- Leben mit Diabetes
Nicht unterkriegen lassen!
5 Minuten
Ob Worte, Blicke oder Taten – Diskriminierung kann überall vorkommen und Diabetiker jeden Alters betreffen. Das frustriert, macht wütend oder schüchtert ein. Doch das muss so nicht sein.
In der Schule hänselt mich ein Mitschüler mit den Worten “Du hast zu viel Zucker gegessen und jetzt besteht dein Herz aus Zucker”, obwohl ich ihm schon mehrmals erklärt habe, was Diabetes bedeutet. Im Restaurant spritze ich mit dem Pen Insulin für 5 Broteinheiten, die vor mir auf dem Teller liegen – und ernte dafür empörte Blicke und Gelächter …
Seien es die Blicke unserer Mitmenschen oder die Worte, mit denen sie uns verletzen – Diskriminierung hat viele Gesichter und trifft Menschen, die als anders empfunden werden. Diabetes ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, doch Spritzen, Blutzuckermessen oder das Piepsen der Insulinpumpe, der Schlauch oder auch Übergewicht bei Diabetes mellitus Typ 2 werden als Auffälligkeiten empfunden und bieten eine Angriffsfläche.
Sind Krankheiten eine Schwäche? Niemals!
Ist Diabetes also eine Schwäche? Keinesfalls, und das sollten sich Diabetiker auch niemals einreden lassen. Typ-1-Diabetes ist eine Erkrankung, deren Ursache noch unklar ist. Typ-2-Diabetes kann zwar durch den eigenen Lebensstil beeinflusst werden, doch das können viele Krankheiten. Krankheiten sind keine Schwäche, sondern das Ergebnis verschiedener Umstände und biologischer Zusammenhänge.
Menschen können Krankheiten überwinden oder trotz ihrer Krankheit den Alltag meistern und sogar enorme Leistungen erbringen. Das ist wahre Stärke. Vorwürfe sollten sich Diabetiker daher keinesfalls machen – stattdessen sollten sie stolz darauf sein, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Grundsätzlich können wir mit unserer inneren Einstellung einen Schutzwall für Diskriminierung aufbauen und selbst beeinflussen, wie erfolgreich Diskriminierungsversuche bei uns sind. Alles, was wir dafür brauchen, ist eine gefestigte innere Haltung, Selbstliebe und Verständnis für andere Menschen.
Die wichtige innere Haltung
Wer will den Diabetes nicht loswerden und so sein wie andere Menschen? Schließlich haben wir das Gefühl, all unsere Probleme sind vom Diabetes verursacht. Doch den Diabetes zu ignorieren, im Restaurant lieber nicht zu spritzen, weil uns sonst die Personen am Nachbartisch empört ansehen, ist keine Lösung. Das bringt nur noch mehr Probleme mit sich: hohe Blutzuckerwerte, Übelkeit, Müdigkeit und so weiter.
Wer stattdessen den Diabetes annimmt, akzeptiert und sich nicht versteckt, hat die Chance, seine Gesundheit zu verbessern … und sein Wohlbefinden ebenso. Gleichzeitig verhindert der selbstbewusste und offene Umgang mit Diabetes meiner Erfahrung nach Diskriminierungsversuche: Denn wer seine Krankheit nicht als Schwäche empfindet, bietet weniger Angriffsfläche für Diskriminierende.
Die Liebe zu uns selbst
Wie sollen wir jemandem, der uns diskriminiert, etwas entgegensetzen, wenn wir uns selbst schon nicht glauben? Je stärker wir uns so akzeptieren und lieben, wie wir sind, umso sicherer und überzeugender können wir mit Vorurteilen aufräumen. Jeder hat Probleme, jeder hat Macken, jeder hat Stärken, jeder hat Ecken und Kanten oder Rundungen.
Mit anderen Worten: Keiner ist perfekt, und das ist auch gut so. Denn unsere Schwächen, unsere Probleme und die Art und Weise, wie wir damit umgehen, sowie unser einzigartiger Charakter machen uns erst zu Menschen und Persönlichkeiten. Lieben wir uns also so, wie wir sind, auch mit Diabetes.
Diskriminierung verstehen … und sogar nutzen!
Wieso diskriminieren Menschen überhaupt? Teilweise beruhen Diskriminierungen auf Vorurteilen oder absoluter Unwissenheit. Andere Menschen wiederum diskriminieren aus Selbstschutz, weil sie selbst beleidigt wurden. Das sind keine Entschuldigungen für unfaires Verhalten; doch es sind mögliche Erklärungen, die uns helfen, die Diskriminierung in einem anderen Kontext zu betrachten und über den Dingen zu stehen.
Das Verhalten einer diskriminierenden Person entsteht aus seiner individuellen Ansicht heraus, die keineswegs stimmen muss. So gesehen können wir Diskriminierung, die aus Unwissenheit oder falschem Wissen entsteht, sogar nutzen, um mit Vorurteilen aufzuräumen. Wir können uns als Aufklärer sehen und uns darüber freuen, dass wir jemanden eines Besseren belehren können.
