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Bislang waren mir die Eröffnungsveranstaltungen bei Kongressen nur aus der Publikumsperspektive vertraut. Doch am 15. November 2019 stand ich auf einmal selbst auf der Bühne und schaute in ungefähr tausend interessierte Gesichter. Grund für meinen großen Auftritt war die Verleihung des DDG-Medienpreises.
Mein Blogbeitrag „Schluss mit negativer Sprache – Warum wir auch in Deutschland eine Bewegung wie #LanguageMatters brauchen“ passte so schön zum Thema „Kommunikation zwischen Arzt und Patient“, das die DDG dieses Jahr besonders im Blick hatte. Also reichte ich ihn ein – und dachte in den folgenden Monaten nicht mehr groß daran.
Bis mich ein paar Wochen vor der DDG-Herbsttagung eine Mitarbeiterin der Pressestelle anrief und mit mitteilte, dass die Jury meinen Beitrag von allen eingereichten am besten fand. Und so durfte ich zusammen mit den drei anderen Preisträgerinnen (Regine Hauch in der Kategorie Hörfunk, in der Kategorie Fernsehen Marco Giacopuzzi vom KiKa und in der Kategorie Print Dr. Sabine Haaß vom Diabetes Ratgeber) zum Ende der Eröffnungsveranstaltung auf die Bühne klettern, erhielt meine Urkunde, ein paar Blümchen und viel Applaus. Übrigens bin ich nicht das erste Lounge-Redaktionsmitglied, das mit dem DDG-Medienpreis ausgezeichnet wurde. Vor zwei Jahren erhielt Bastian Niemeier den Preis für seinen Kurzfilm „Diagnose D 2.0“, und 2016 verlieh man Susanne Löw die Auszeichnung für ihre Website „Zucker im Gepäck“. Dafür, dass die DDG den Medienpreis insgesamt erst seit 6 Jahren vergibt, sind wir von der Blood Sugar Lounge doch ziemlich gut vertreten, oder?
Über meinen Blogbeitrag fand die DDG in ihrer Pressemitteilung folgende wirklich sehr schmeichelhafte Worte:
Den Preis in der Kategorie Online erhält Antje Thiel für ihren Blogbeitrag „Schluss mit negativer Sprache – warum wir auch in Deutschland eine Bewegung wie #LanguageMatters brauchen“. – „Diabetiker“ oder „Mensch mit Diabetes“?, „Compliance, Adhärenz und Therapietreue“ oder besser „gemeinsam erarbeitete Therapieziele“? Sprache kann Selbstbild und Haltung zu einer Erkrankung wie beispielsweise Diabetes beeinflussen. Sprache kann diskriminierend, stigmatisierend und verletzend sein. Sie kann Machtgefälle abbilden und Überlegenheitshaltungen offenbar machen. Antje Thiel greift in ihrem Text eine Debatte aus englischsprachigen Ländern wie Australien, Großbritannien und den USA auf. Dort wird seit einiger Zeit bereits unter dem Hashtag #LanguageMatters eine Diskussion geführt, wie man mit und über Menschen mit Diabetes sprechen kann, ohne sie herabzusetzen und zu stigmatisieren. Die Autorin macht deutlich, weshalb auch in Deutschland eine Auseinandersetzung dazu nötig ist. „Kritisiert wird eine Sprache, die Menschen mit Diabetes auf Objekte reduziert, ihnen implizit Eigenverantwortung abspricht und ihnen dadurch die Selbstwirksamkeit nimmt. Der Text ist zudem von besonderer Qualität, weil er sowohl aus der Betroffenenperspektive als auch aus Sicht eines Profis, nämlich einer Medizinjournalistin, geschrieben ist“, fasst Gallwitz die Jury-Entscheidung zusammen. Die im Blogbeitrag begründete Sprachkritik samt Verbesserungsvorschlägen kann langfristig zu einer besseren Akzeptanz der Menschen mit Diabetes beitragen und den Betroffenen den Rücken stärken. Ein herausragender Beitrag, so das Votum der Jury.
Ich freue mich sehr über diesen Preis – und zwar nicht nur aus Eitelkeit und weil die DDG mir ein Preisgeld von 1.500 Euro überwiesen hat. Ich hoffe nämlich, dass mein Beitrag eine längst notwendige Debatte anstößt. Denn anders als einige Fachgesellschaften im englischsprachigen Raum hat die DDG bislang noch kein Positionspapier mit Empfehlungen herausgegeben, wie man mit und über Menschen mit Diabetes sprechen sollte, ohne sie zu stigmatisieren und zu diskriminieren. Auch auf ihren Kongressen wurde dieser Aspekt bislang noch nicht thematisiert. Ob sich daran bald etwas ändert? Möglich wäre es, denn man signalisierte mir in mehreren Gesprächen im Laufe des Kongresses, dass die DDG das Thema in eine ihrer Arbeitsgruppen integrieren möchte. Die Fachgesellschaft möchte offenbar künftig mehr Bewusstsein für diskriminierungsfreie Sprache wecken.
Es geht dabei um mehr als einfach „Mensch mit Diabetes“ statt „Diabetiker“ zu sagen. Ich wünsche mir mehr Bewusstsein dafür, welches Bild von Menschen mit Diabetes und ihrer Erkrankung durch die Wortwahl gezeichnet wird. Denn viele Bezeichnungen und Redewendungen vermitteln ein sehr negatives Bild von Menschen mit Diabetes: dick, dumm, Diabetes, selbst schuld, Therapieverweigerer, schwieriger Patient… Die Liste ist lang, in meinem Blogbeitrag habe ich eine ganze Menge unschöner Formulierungen zusammengetragen. Denken formt Sprache, und Sprache formt Denken. Es geht mir also nicht darum, eine Art Sprachpolizei einzurichten, die „falsche“ Wortwahl bestraft. Sondern darum, mit Empathie und Respekt über und mit Menschen mit Diabetes zu sprechen.
Gibt es Worte oder Formulierungen in Bezug auf euren Diabetes, die euch ganz besonders sauer aufstoßen, die euch verunsichern oder verletzen? Vielleicht können wir meine im Blogbeitrag begonnene Liste ja gemeinsam erweitern und der DDG und ihrer Arbeitsgruppe ein bisschen Futter liefern? Ich würde mich über euer Feedback sehr freuen!
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