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Das erste (positive) Gerichtsurteil zum FreeStyle Libre liegt nun vor: Oliver Ebert, Rechtsanwalt und Redakteur des Diabetes-Journals, konnte für einen Patienten die Kostenübernahme beim Sozialgericht durchsetzen!
Die beklagte Krankenkasse wurde vom Sozialgericht Konstanz (SG Konstanz, Anerkenntnisgerichtsbescheid vom 31.05.2016, S 8 KR 1870/15) verurteilt, dem Kläger die Kosten in Höhe von 553,10 EUR für selbst beschaffte Sensoren des FreeStyle Libre zu erstatten. Weiterhin muss sie die Anwaltskosten tragen.
Diese Entscheidung kann auch anderen Diabetikern helfen, die Kosten von der Krankenkasse erstattet zu erhalten.
Nach einem Urteil des Bundessozialgericht (Urteil vom 08.07.2015, B 3 KR 5/14 R) wurden viele Anträge von Patienten abgelehnt, die von ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme eines FreeStyle Libre-Systems wünschten. Das Bundessozialgericht hatte nämlich entschieden, daß eine „kontinuierliche interstitielle Glukosemessung auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden“ dürfe. Denn es handele sich dabei um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, deren Nutzen und Wirksamkeit erst einmal nachgewiesen werden müsse.
Die Urteilsbegründung legt allerdings nahe, daß das höchste Gericht bei seiner Entscheidung von vollkommen falschen Tatsachen ausging. So führt es beispielsweise an, dass „die Verwendung von CGM insbesondere dann Risiken birgt, wenn – wie im Fall der Klägerin – die Insulinpumpe automatisch über diese Geräte gesteuert wird”. Und weiter: „Schließlich sendet das von der Klägerin beschaffte Gerät die Glukosewerte per Funk an die Veo-Insulinpumpe, so dass die Ausschüttung von Insulin sogleich über dieses System gesteuert wird.“
Das Problem: ein solches „closed-loop“-System, was eine Insulinpumpe automatisch steuert, gibt es derzeit noch gar nicht. Daneben zeigt die Entscheidung zahlreiche weitere gravierende Fehler, die aber ebenfalls eher nicht dem Gericht anzulasten sind. Denn sehr wahrscheinlich hat die dortige Klägerin erheblich „geschlampt“ und den Sachverhalt wohl äußerst schlecht aufbereitet- und damit allen Patienten einen Bärendienst erwiesen. Nun wird erst die Entscheidung des dafür zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss („G-BA“, diese wird für den 16.06.2016 erwartet) zeigen, ob und für welche Patienten ein CGM in Frage kommen wird.
Das FreeStyle Libre ist mangels Funkverbindung und Alarmierung zwar kein System zum kontinuierlichen Glukosemonitoring, bietet also keine automatische „Überwachung“ bzw. Beobachtung. Aber selbstverständlich misst es – genauso wie die CGM-Systeme – kontinuierlich den Glukosegehalt im Interstitium (d.h. im Unterhautfettgewebe bzw. der Zwischenzellflüssigkeit).
Die Entscheidung des höchsten Gerichts, welche für Krankenkassen grundsätzlich bindend ist, verbietet daher auch eine Kostenübernahme des FreeStyle Libre, solange keine positiven Empfehlung des G-BA vorliegt.
In dem Verfahren vor dem Sozialgericht Konstanz habe ich nun sehr ausführlich argumentiert und aufgezeigt, welche Mängel die Entscheidung des Bundessozialgerichts aufweist bzw. welcher Unterscheid zum FreeStyle Libre besteht. Im mündlichen Erörterungstermin hat das Gericht daraufhin signalisiert, dass es meinen Ausführungen durchaus folge und einen Anspruch auf Versorgung mit dem FreeStyle Libre sehe. Die Krankenkasse hat in der Folge die komplette Erstattung der Kosten für das Sensoren anerkannt – und ging dabei offensichtlich davon aus, dass die Sache damit stillschweigend erledigt wäre.
Um daraus einen für alle Patienten möglichst großen Nutzen zu ziehen, habe ich jedoch eine im sozialgerichtlichen Verfahren äußerst seltene Prozesstaktik gewählt: ich habe das Verfahren nicht einfach für erledigt erklärt (und mir damit weitere Arbeit erspart) , sondern das Anerkenntnis nicht angenommen und auf einem Urteil bestanden.
Dieses wurde nun vom Sozialgericht Konstanz in Form eines sog. „Anerkenntnisgerichtsbescheids“ erlassen:
„Der mit der zulässigen Klage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe von 553,10 EUR wurde von der Beklagten durch wirksames Anerkenntnis in dem Schreiben vom 21.03.2016 in Verbindung mit dem Schreiben vum 10.05.2016 vollumfänglich anerkannt. Von der Möglichkeit, die Erledigung des Rechtsstreites durch Annahme dieses Anerkenntnisses nach § 101 Abs. 2 SGG herbeizuführen, hat die Klägerseite keinen Gebrauch gemacht. Daher ergeht aufgrund des Anerkenntnisses ein Anerkenntnisurteil (hier in Form eines Gerichtsbescheids), das nach § 202 SGG in Verbindung mit § 313 b Abs. l Satz 1 Zivilprozessordnung keiner weiteren Begründung bedarf.“ (SG Konstanz, Anerkenntnisgerichtsbescheid vom 31.05.2016, S 8 KR 1870/15)
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
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