Diese positive Einstellung zu uns selbst und zu anderen hilft uns, mit Diskriminierungen umzugehen. Doch wissen wir das auch noch in der jeweiligen Situation? Oft fällt uns erst hinterher ein, wie wir uns hätten verhalten können und was wir hätten sagen können. Um sofort angemessen zu reagieren, habe ich ein paar Tipps zusammengestellt:
Ruhig bleiben
Diskriminierung berührt uns, macht uns wütend. Doch dieselbe Aggression entgegenzusetzen, spitzt die Situation weiter zu. Stattdessen ist es angebracht, ruhig zu bleiben. So wird die Situation entschärft.
Gelassen und selbstbewusst reagieren
Nicht jeder traut sich, schlagfertig zu reagieren. Bevor eine schlagkräftige Antwort unsicher wirkt, ist es besser, die Diskriminierung bewusst zu ignorieren oder auf aufklärende Art und Weise seinen Standpunkt darzulegen.
Falls es um ein Vorurteil oder falsches Wissen geht, könnte man die Situation entsprechend mit dem richtigen Wissen über Diabetes aufklären.
Beispiele für schlagfertige Antworten
Bereit für absolute Schlagfertigkeit? Los geht’s: Was entgegnet man auf folgende Aussage: “Du darfst keinen Zucker essen.”? Wie wäre es mit einer verständnisvollen, fast mitleidigen Antwort: “Du bist wohl tatsächlich noch nicht aufgeklärt. Aber das ist kein Problem. Ich kann dir helfen: Ich habe nicht zu viel Zucker, sondern zu wenig Insulin.”
Besonders schwierig ist es, angemessen zu reagieren, wenn Diskriminierung während eines Vorstellungsgesprächs oder im Beruf passiert. Beispielsweise könnte der Chef sagen: “Sie haben Diabetes? Das heißt, Sie sind nicht zuverlässig und leistungsfähig genug, um bei uns zu arbeiten.” Daraufhin könnte man selbstbewusst entgegnen: “Diabetiker sind allein schon durch ihre anstrengende Therapie diszipliniert und strebsam. Ich glaube, dass ich der Aufgabe sogar sehr gut gewachsen bin.”
Diabetes mellitus Typ 2: Meine Bauchspeicheldrüse produziert nicht genug Insulin, und meine Zellen reagieren auch nicht gut auf Insulin. Doch Insulin bringt Zucker in die Zellen. Der wird dort in Energie umgewandelt. Stress und Übergewicht haben die Krankheit begünstigt. Mit verschiedenen Therapiemaßnahmen bin ich dabei, den Diabetes in den Griff zu bekommen.
Schnell und unbemerkt den Blutzucker messen: Wie reagiert man, wenn es trotzdem jemand sieht und sagt: “Das ist voll eklig!” Die Antwort könnte lauten: “Das ist weniger eklig, als es sein zu lassen. Dann könnte es passieren, dass ich innerhalb weniger Stunden vor Ihren Augen zusammenklappe.” Alternativ kann man sagen: “Das ist Blut, das hast du auch.”
Einige Comedians und Kabarettisten machen vor, wie man jemandem begegnet, der sagt: “Du bist zu dick.” So ist beispielsweise die Kabarettistin Lizzy Aumeier der Meinung: “Das ist kein Speck, das ist eine erotische Nutzfläche.” Cindy aus Marzahn wusste, dass es dem Meer egal ist, ob man eine Bikini-Figur hat.
Grundsätzlich kann eine schlagfertige Antwort humorvoll und mit ein bisschen Selbstironie gestaltet sein. Das entspannt die Situation und überrascht den Diskriminierenden. Sein Angriff wird so erfolglos.
Unterstützung holen
Zusätzlich hilft es, wenn ein Bekannter in die Situation eingebunden wird, der der Antwort auf die Diskriminierung zustimmt. Das verstärkt die Aussage und schreckt den Diskriminierenden ab.
Wenn jedoch weder Humor noch schlagkräftige Antworten noch die Unterstützung von Freunden die Diskriminierung stoppen, sollte professionelle Hilfe gesucht werden. Dazu ist es sinnvoll, Zeugenaussagen zu notieren und ein Protokoll von der Situation zu schreiben. Damit können Mitarbeiter von Beratungsstellen die Situation nachvollziehen und Ratschläge geben. Unter der Hotline der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erhält man Tipps zur aktuellen Konfliktsituation und Empfehlungen für Experten in Wohnortnähe.
- Dick, dumm, Diabetes?!
- Nicht unterkriegen lassen
von Stephanie Hill
Stephanie Hill ist Texterin, Kommunikationsberaterin, seit 1999 Typ-1-Diabetikerin, Mitgründerin der Special Ones (www.special-ones.de) und Bloggerin bei der Blood Sugar Lounge (www.blood-sugar-lounge.de). Mehr Infos über Stephanie: www.finde-deinen-weg-mit-diabetes.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (3) Seite 26-29
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Behandlung
Hinter die Dinge schauen: Kinder-Diabetologin und Coach Dr. Katja Schaaf im Interview
13 Minuten
- Leben mit Diabetes
Insulencerin Nina Joachim: Offen sein und Mut machen
11 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
-
moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
-
-
hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
-
connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
-


Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig