Sich versichern – was man wissen sollte

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Sich versichern – was man wissen sollte

Welche Versicherungen sind notwendig, welche sind eher “Wohlfühlversicherungen”? Und wie findet man die richtigen Anbieter? Welche Fehler kann man beim Abschluss von Versicherungen machen? Sebastian Kraatz, unabhängiger Makler, gibt Antworten im Interview.

Oliver Ebert: Herr Kraatz, ganz herzlichen Dank, dass Sie uns als Experte zum Thema Versicherungen für ein Interview im Diabetes-Journal zur Verfügung stehen. Sie sind einerseits seit über 17 Jahren als unabhängiger Makler im Versicherungswesen tätig und seit mehr als 49 Jahren Typ-1-Diabetiker. Was denken Sie, welche Versicherungen Diabetiker unbedingt brauchen?

Sebastian Kraatz: Versicherungen sollen Menschen vor großen finanziellen Belastungen durch unvorhersehbare Ereignisse schützen, u. a. bei gesundheitlichen, die die Arbeitskraft einschränken. Das betrifft Menschen mit Diabetes wie alle anderen auch. Deshalb gibt es einige (gesetzlich vorgeschriebene) wie die Kfz-Haftpflichtversicherung, einige berufliche Haftpflichtversicherungen und auch die Pflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung. Für die Altersrente sind die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bzw. alternativ die Versorgungswerke Pflicht.
Daneben sollte man ausreichend vorgesorgt haben bei privaten Haftpflichtansprüchen, bei Schäden an Hausrat und Wohneigentum, für ergänzende Rentenvorsorge – am besten mit staatlicher Förderung, für einen finanziellen Ersatz bei Ausfall der eigenen Arbeitskraft, für den Todesfall, um Hinterbliebene und Bankschulden abzusichern. Es gilt aber immer: Wer ausreichend Vermögen und laufende Einnahmen neben der Arbeitskraft hat, kann sehr gut auf viele Versicherungen verzichten.

Ebert: Auf welche Schwierigkeiten stößt man gerade als Diabetiker, wenn man sich für den Abschluss einer solchen Versicherung entscheidet?

Kraatz: Gerade Versicherungen für die “biometrischen Risiken” wie Gesundheit, Todesfall, Berufsunfähigkeit (BU), Grundfähigkeiten, Pflegezusatz etc. sind für Menschen mit Diabetes meist nicht oder nur eingeschränkt zu bekommen. Aber hier helfen Sonderkonditionen:

  • Bei Immobilienfinanzierungen gibt es Todesfallschutz (Risikolebensversicherung, RiLV) ohne Gesundheitsprüfung oder man sucht nach einem speziellen Diabetiker-Tarif, der nach Qualität der Diabetes-Einstellung und -Therapie kalkuliert ist.
  • Beiträge zur privaten Rentenvorsorge kann man für den Fall der BU mit Beitragsbefreiung ohne Gesundheitsprüfung absichern.
  • In der Unfallversicherung (inklusive Unfallrente) werden Menschen mit Diabetes nicht pauschal ausgeschlossen und bestehende Vorschädigungen werden nicht mehr leistungsmindernd angerechnet.
  • Bei Ergänzungen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es die betriebliche Krankenversicherung über den Arbeitgeber – ohne Gesundheitsfragen; das ist für größere Belegschaften möglich.
  • Bei der BU prüfen nur wenige Anbieter die Anfragen von Menschen mit Diabetes, mit genauen Angaben zu Diabetestherapie und -verlauf. Alternativ gibt es ergänzend zur betrieblichen Altersvorsorge auch eine private BU mit gedeckelter Höhe ohne Gesundheitsfragen.
  • Für zusätzliche Pflegekostenabsicherung mit Wartezeiten gibt es den Pflege-Bahr, eine private staatlich unterstützte Pflegezusatzversicherung, oder die Pflegerente.

Ebert: Und auf welche Versicherungen kann man getrost verzichten?

