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Ob Worte, Blicke oder Taten – Diskriminierung kann überall vorkommen und Diabetiker jeden Alters betreffen. Das frustriert, macht wütend oder schüchtert ein. Doch das muss so nicht sein.
In der Schule hänselt mich ein Mitschüler mit den Worten “Du hast zu viel Zucker gegessen und jetzt besteht dein Herz aus Zucker”, obwohl ich ihm schon mehrmals erklärt habe, was Diabetes bedeutet. Im Restaurant spritze ich mit dem Pen Insulin für 5 Broteinheiten, die vor mir auf dem Teller liegen – und ernte dafür empörte Blicke und Gelächter …
Seien es die Blicke unserer Mitmenschen oder die Worte, mit denen sie uns verletzen – Diskriminierung hat viele Gesichter und trifft Menschen, die als anders empfunden werden. Diabetes ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, doch Spritzen, Blutzuckermessen oder das Piepsen der Insulinpumpe, der Schlauch oder auch Übergewicht bei Diabetes mellitus Typ 2 werden als Auffälligkeiten empfunden und bieten eine Angriffsfläche.
Ist Diabetes also eine Schwäche? Keinesfalls, und das sollten sich Diabetiker auch niemals einreden lassen. Typ-1-Diabetes ist eine Erkrankung, deren Ursache noch unklar ist. Typ-2-Diabetes kann zwar durch den eigenen Lebensstil beeinflusst werden, doch das können viele Krankheiten. Krankheiten sind keine Schwäche, sondern das Ergebnis verschiedener Umstände und biologischer Zusammenhänge.
Menschen können Krankheiten überwinden oder trotz ihrer Krankheit den Alltag meistern und sogar enorme Leistungen erbringen. Das ist wahre Stärke. Vorwürfe sollten sich Diabetiker daher keinesfalls machen – stattdessen sollten sie stolz darauf sein, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Grundsätzlich können wir mit unserer inneren Einstellung einen Schutzwall für Diskriminierung aufbauen und selbst beeinflussen, wie erfolgreich Diskriminierungsversuche bei uns sind. Alles, was wir dafür brauchen, ist eine gefestigte innere Haltung, Selbstliebe und Verständnis für andere Menschen.
Wer will den Diabetes nicht loswerden und so sein wie andere Menschen? Schließlich haben wir das Gefühl, all unsere Probleme sind vom Diabetes verursacht. Doch den Diabetes zu ignorieren, im Restaurant lieber nicht zu spritzen, weil uns sonst die Personen am Nachbartisch empört ansehen, ist keine Lösung. Das bringt nur noch mehr Probleme mit sich: hohe Blutzuckerwerte, Übelkeit, Müdigkeit und so weiter.
Wer stattdessen den Diabetes annimmt, akzeptiert und sich nicht versteckt, hat die Chance, seine Gesundheit zu verbessern … und sein Wohlbefinden ebenso. Gleichzeitig verhindert der selbstbewusste und offene Umgang mit Diabetes meiner Erfahrung nach Diskriminierungsversuche: Denn wer seine Krankheit nicht als Schwäche empfindet, bietet weniger Angriffsfläche für Diskriminierende.
Wie sollen wir jemandem, der uns diskriminiert, etwas entgegensetzen, wenn wir uns selbst schon nicht glauben? Je stärker wir uns so akzeptieren und lieben, wie wir sind, umso sicherer und überzeugender können wir mit Vorurteilen aufräumen. Jeder hat Probleme, jeder hat Macken, jeder hat Stärken, jeder hat Ecken und Kanten oder Rundungen.
Mit anderen Worten: Keiner ist perfekt, und das ist auch gut so. Denn unsere Schwächen, unsere Probleme und die Art und Weise, wie wir damit umgehen, sowie unser einzigartiger Charakter machen uns erst zu Menschen und Persönlichkeiten. Lieben wir uns also so, wie wir sind, auch mit Diabetes.
Wieso diskriminieren Menschen überhaupt? Teilweise beruhen Diskriminierungen auf Vorurteilen oder absoluter Unwissenheit. Andere Menschen wiederum diskriminieren aus Selbstschutz, weil sie selbst beleidigt wurden. Das sind keine Entschuldigungen für unfaires Verhalten; doch es sind mögliche Erklärungen, die uns helfen, die Diskriminierung in einem anderen Kontext zu betrachten und über den Dingen zu stehen.
Das Verhalten einer diskriminierenden Person entsteht aus seiner individuellen Ansicht heraus, die keineswegs stimmen muss. So gesehen können wir Diskriminierung, die aus Unwissenheit oder falschem Wissen entsteht, sogar nutzen, um mit Vorurteilen aufzuräumen. Wir können uns als Aufklärer sehen und uns darüber freuen, dass wir jemanden eines Besseren belehren können.
Diese positive Einstellung zu uns selbst und zu anderen hilft uns, mit Diskriminierungen umzugehen. Doch wissen wir das auch noch in der jeweiligen Situation? Oft fällt uns erst hinterher ein, wie wir uns hätten verhalten können und was wir hätten sagen können. Um sofort angemessen zu reagieren, habe ich ein paar Tipps zusammengestellt:
Diskriminierung berührt uns, macht uns wütend. Doch dieselbe Aggression entgegenzusetzen, spitzt die Situation weiter zu. Stattdessen ist es angebracht, ruhig zu bleiben. So wird die Situation entschärft.
Nicht jeder traut sich, schlagfertig zu reagieren. Bevor eine schlagkräftige Antwort unsicher wirkt, ist es besser, die Diskriminierung bewusst zu ignorieren oder auf aufklärende Art und Weise seinen Standpunkt darzulegen.
Falls es um ein Vorurteil oder falsches Wissen geht, könnte man die Situation entsprechend mit dem richtigen Wissen über Diabetes aufklären.
Bereit für absolute Schlagfertigkeit? Los geht’s: Was entgegnet man auf folgende Aussage: “Du darfst keinen Zucker essen.”? Wie wäre es mit einer verständnisvollen, fast mitleidigen Antwort: “Du bist wohl tatsächlich noch nicht aufgeklärt. Aber das ist kein Problem. Ich kann dir helfen: Ich habe nicht zu viel Zucker, sondern zu wenig Insulin.”
Besonders schwierig ist es, angemessen zu reagieren, wenn Diskriminierung während eines Vorstellungsgesprächs oder im Beruf passiert. Beispielsweise könnte der Chef sagen: “Sie haben Diabetes? Das heißt, Sie sind nicht zuverlässig und leistungsfähig genug, um bei uns zu arbeiten.” Daraufhin könnte man selbstbewusst entgegnen: “Diabetiker sind allein schon durch ihre anstrengende Therapie diszipliniert und strebsam. Ich glaube, dass ich der Aufgabe sogar sehr gut gewachsen bin.”
Diabetes mellitus Typ 2: Meine Bauchspeicheldrüse produziert nicht genug Insulin, und meine Zellen reagieren auch nicht gut auf Insulin. Doch Insulin bringt Zucker in die Zellen. Der wird dort in Energie umgewandelt. Stress und Übergewicht haben die Krankheit begünstigt. Mit verschiedenen Therapiemaßnahmen bin ich dabei, den Diabetes in den Griff zu bekommen.
Schnell und unbemerkt den Blutzucker messen: Wie reagiert man, wenn es trotzdem jemand sieht und sagt: “Das ist voll eklig!” Die Antwort könnte lauten: “Das ist weniger eklig, als es sein zu lassen. Dann könnte es passieren, dass ich innerhalb weniger Stunden vor Ihren Augen zusammenklappe.” Alternativ kann man sagen: “Das ist Blut, das hast du auch.”
Einige Comedians und Kabarettisten machen vor, wie man jemandem begegnet, der sagt: “Du bist zu dick.” So ist beispielsweise die Kabarettistin Lizzy Aumeier der Meinung: “Das ist kein Speck, das ist eine erotische Nutzfläche.” Cindy aus Marzahn wusste, dass es dem Meer egal ist, ob man eine Bikini-Figur hat.
Grundsätzlich kann eine schlagfertige Antwort humorvoll und mit ein bisschen Selbstironie gestaltet sein. Das entspannt die Situation und überrascht den Diskriminierenden. Sein Angriff wird so erfolglos.
Zusätzlich hilft es, wenn ein Bekannter in die Situation eingebunden wird, der der Antwort auf die Diskriminierung zustimmt. Das verstärkt die Aussage und schreckt den Diskriminierenden ab.
Wenn jedoch weder Humor noch schlagkräftige Antworten noch die Unterstützung von Freunden die Diskriminierung stoppen, sollte professionelle Hilfe gesucht werden. Dazu ist es sinnvoll, Zeugenaussagen zu notieren und ein Protokoll von der Situation zu schreiben. Damit können Mitarbeiter von Beratungsstellen die Situation nachvollziehen und Ratschläge geben. Unter der Hotline der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erhält man Tipps zur aktuellen Konfliktsituation und Empfehlungen für Experten in Wohnortnähe.
von Stephanie Hill
Stephanie Hill ist Texterin, Kommunikationsberaterin, seit 1999 Typ-1-Diabetikerin, Mitgründerin der Special Ones (www.special-ones.de) und Bloggerin bei der Blood Sugar Lounge (www.blood-sugar-lounge.de). Mehr Infos über Stephanie: www.finde-deinen-weg-mit-diabetes.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (3) Seite 26-29
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