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Wenn Sie als Arbeitnehmer krank werden und daher nicht arbeiten können, stellt sich natürlich die Frage, ob – und falls ja: wie lange – Sie während der Krankheitszeit weiterhin Lohn bekommen. Rechtsanwalt Oliver Ebert erklärt die Sachlage.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden durch Otto von Bismarck erste Regelungen geschaffen, welche eine Art Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sicherstellten. Seit 1994 sind Arbeitnehmer und Angestellte durch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) im Krankheitsfall relativ weit abgesichert. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt gemäß § 3 EntgFG voraus, dass der Arbeitnehmer unverschuldet und durch Krankheit bzw. Verletzung vorübergehend arbeitsunfähig ist.
Dies bedeutet aber nicht, dass man bereits wegen einer leichten Fahrlässigkeit oder Unachtsamkeit den Anspruch verliert. Wer sich also beim Fußball verletzt oder beim Radfahren stürzt, hat grundsätzlich trotzdem Anspruch auf Lohnfortzahlung – auch wenn er natürlich vielleicht hätte besser aufpassen bzw. noch vorsichtiger hätte fahren können. Auch lediglich unvernünftiges Verhalten (z. B. Rauchen, Risikosportarten) reicht noch nicht aus, um die Lohnfortzahlung auszuschließen.
Anders sieht es dagegen aus, wenn sich jemand bei einer Schlägerei verletzt, betrunken einen Unfall verursacht oder beispielsweise entgegen ärztlichem Rat vorzeitig das Krankenhaus verlässt bzw. eine Therapie ausschlägt – in diesen Fällen wird man von einem groben Verstoß gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung ausgehen müssen. Es besteht dann meist kein Anspruch darauf, dass der Lohn fortgezahlt wird.
Gemäß § 4 Abs. 1 EntgFG „ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen“. Das bedeutet: Wer krank ist, erhält grundsätzlich den gleichen Lohn weiter, den er auch ohne Krankheit erhalten hätte. Auch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge müssen weiter entrichtet werden. Überstunden werden bei der Berechnung allerdings nur unter bestimmten Umständen berücksichtigt.
Die Entgeltfortzahlung wird vom Arbeitgeber geleistet und ist – pro Krankheit – grundsätzlich auf einen Zeitraum von maximal 6 Wochen befristet. Erkrankt jemand innerhalb von 12 Monaten immer wieder an derselben Krankheit, werden sämtliche Krankheitstage zusammengerechnet; der Arbeitgeber muss insgesamt nur 6 Wochen lang bezahlen.
Sofern man zwischen den Krankheitszeiten über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten arbeitsfähig war bzw. gearbeitet hat, beginnt der sechswöchige Anspruch auf Entgeltfortzahlung erneut.
Beispiel: Wer an einer Depression leidet und deswegen immer wieder einmal krankgeschrieben wird, bei dem basiert der Ausfall auf dem gleichen Grundleiden – der Depression. Der Lohnfortzahlungsanspruch beträgt daher grundsätzlich nur insgesamt 6 Wochen, außer es liegen mindestens 6 Monate zwischen den Krankschreibungen.
Eine Wiederholungserkrankung liegt vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf verschiedenen Erkrankungen bzw. verschiedenen Ursachen beruht. Zudem wird auch von einer Wiederholungserkrankung gesprochen, wenn jemand mehrfach hintereinander zwar an derselben Krankheit leidet, diese aber nicht von einem einheitlichen Grundleiden ausgeht.
Der Anspruch auf die sechswöchige Lohnfortzahlung entsteht dann jeweils neu.
Allerdings muss der Arbeitnehmer zwischen den Erkrankungen in der Regel wenigstens kurz gearbeitet haben, zumindest aber arbeitsfähig gewesen sein. Beide Erkrankungen dürfen sich zeitlich also nicht überschneiden.
Beispiel: Wer an einem Burnout-Syndrom mit Depressionen leidet, deswegen krankgeschrieben war und kurz nach seiner Rückkehr einen schweren Bandscheibenvorfall bekommt, bei dem liegen unterschiedliche Krankheitsursachen vor, und der sechswöchige Anspruch auf Entgeltfortzahlung beginnt erneut.
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet grundsätzlich auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt: Wer vom Arbeitgeber aufgrund der Arbeitsunfähigkeit gekündigt wird oder selbst zulässigerweise wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers fristlos kündigt, für den läuft der Entgeltfortzahlungsanspruch bis maximal zum Erreichen der 6-Wochen-Grenze weiter.
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, muss eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorgelegt werden.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger, als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort so schnell wie möglich mitzuteilen.
Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse sind verpflichtet, auch der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Kehrt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in das Inland zurück, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen.
Der Arbeitgeber kann die Fortzahlung des Arbeitsentgelts verweigern, wenn und solange der Arbeitnehmer seiner Krankmeldungs- und Nachweispflicht schuldhaft nicht nachkommt.
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung beträgt längstens 6 Wochen. Wer länger krank ist (oder in den ersten 4 Wochen seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses erkrankt), dem zahlt die Krankenkasse Krankengeld als Lohnersatzleistung. Dies gilt aber nur für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse – wer freiwillig gesetzlich versichert ist, bekommt nur dann Krankengeld, wenn dies vereinbart wurde.
Bei Privatversicherten hängt es vom jeweiligen Versicherungsvertrag ab, ob und in welcher Höhe eine Krankengeldzahlung erfolgt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher ausschließlich auf Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse.
Im Fall der Arbeitsunfähigkeit beginnt das Krankengeld am Tag nach der Krankschreibung durch den Arzt – aber erst, wenn kein Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den Arbeitgeber mehr besteht (in der Regel also nach 6 Wochen).
Das Krankengeld bemisst sich nach § 47 SGB V und beträgt 70 Prozent des letzten monatlichen Bruttoeinkommens. Allerdings gibt es hier eine Deckelung: Das Einkommen wird nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt und auch nur in Höhe von max. 90 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Das tägliche Höchst-Krankengeld liegt bei 105,88 Euro (Stand 2019).
Auch das Krankengeld ist sozialversicherungspflichtig; die Krankenkasse behält die anteiligen Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ein.
Der Anspruch auf Krankengeld besteht ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen „derselben“ Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je 3 Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Die sechswöchige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber wird allerdings angerechnet, so dass die Krankenkasse meist nur noch 72 Wochen Krankengeld zahlen muss.
Wer nach 3 Jahren erneut aufgrund „derselben“ Krankheit arbeitsunfähig wird, bekommt nur dann Krankengeld, wenn er dazwischen mindestens 6 Monate wegen dieser Krankheit nicht arbeitsunfähig sowie auch erwerbstätig oder arbeitssuchend gemeldet war. Bei einer anderen Erkrankung läuft eine neue und unabhängige 3-Jahres-Frist.
Die Beurteilung, ob es sich um „dieselbe“ Krankheit handelt, hängt wie beim Entgeltfortzahlungsanspruch davon ab, ob die neuerliche Arbeitsunfähigkeit auf der gleichen Grunderkrankung basiert. Wenn mehrere Krankheiten während der Arbeitsunfähigkeit zusammenkommen, so werden diese als eine einzige Krankheit behandelt. Das bedeutet: Die Dauer des Krankengelds verlängert sich dann nicht.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (10) Seite 54-57
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