Keine Teststreifenobergrenze

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Keine Teststreifenobergrenze

Wie viele Teststreifen dürfen überhaupt vom Arzt verordnet werden? Unser Artikel vom April sorgte für Wirbel. Deshalb hier einige Erläuterungen von Rechtsanwalt Oliver Ebert.

Einige Missverständnisse

Zum Soziales-Artikel in Diabetes-Journal 4/2014 (Abb. 1, zum Beitrag) gab es viele Reaktionen und Fragen. Viele Leser haben uns bestätigt, dass auch ihr Arzt bislang von einer Obergrenze für Teststreifenverordnungen ausging und nun sehr dankbar über die klare Bestätigung war, dass es keine solchen Verordnungshöchstmengen gibt.

Allerdings haben einige Patienten den Beitrag offensichtlich falsch verstanden und beim Arzt eine vermeintlich unbegrenzt zustehende Teststreifenmenge eingefordert – was so nirgendwo stand und bei den Ärzten natürlich zu Verärgerung führte. Auch einige Ärzte haben sich gemeldet und bemängelt, dass mit dem Artikel ein ohnehin mitunter überzogenes Anspruchsdenken der Patienten zusätzlich gefördert würde. Zur Klarstellung hier nun einige Anmerkungen und Ergänzungen.

“Mein Arzt will mir trotzdem nicht mehr Teststreifen aufschreiben”

Manche Leser haben meinen Beitrag leider missverstanden; es ging nicht darum, dass jeder Patient einen unbegrenzten Anspruch auf Teststreifen hat – im Gegenteil. Ich hatte im Text daher ausdrücklich und mehrfach klargestellt, dass eine Verordnung immer medizinisch notwendig sein muss, es insbesondere auch keinen Freibrief gibt. Wenn der Arzt also selbst gar keine Notwendigkeit für die Verordnung einer höheren Teststreifenmenge sieht (oder sehen kann), dann darf er dafür auch kein Rezept ausstellen.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist keine Luxus- oder Überversorgung zulässig. Der Arzt darf Teststreifen – gleiches gilt übrigens auch für Medikamente – nur bis zu der Menge verordnen, die im Rahmen der Notwendigkeit gerade noch “ausreichend” ist. Im Klartext: Es darf nur das Mindestmaß verordnet werden, welches der Arzt für notwendig hält – natürlich in Absprache mit dem Patienten.

Gesetzestext (Auszug)
§ 12 SGB V Wirtschaftlichkeitsgebot(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. […]

Stabile Werte – weniger Teststreifen

Es ist nachvollziehbar und ist meist auch sinnvoll, dass man den Blutzucker so oft wie möglich misst. Für die Teststreifenverordnung kommt es aber darauf an, ob es aus medizinischen Gründen wirklich “notwendig” ist, so häufig zu messen. Aus medizinischer Sicht ist eine hohe Messdichte aber oft gar nicht notwendig, vor allem wenn der Stoffwechsel des Patienten einigermaßen stabil ist. Diese Bewertung kann oft allein der Arzt treffen – und als Patient sollte man dies akzeptieren.

Verordnung muss zweckmäßig und wirtschaftlich

Oftmals ist es aber eben so, dass der Arzt sehr wohl eine höhere Menge an Teststreifen für notwendig hält – ein entsprechendes Rezept aber aus Angst vor einem Regress verweigert. Solche Ängste sind vollkommen unbegründet: Denn wenn der Arzt die Notwendigkeit einer Verordnung begründen kann, dann passiert ihm auch nichts. Allerdings muss seine Verordnung daneben zweckmäßig und wirtschaftlich sein – das bedeutet unter anderem, dass die Teststreifen vom Patienten auch tatsächlich therapiegemäß verwendet werden müssen und sich nicht etwa bei eBay wiederfinden dürfen.

