Kassen müssen CGM vorerst nicht zahlen

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Kassen müssen CGM vorerst nicht zahlen

Lange hat die Diabeteswelt darauf gewartet: Anfang November legte das Bundessozialgericht endlich die Gründe dafür vor (B 3 KR 5, Urteil vom 08.07.2015), warum es die Kostenübernahme eines Systems zum kontinuierlichen Glukosemessen (CGM) derzeit als nicht zulässig ansieht (wir berichteten mehrfach).

Der Anspruch auf Hilfsmittel sei von einer positiven Empfehlung der Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) abhängig, so das Gericht. Für gesetzlich krankenversicherte Menschen mit Diabetes bedeutet das: Sie erhalten kein CGM-System – neben Verbrauchsmaterialien (Sensoren und Pflaster) – auf Kosten ihrer Krankenkasse, bevor diese Frage nicht geklärt ist. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG).

Das Gericht begründet sein Urteil u. a. damit, dass sich die kontinuierliche Messung des Zuckergehalts im Unterhautfettgewebe “im Hinblick auf die diagnostische Wirkungsweise sowie mögliche Risiken und Aspekte der Wirtschaftlichkeit erheblich von der herkömmlichen Blutzuckermessung” unterscheide und daher eine “neue”, bisher nicht anerkannte Untersuchungsmethode darstelle. Das entsprechende Methodenbewertungsverfahren des G-BA läuft seit 2011.

Das Gremium prüft derzeit noch, ob es sich bei der kontinuierlichen Glukosemessung tatsächlich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) handelt; erst wenn dies klar ist, also eine positive Empfehlung der Methode vorliegt, können Diabetiker die CGM-Systeme als Hilfsmittel im Rahmen ihrer Diabetestherapie einsetzen – die Kosten müssen dann von den Krankenkassen übernommen werden. Mit einem Ergebnis ist im kommenden Jahr zu rechnen.

Kasse lehnt Antrag ab – alles selbst besorgt!

Vor dem Bundessozialgericht geklagt hatte eine junge Typ-1-Diabetikerin und Pumpenträgerin. Schon im April 2012 hatte sie bei ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem CGM-System beantragt. Vorteilhaft für die Patientin: Der Sensor für ihre Insulinpumpe (MiniMed Veo von Medtronic) kann die Glukosewerte per Funk direkt an die Pumpe senden.

Da die Kasse den Antrag auf Kostenübernahme des CGM-Systems ablehnte, besorgte sich die Diabetikerin das Starter-Kit selbst, das u. a. Sensoren und Pflaster im Wert von rund 1 290 Euro enthielt. Weitere Glukosesensoren und Pflaster für jeweils über 615 Euro kaufte sie wenige Monate später.

Seine Ablehnung stütze das BSG auch “auf mögliche Risiken für die Patientensicherheit”, erläutert Sabine Westermann vom Rechtsberatungsnetz des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB). Nach Ansicht des Gerichts sei die Verwendung von CGM-Systemen insbesondere dann riskant, “wenn – wie im Fall der Klägerin – die Insulinpumpe automatisch über diese Geräte gesteuert wird und herkömmliche Blutzuckermessungen – wie vorgesehen – weitgehend entfallen und nur noch zur Kalibrierung der Geräte durchgeführt werden”.

Auch der Vorteil der zusätzlichen kontinuierlichen Messungen – und insbesondere des Patientenkreises, für den dieses Verfahren tatsächlich einen zusätzlichen medizinischen Nutzen bringen könnte – sei bisher noch nicht abschließend wissenschaftlich belegt, betont das BSG.

CGM auch nicht ausnahmsweise

Es sei auch nicht Aufgabe der Gerichte, “sondern ausschließlich Aufgabe des G-BA, mittels entsprechender (positiver oder negativer) Empfehlungen über einen hinreichend belegten medizinischen Nutzen einer neuen Methode zu entscheiden”. Die Ausführungen zeigten lediglich, dass ein Entscheidungsbedarf des G-BA bestehe. Die CGM dürfe auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses eingesetzt werden.

“Selbst wenn möglicherweise vieles dafür spricht”, stellte das Gericht klar. Zwar sei der Diabetes eine schwerwiegende Erkrankung, mit der die Lebensqualität der Klägerin nicht unerheblich beeinträchtigt werde. “Es geht aber weder um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende, noch um eine wertungsmäßig mit einer solchen Krankheit vergleichbare Erkrankung”, führt das BSG aus.

Zudem existiere schon eine geeignete Therapie. Neben der Patientensicherheit spielten außerdem Kosten und diagnostischer bzw. therapeutischer Nutzen der CGM eine Rolle, der momentan vom G-BA untersucht werde.

Diabetes-Journal-Autor und Rechtsanwalt Oliver Ebert sagt: “Leider bestätigen sich meine Befürchtungen: Wichtige Gesichtspunkte, die für eine Kostenübernahme gesprochen hätten, werden nicht thematisiert und behandelt. Allerdings: Das Gericht hat sich durchaus Mühe gemacht, und die Urteilsgründe sind recht ausführlich ausgefallen.”

Diabetiker, die schwere Unterzuckerungen haben, sich die CGM aber nicht leisten können, werden weiterhin mit Notarzteinsätzen und Krankenhausaufenthalten konfrontiert sein, wenn ihre Krankenkasse den CGM-Antrag ablehnt, kritisiert der DDB. Diabetespatienten sollten aber weiterhin versuchen, eine Kostenübernahme durchzusetzen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.


von Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Journal
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (12) Seite 62-63

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