
DJ: Maren Sturny, wann erfuhren Sie, dass Ihre Tochter Sarah-Léonie Typ-1-Diabetes hat?
Maren Sturny: Das war im Sommer 2019, Sarah-Léonie war sechs Jahre alt. Sie ist mein drittes Kind, da rennt man nicht mehr wegen Kleinkram zum Arzt. Sie hatte viel Durst, es war aber auch sehr heiß. Sie hatte abgenommen, aber sie hatte immer in ihrem Leben so einen Turnus: Mal nimmt sie zu, mal nimmt sie wieder ein bisschen ab. Das hat mich also alles nicht beunruhigt. Ich habe nur gedacht: Diesmal ist es schon krass! Dann kam – aus meiner Sicht – noch eine Virusinfektion dazu, weil sie anfing, sich zu übergeben. Die Cousins in Frankreich hatten Pfeiffersches Drüsenfieber. Da habe ich gedacht: Alles, was du dir nicht erklären kannst, kannst du dir so erklären. Deshalb bin ich nicht zum Arzt gegangen und habe mir nicht viele Gedanken gemacht.
DJ: Sarah-Léonie, erzähl doch mal, wie es dir damals ging, als der Diabetes begann.
Maren Sturny: Du warst doch kurz vor dem Seepferdchen. Erzähl doch mal, wie du dich da gefühlt hast.
Sarah-Léonie: Als ich kurz vor dem Seepferdchen war, da war ich schon gut und dann wurde ich immer schlapper. Und Mama hat ja immer zugeschaut und dann dachte sie irgendwie …
Maren Sturny: Wir haben gesagt: “Mensch, du hast fast das Seepferdchen und jetzt kannst du noch nicht mal mehr fünf Meter weit schwimmen …” Sie wollte auch nicht mehr Rad fahren, nicht mehr zum Ballett, sie hat das Schwimmen nicht mehr geschafft, weil sie diese Schlappheit hatte – und ich die nicht deuten konnte.
DJ: Du bist ein sehr sportliches Kind?
Sarah-Léonie: Ich mache Ballett, Schwimmen, Basketball und Schauspiel.
DJ: Und das machst du heute alles wieder?
Sarah-Léonie: Ja.
Maren Sturny: Sie hat nach der Diagnose alles wieder angefangen. Die Ballettlehrerin und das Schwimmteam, die wussten dann alle Bescheid. Und ich habe am Anfang dabeigesessen, bis ich ungefähr wusste, wie sie reagiert. Das mit dem Basketball ist noch neu, da sitze ich jetzt noch am Rand, um zu verstehen, wie ihr Körper reagiert.
DJ: Was hast du gedacht, Sarah-Léonie, als du erfahren hast, dass du Typ-1-Diabetes hast?
Sarah-Léonie: Ich erinnere mich daran, dass ich nicht groß ausgerastet bin oder so oder umgefallen bin – ich war da ganz locker.
Maren Sturny: Sie hat das sportlicher genommen als wir Eltern. Es war natürlich die Umstellung mit dem Nicht-mehr-so-frei-essen-Dürfen, alles nachfragen. Ich habe ihr dann immer packungsweise gekochten Schinken mitgebracht. Den FPE-Effekt (Anm. d. Red.: FPE: Fett-Protein-Einheiten), den kannte ich noch nicht – den habe ich erst zwei Jahre später verstanden. Wir haben, nachdem der erste Schock überstanden war, auch versucht, ihr gegenüber das Ganze positiv zu kommunizieren. Darüber schreibe ich auch in dem Buch, wie wir in diese Akzeptanz gekommen sind: dass es eben kein Monster ist, sondern ein Familienmitglied. Sarah-Léonie hat den Diabetes als Blume gemalt neben sich, weil sie gesagt hat: “Mama, der Diabetes wäre doch ganz traurig, wenn ich ihn als Monster male.”
Sarah-Léonie: Als ich auf der Notstation war, durfte ich nichts essen und trinken. Ich habe alles künstlich bekommen. Und jeden, der nicht wusste, dass ich nichts trinken durfte, habe ich angebettelt, dass er mir meine Trinkflasche geben soll. Dann kam die Ärztin und hat gesagt: “Nein, sie darf nichts trinken.”
Maren Sturny: Das war am Anfang sehr hart, weil sie unglaublich viel Durst hatte. Sie hatte ja einen Zuckerwert von über 900 mg/dl (50,0 mmol/l; Anm. d. Red.). Aber wir mussten das System erst stabilisieren, damit wir überhaupt eine Chance hatten. 12 Stunden später hätte man, laut den Ärzten, nichts mehr für sie tun können.