Auch darf, wie bereits geschrieben, keine Luxus- oder Überversorgung stattfinden; es kann also nur die Menge verordnet werden, die aus Sicht des Arztes ausreichend ist – was nicht zwingend dasselbe ist, was der Patient für notwendig hält.

Regress: Horrorgeschichten ohne Grundlage

Es ist mir bislang noch kein einziger Fall bekannt geworden, wo ein Arzt rechtskräftig zu einem Regress wegen einer begründet notwendigen Teststreifenverordnung verurteilt worden wäre. In Arztkreisen kursieren zwar solche Horrorgeschichten – aber wenn man genauer nachfragt bzw. es vollständig betrachtet, dann spielten die Teststreifen dort tatsächlich keine entscheidende Rolle.

Manche Patienten haben allerdings auch ein überzogenes Anspruchsdenken und fordern manchmal gar unverschämt und ohne Begründung vom Arzt, dass dieser eine bestimmte Teststreifenmenge aufschreibt. Man darf sich als Patient dann aber nicht wundern, wenn der Arzt daraufhin auf stur schaltet und die bisherige Teststreifenmenge womöglich sogar noch reduziert.

Keine Teststreifen, wenn …

Grundsätzlich gilt: Wenn ein Patient jegliche Mitwirkung verweigert, zum Beispiel das Messgerät bzw. Tagebuch immer beim Arztbesuch “vergisst”, oder die Streifen nicht therapiegerecht verwendet, dann dürfen im Zweifel überhaupt keine Streifen mehr verordnet werden. Eine Verordnung wäre dann unzulässig – selbst innerhalb der Orientierungsrahmen bzw. Richtgrößen.

Denn wenn die Teststreifen aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Patienten nicht überprüfbar bzw. zweckbestimmt im Rahmen der vorgesehenen Therapie eingesetzt werden (können), dann bringt eine solche Verordnung offensichtlich nicht viel – zumindest aus ärztlicher Sicht. Für den Arzt dürfte es dann sehr schwierig sein, eine medizinische Notwendigkeit anzunehmen oder die Zweckmäßigkeit der Messungen zu begründen.

Allein der Arzt entscheidet

Es besteht also keinesfalls ein Anspruch auf eine unbegrenzte Teststreifenmenge: Vielmehr entscheidet allein der Arzt, was aus medizinischer Sicht notwendig, ausreichend und zweckmäßig ist. Wenn Sie der Auffassung sind, dass die vom Arzt verordnete Menge nicht ausreicht, dann teilen Sie ihm Ihre Bedenken mit bzw. schildern Sie ihm, warum Sie mit dieser Anzahl nicht klarkommen; ein regelmäßig geführtes Blutzuckertagebuch kann dabei durchaus hilfreich sein.

Hält der Arzt dann trotzdem keine höhere Menge für erforderlich, dann müssen Sie seine Entscheidung akzeptieren; in der Regel hat er dafür ja auch seine Gründe.

Umgekehrt gilt allerdings auch: Wenn der Arzt pauschal behauptet, dass er keine höhere Menge verordnen “dürfe” oder die Krankenkasse dies zuvor genehmigen müsse, dann sollten Sie ihn ruhig darauf hinweisen, dass dies so nicht stimmt. Hierzu können Sie dann auch auf meinen Artikel aus dem Diabetes-Journal verweisen.

“Keine Obergrenze”: Gilt das wirklich bundesweit?

Viele Leser haben nachgefragt, warum die Bestätigung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe denn bundesweit gelte. Das ist ganz einfach: Die Verordnung von Teststreifen ist bundeseinheitlich im Sozialgesetzbuch (SGB) V sowie in der Arzneimittel-Richtlinie geregelt. Kassenpatienten in beispielsweise Bayern, Sachsen oder Hessen haben daher Anspruch auf dieselbe Versorgung wie Patienten in Nordrhein-Westfalen.


von RA Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte

Kontakt:
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart sowie Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
, Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (7) Seite 62-63

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • darktear antwortete vor 3 Tagen

      Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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