Kraatz: Aus meiner Sicht sind “Wohlfühlpolicen” wie eine Reisegepäckversicherung, eine Brillen- oder Handyversicherung oder auch eine Kreditversicherung in den meisten Fällen verzichtbar und im Verhältnis von Prämie zum versicherten Risiko nicht angemessen. Hier hilft eine ordentliche Finanzplanung mit kontinuierlichem Aufbau von Finanzpolstern eher weiter. Dieses Geld ist nicht zweckgebunden und direkt verfügbar, am besten bis zu drei Monatsgehälter auf dem Tagesgeld.

Ebert: Was sind die häufigsten Fehler beim Abschluss einer Versicherung?

Kraatz: Die Suche nach günstigen Angeboten führt häufig zur “billigen” Lösung: Deckungssummen sind z. B. zu niedrig, Karenzzeiten zu lang oder wichtige Einschlüsse fehlen. Dazu kommt, dass Versicherer mit hoher Präsenz in den Medien ein großes PR-Budget brauchen, das dann beim Service eingespart werden muss. Spürbare Leistungskürzungen im Schadensfall können die Folge sein.

Ebert: Und was ist bei der Absicherung von Leib und Leben besonders zu beachten?

Kraatz: Eine biometrische Absicherung muss sich an veränderte Lebensumstände anpassen lassen. Ganz wichtig ist, dass die Gesundheitsfragen nicht zur Stolperfalle werden: Bekannte Vorerkrankungen führen zu Ausschlüssen oder Ablehnung, andererseits können bewusst falsche Angaben zur Vertragsaufhebung durch den Versicherer führen – eventuell auch nach Eintritt eines Leistungsfalls.Daneben liegt auch für Menschen mit Diabetes – wie für alle Menschen – das größte finanzielle Risiko in einer immer weiter steigenden Lebenserwartung: Durch bessere Versorgung und Therapie sind lange Jahre im Ruhestand Realität. Um für zusätzliche Rentenvorsorge langfristig anzusparen, sollte man schon in jungen Jahren mit kleinen Sparraten anfangen. Über Jahrzehnte nutzt man damit den Kapitalmarkt und man braucht sich in höherem Alter nicht mehr finanziell anzustrengen. Auch in Rentenversicherungen kann man Fonds einbinden, die sich mit Gesundheitsthemen, mit Versorgung von älteren Menschen, mit Pflege etc. befassen. Die großen Medizinhersteller für Diabetesversorgung sind da in den meisten Fällen vertreten.

Ebert: Welche Versicherungen kann man unbesorgt allein (online) abschließen? Beziehungsweise wann ist es sinnvoll, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen?

Kraatz: Beim Online-Abschluss kann dies direkt beim Anbieter geschehen, wie bei Kfz-Versicherung, privater Haftpflichtversicherung (PHV), Reiserücktritt-, Zahnzusatz-, Tier-OP-Versicherung, E-Bike-Kasko etc. Man sollte zuvor die Leistungen geprüft und verglichen haben. Die üblichen Vergleichsportale finanzieren sich über Vertragsabschlüsse von den angebotenen Versicherern und können so bei der Auswahl nicht immer objektiv sein. Es lohnt sich immer, einen unabhängigen Makler zu kontaktieren, hier mache ich gern Werbung: In erster Linie ermittelt man den realen Bedarf der Kundin oder des Kunden und entscheidet sich dann gemeinsam für Kapitalaufbau, Investition oder eben Versicherung. Welche Versicherung bei welchem Anbieter in Frage kommt, prüft der Makler. Bei allen komplexen Fragen wie der anonymen Risikovoranfrage ist der Makler der richtige Begleiter.

Ebert: Menschen mit Diabetes wird oft von einem Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) abgeraten. Wie sehen Sie das?

Kraatz: Es gibt Hürden, um überhaupt die Systeme wechseln zu können: Man muss “versicherungsfrei” sein, um zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung wählen zu können. Als Angestellter ist dies möglich bei Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAVG). Beamte, Selbstständige oder Freiberufler haben mit ihrem Statuswechsel die freie Wahl. Allerdings kann die PKV nach Prüfung der Vorerkrankungen den Versicherungsschutz ablehnen, dann verbleibt man freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung – so, wie ich es als Selbstständiger und Diabetiker ebenfalls bin. Die PKV ist für Menschen mit Diabetes meist verschlossen, allerdings gibt es für bestimmte Berufsgruppen wie Beamte den “Kontrahierungszwang”: Ab Eintritt des Beamtenstatus müssen die PKV-Anbieter ihre Beihilfetarife für Vorerkrankte öffnen und dürfen dafür einen Prämienzuschlag verlangen 1.