DJ: Diabetes ist ja auch Familiensache. Wie haben denn die Geschwister reagiert?
Maren Sturny: Natürlich waren alle erstmal betroffen und keiner hat richtig verstanden, worum es überhaupt geht. Es war eine Unsicherheit in der Familie, eine Betroffenheit und ein langsames Lernen, was das überhaupt bedeutet.
Die Große war 14, die Mittlere war 12 – und ich bin dann sehr schnell in mein eigenes Loch gefallen. Denn das hat ja nicht nur Auswirkungen auf Sarah-Léonie, sondern für mich als Hauptansprechpartner ist es auch ein anderes Leben. Ich weiß nicht, ob ich mich da immer so ganzheitlich um die beiden anderen kümmern konnte. Sie sind anfangs viel nebenhergelaufen. Die Schattenkind-Thematik haben wir auf jeden Fall auch. Und mir ist das auch lange nicht bewusst gewesen, weil ich einfach selbst überfordert war mit der Situation. Ich habe das inzwischen mit meiner Mittleren aufgearbeitet und auch im Buch ein Kapitel geschrieben, das heißt “Schattenkinder”, wo sie auch selbst zu Wort kommt. Da ist mir ein bisschen das Herz in die Hose gerutscht, weil ich gemerkt habe: “Oh Gott, da hätte ich vielleicht noch bewusster sein können oder müssen.” Nur musste ich das damals auch erstmal alles verarbeiten. Sicher war das für die Schwestern eine schwere Zeit. Sie sind dann allerdings schnell, im Rahmen unserer positiven Kommunikation, auch in die Unterstützungsrolle gegangen.
DJ: Sarah-Léonie, ich habe gelesen, dass du zwei kleine Begleiter hattest: Sky und Elisa. Wer sind die beiden?
Sarah-Léonie: Elisa ist mein Rucksack. Das ist eine Eule, da sind meine Diabetessachen drin. Und Sky …
Maren Sturny: Sky ist von Paw Patrol. Du warst damals so ein großer Paw-Patrol-Fan und hattest das Kuscheltier – und die Sky war bei dir im Krankenhaus. Du warst glücklich, dass sie da war, und hast ihr immer gezeigt, wie du gemessen hast. Im Prinzip hast du einen Beschützer an deiner Seite gehabt.
DJ: Sie beschreiben den Diabetes im Buch als “der tanzt sich wild, leicht ausartend” und “wie Rock’n’Roll” und so …
Maren Sturny: Man sagt ja: Wenn du es nicht ändern kannst, ändere deine Einstellung dazu. Und da Musik im Prinzip mein Leben ist, habe ich diese Analogie gewählt. Denn es ist schon eine rasante Achterbahnfahrt und ich muss dann immer dran denken: Wenn man tanzt, ist man auch mal aus der Puste. Zum Teil ist es auch so, dass man bei einem wilden Rock’n’Roll-Tanz vielleicht mal die Kontrolle verliert – und beim Diabetes ist es ja auch so.
Das, was mir am meisten geholfen hat, ist, dass ich mir vorgestellt habe, dass der Diabetes jetzt ein Teil von Sarah-Léonie ist – ihr Leben lang. Und wie ist das denn, wenn man so einen Teil in sich hat, gegen den man ständig ankämpfen muss? Wir lieben Sarah-Léonie, also lieben wir auch diesen Teil von ihr. Und ich glaube, so kann man besser verstehen, wie wir da hingekommen sind: Weil wir einfach jeden Teil von ihr lieben, lieben wir auch den Teil Diabetes. Weil es nun aber schwierig ist, den Diabetes 24/7 zu lieben, haben wir eben gesagt: Das ist wie ein Familienmitglied, den man eben mal liebt und mal möchte man ihn auch an die Wand klatschen.
DJ: Es gibt Menschen, die feiern den Tag ihrer Diabetes-Diagnose als “Diaversary”. Macht ihr das auch, Sarah-Léonie?
Sarah-Léonie: An meinem Diabetes-Geburtstag machen wir eine Party mit meinen Freundinnen!
Das Interview führte Dr. Katrin Kraatz
ISBN 978-3-98595-253-3. Gebunden, 281 Seiten. Preis: 19,95 €.
Vertrieb durch Nova MD, E-Mail: jkirchner@novamd.de, Tel. 08 61/1 66 17 27; bit.ly/3Scu7TS
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (11) Seite 40-42
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig