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Im Bundestag wurde die erste Nationale Diabetes-Strategie für Deutschland verabschiedet. diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG), die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) begrüßen diesen Schritt, bemängeln allerdings, dass die darin festgehaltenen Maßnahmen mitunter nicht weit genug gehen. Zudem müssten nun auch schnell Taten folgen.
Ende vergangener Woche hat der Deutsche Bundestag nach langem Vorlauf die erste Nationale Diabetes-Strategie mit acht Kernpunkten verabschiedet. Grundsätzlich zeigen sich Medizinberufs- und Patienten-Verbände darüber erfreut, allerdings sei dieser Schritt aber insgesamt noch unzureichend und es müssten noch mehr konkrete sowie verbindliche Maßnahmen seitens der Politik festgelegt werden.
So bemängelt die Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, dass die beschlossene Strategie lediglich eine Absichtserklärung und kein Gesetz ist. Die acht Kernpunkte enthielten demnach zwar viel Notwendiges – insbesondere die ressortübergreifenden Ansätze zur Diabetesprävention mit den Schwerpunkten Ernährung und Bewegung.
„Allerdings werden besonders effektive verhältnispräventive Maßnahmen auf Bevölkerungsebene, wie die Reduzierung des Zuckergehalts in Süßgetränken um 50 Prozent und Werbeeinschränkungen für Produkte mit Kinderoptik weiter vernachlässigt“, kommentierte diabetesDE-Geschäftsführerin Nicole Mattig-Fabian den Beschluss.
Darüber hinaus fehlten darin konkrete Zeithorizonte, bis wann die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt und wie sie finanziert werden sollten. „Aus Sicht der Patienten ist diese Nationale Diabetes-Strategie somit im Vergleich zu einem verbindlichen Nationalen Diabetes-Plan analog eines Nationalen Krebsplans trotz aller ehrenwerten Bemühungen leider nur ein Spatz in der Hand, ein Spatz mit Kinderkrankheiten“, so Mattig-Fabian.
Als positiv hervorzuheben bezeichnete die diabetesDE-Geschäftsführerin die Stärkung der Vorbeugung und Früherkennung von Diabetes, die Verbesserung und Weiterentwicklung von medizinischen Lehrplänen (Curricula), die Weiterentwicklung sektorenübergreifender Versorgung und der Disease Management-Programme (DMP), der Ausbau der Erhebung und Nutzung diabetesrelevanter Daten sowie der Diabetes-Forschung. Auch die Entwicklung personalisierter Therapiekonzepte in der Prävention und Versorgung sei begrüßenswert.
Auch Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, äußert sowohl Lob als auch Kritik für die nun verabschiedete Strategie: „Ich begrüße sehr, dass die Nationale Diabetes-Strategie einen weiteren Ausbau der Telemedizin in der Diabetesversorgung vorsieht. Die Notwendigkeit ist in den letzten Monaten, in denen die Menschen mit Diabetes nicht ihre analogen Schulungs- und Beratungsgespräche in den Praxen wahrnehmen konnten, mehr als offensichtlich geworden. Diabetes ist ein Paradebeispiel für die Vorteile von Digitalisierung.“
Der Hamburger Diabetologe ergänzt: „Letztendlich ist diese Nationale Diabetes-Strategie nur der erste Schritt in die richtige Richtung, denn bislang ist sie nichts weiter als eine Absichtserklärung, eine Delegation der Maßnahmen an die Selbstverwaltung und die Länder, es ist eben kein verpflichtender Gesetzesentwurf. Das ist eine verpasste Chance, die Prognose des RKI von bis zu 12,4 Mio. Menschen mit Diabetes bis zum Jahr 2040 tatsächlich noch aufzuhalten. Hier hätten wir uns zum Beispiel in Bezug auf eine einfache Nährwertkennzeichnung wie den Nutri-Score die klare Forderung nach einer europaweiten Verbindlichkeit gewünscht, wie es im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen formuliert ist.“
Auch die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) begrüßt prinzipiell die Verabschiedung der Strategie, doch auch dem Ärtzeverband greift der Beschluss zu kurz, sodass die Präsidentin Prof. Dr. med. Monika Kellerer von einer „Strategie light“ spricht. Grundsätzlich könnten nun zwar wichtige Punkte politisch umgesetzt werden, die Millionen Menschen mit Diabetes und künftigen Generationen zugutekämen, „doch wie leider zu erwarten war, erhält Deutschland mit diesem Beschluss nur eine Nationale Diabetes-Strategie ‚Light‘“, so Kellerer.
Laut der Stuttgarter Diabetologin fehlten wesentliche Bausteine: „Es kann sich bei der Nationalen Diabetes-Strategie nur um einen ersten Aufschlag handeln, nun müssen den Willensbekundungen auch Taten folgen.“ In dem Entwurf komme insbesondere die Ernährung und damit ein wesentlicher Kern der Diabetes-Prävention zu kurz. „Die Lebensmittelindustrie muss hier mehr in die Verantwortung genommen werden, denn ihre Produkte tragen ganz wesentlich zu gesundem oder ungesundem Essverhalten bei“, pflichtete DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer bei.
In Bezug auf Softdrinks etwa nenne die Diabetes-Strategie weiterhin nur das Ziel einer Zuckerreduktion von 15 Prozent bis Ende 2025 auf freiwilliger Basis. „Dieses Ziel ist viel zu gering und damit quasi wirkungslos, um neue Diabetesfälle zu verhindern“, so Bitzer. Noch immer setze die Politik damit viel zu sehr auf das individuelle Verhalten und ignoriere den enormen Einfluss der Alltagsumgebung und des Lebensmittelangebots.
Dabei zeigten positive Beispiele aus anderen Ländern wie Großbritannien, dass verbindliche Maßnahmen tatsächlich wirkten. Im aktuellen Beschluss verhielten sich die Fraktionen aber erneut zu passiv gegenüber der Industrie, da sich lediglich ein Hinweis darauf finden ließe, dass die Forderungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Krankenkassen „zu prüfen“ seien und sich für eine Ausweitung des Engagements der Branche eingesetzt werden müsse.
„Eine so unverbindliche und vage Aussage ist wertlos. Deutschland braucht eine Nationale Diabetes-Strategie, die verbindliche Maßnahmen und ambitionierte Ziele im Bereich Ernährung umfasst, ansonsten ist es keine Strategie“, findet Bitzer.
In der Strategie werde auch der medizinische Nachwuchs in der Diabetologie nicht ausreichend berücksichtigt, stellte Kellerer fest: „Wenn die Zahl der klinischen Lehrstühle an den Universitäten weiter so rasant abnimmt wie in den vergangenen Jahren, wird es bald kaum noch medizinisches Fachpersonal geben, das zu einer guten Versorgungsstruktur in Deutschland beitragen kann. Dieser wichtige Baustein wurde nicht berücksichtigt, was das Fundament, auf dem die Nationale Diabetes-Strategie fußt, porös macht.“
Doch auch die DDG hat neben der Kritik auch Lob für den Beschuss übrig: Begrüßenswert seien Maßnahmen zur Verbesserung des Disease Management Programms (DMP), zur Diabetes-Forschung sowie dem Ausbau der telemedizinischen Infrastruktur. „Auch, dass Adipositas im Beschluss vermehrt in den Fokus genommen wird, ist ein wichtiger Schritt“, findet Kellerer. Das Krankheitsbild soll verstärkt in den Katalog der ärztlichen Fort- und Weiterbildung aufgenommen werden, eine interdisziplinäre, multimodale, individuelle Versorgung ermöglicht und für den Ausbau der diesbezüglichen Lehrstühle geworben werden.
„Es gibt viele gute Ansätze in dem Entwurf, die in Zukunft inhaltlich ausgefüllt werden müssen und bestenfalls noch Ergänzungen finden“, resümierte die DDG-Präsidentin. Sie verweist auf die ausstehende Erarbeitung eines Eckpunktepapiers, das schließlich mit konkreten Maßnahmen der Weiterentwicklung des Präventionsgesetzes dienen soll. Hier erhofft man sich wesentliche Nachbesserungen.
Abschließend dankt die DDG denjenigen Politikern, die sich über Jahre für die Erarbeitung der Nationalen Diabetes-Strategie eingesetzt haben; insbesondere der Unionspolitiker Dietrich Monstadt, der langjähriges Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag ist, sei hier zu nennen.
Als grob unzureichend bezeichnete auch die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) die nun beschlossene Version der Nationalen Diabetes-Strategie. Barbara Bitzer, die als DDG-Geschäftsführerin auch Sprecherin des Fachverband-Zusammenschlusses ist, sieht nur in einer der beschlossenen Maßnahmen einen wirklich Fortschritt: Kinderlebensmittel sollen künftig dem Nährwertprofil der WHO entsprechen.
„Damit könnten endlich die überzuckerten Kinder-Frühstücksflocken aus den Regalen verschwinden. Deutschland sollte hier nicht auf eine europäische Regelung warten, sondern Kinder sofort vor ungesunden Lebensmitteln schützen, beispielsweise durch ein Werbeverbot.“
Bei der geplanten Überarbeitung des Präventionsgesetzes fordert DANK, wirklich effektive bevölkerungsweite Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährung einzuschließen wie eine höhere Besteuerung ungesunder Produkte bei gleichzeitiger Entlastung gesunder Produkte. „Entscheidend für eine gesunde oder ungesunde Ernährung ist letztlich auch die Lebenswelt Supermarkt“, so Bitzer, „denn über den Preis erreicht man die gesamte Bevölkerung.“
Dass nun zügig konkrete Schritte folgen, wünscht sich auch der
Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH)
, um „die Prävention und Früherkennung der Volkskrankheit Diabetes [zu] fördern und zugleich gezielte Verbesserungen für Diabeteskranke [zu] erbringen“, kommentierte VDGH-Vorstandsvorsitzender Ulrich Schmid den vom Deutschen Bundestag beschlossenen Antrag der Regierungsfraktionen.
Der VDGH hält eine Verknüpfung zur Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung für zwingend notwendig: „Diabeteskranke werden wie keine andere Patientengruppe von digitalen Versorgungsangeboten, wie z.B. medizinischen Apps, profitieren. Technologische Innovationen und patientengerechte Lösungen erleichtern die vernetzte Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Der rasche Zugang zu digitalen Versorgungsangeboten muss allen Betroffenen ermöglicht werden“, führte Schmid weiter aus.
Auch bei der Diabetes-Früherkennung sind aus Sicht des VDGH konkrete Verbesserungen nötig und möglich. Hierzu gehörten eine Weiterentwicklung des Früherkennungsprogramms der gesetzlichen Krankenversicherung, das derzeit einen Diabetes-Check-up für Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren nur ein einziges Mal vorsieht, ab 35 Jahren im Abstand von drei Jahren.
Quellen: diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe | Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) |
Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)
|
Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH)
| Redaktion
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