Ebert: Worin liegen denn die wichtigsten Unterschiede in den beiden Systemen?

Kraatz: Die Hauptunterschiede zwischen GKV und PKV liegen in der Art der Finanzierung, dem Leistungsumfang und der langfristigen Kalkulation: Die GKV erhält von allen Mitgliedern einen einkommensabhängigen Beitrag, der bis zur Höhe der jährlich festgelegten “Beitragsbemessungsgrenze” ermittelt wird. Beitragsfrei sind Kinder und Ehepartner und -partnerinnen ohne eigenes Einkommen in der Familienversicherung mitversichert. Die Beitragssummen werden direkt an die zu versorgenden Mitglieder ausgezahlt; Rücklagen können so nur vorübergehend für wenige Monate gebildet werden und es sind massive Steuersubventionen für den Bestand dieses Solidarsystems erforderlich. In der PKV zahlt jede und jeder Versicherte einen eigenen risikogerechten Beitrag, der hohe Rückstellungen zur Ausfinanzierung des teuren letzten Lebensdrittels bildet 2.
Beitragssteigerungen entstehen in beiden Systemen, da für immer längere Lebenszeiten mit immer aufwendigerer medizinischer Versorgung die Kosten gedeckt sein müssen. Ein Diabetes mit guten Glukosewerten und ohne Folgeerkrankungen gehört dabei noch zu den weniger kostenintensiven chronischen Erkrankungen.
Der Leistungskatalog der GKV ist zu über 95 Prozent in allen Krankenkassen gleich, da hier die Regelungen des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zugrunde liegen. Jede Reform der letzten Zeit zur Kostendämpfung hatte Kürzungen der Leistung zur Folge. Dagegen ist der Leistungskatalog der PKV in den Bedingungen vertraglich festgelegt. Hier muss über Prämienerhöhungen oder höhere Selbstbehalte das Gleichgewicht zwischen Prämien und Kosten hergestellt werden. Die Entscheidung für oder gegen eins der Systeme hängt von zu vielen Faktoren ab, dafür fehlt hier die Zeit.

Ebert: Immer mehr Krankenkassen bieten spezielle Zusatzversicherungen an – ist das sinnvoll bzw. was gibt es hier zu beachten?

Kraatz: Die meisten Krankenkassen kooperieren mit privaten Anbietern für Zusatztarife, also Krankentagegeld, Zahnzusatz, stationäre Versorgung usw. Problem bei Angeboten ohne Gesundheitsprüfung: Die versicherte Leistung kann immer nur Bruchstücke des vollständigen Versicherungsschutzes bieten. Es gilt wie bei allen Angeboten: vergleichen, vergleichen, vergleichen … oder von Fachmann oder -frau vergleichen lassen.

1 Laut Angaben von statista waren im Jahr 2020 ca. 73,36 Millionen Bundesbürgerinnen und -bürger in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert, von denen ca. 57,14 Millionen beitragszahlende Mitglieder und ca. 16,22 Millionen beitragsfreie Versicherte waren. Die privaten Krankenversicherungen (PKV) hatten ca. 8,73 Vollversicherte (ohne private Zusatztarife).

2 Die GKV erhält für erweiterte Leistungen einen Bundeszuschuss zwischen 10 und 15 Milliarden Euro im Jahr; im Jahr 2022 ist dieser auf 28,5 Milliarden Euro gestiegen (Quelle: de.statista.com/statistik/daten/studie/244326/umfrage/zuschuss-des-bundes-zum-gesundheitsfonds/).
Die PKV weist für ihre Versicherten im September 2022 einen Bestand an Rückstellungen in Höhe von über 310 Milliarden Euro aus (Quelle: www.zukunftsuhr.de).



Autor:
© privat
Dipl.-Ing. Sebastian Kraatz

MLP Finanzberatung SE
Mornewegstraße 32
64293 Darmstadt
Tel.: 0 61 51/1 30 16 15

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (11) Seite 28-30

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