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Um herauszufinden, wie viel Wissen über Diabetes an Schulen vorliegt und wie betroffene Kinder und Jugendliche in ihrem Schulalltag inkludiert sind und zurechtkommen, haben Schülerinnen und Schüler aus Eisenach dazu eine Umfrage durchgeführt.
In Deutschland leben etwa 9 Millionen Menschen mit Diabetes, von denen rund 2 Millionen Insulin spritzen müssen. Angesichts dieser großen Zahl ist es sehr wahrscheinlich, dass Menschen ohne Diabetes sowie ohne weiteren Bezug dazu im Alltag auf Personen treffen, die mit der Stoffwechsel-Erkrankung leben. Handelt es sich sogar um ein regelmäßiges direktes Umfeld wie Arbeitsplatz oder Schule kann es alles andere als unerheblich für Betroffene sein, ob ihre Mitmenschen Kenntnisse über Diabetes haben und sie über Besonderheiten, Risiken oder Notfälle in Zusammenhang mit der chronischen Erkrankung informiert sind.
Denn der Anfang des Jahres durchgeführte Strafprozess zum Tode einer Schülerin mit Typ-1-Diabetes auf einer Klassenfahrt hat verdeutlicht, dass mangelnde Kommunikation und fehlendes Wissen über Diabetes sogar äußerst tragische Folgen haben kann. Eine durch Insulinmangel ausgelöste massive Überzuckerung führte bei der Teenagerin zu einer diabetischen Ketoazidose und schließlich zu einem tödlichen Herzinfarkt. Der Urteilsspruch zeigte, dass die betreuenden Lehrerinnen über die chronische Erkrankung der damals 13-jährigen Emily nicht informiert waren und die ihnen geschilderten Zeichen des Notfalls zudem unterschätzt hatten, sodass es zu spät zur Behandlung kam.
Emilys tragischer Tod unterstreiche die Notwendigkeit für die gemeinsame Forderung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) nach Schulgesundheitsfachkräften an hiesigen Schulen. Laut DDG könnten diese im Schulalltag einen wichtigen Beitrag zur Inklusion von Kindern mit Behinderungen bzw. chronischen Erkrankungen leisten. Sie könnten im Zusammenhang mit Aktivitäten wie Ausflügen oder Schulfahrten aber auch als Bindeglied zwischen medizinischem Fachpersonal, Kindern, Eltern und Lehrkräften fungieren und dabei helfen, fatale Informationsdefizite wie im aktuellen Fall zu vermeiden.
Unsere Autorin Antje Thiel hat einen ausführlichen Beitrag über den gesamten Prozessverlauf und das Urteil verfasst.
Zum Wissen über Diabetes in der Allgemeinbevölkerung und an Schulen im Speziellen sind nur wenige Untersuchungen bekannt. Ebenso, wie betroffene Schülerinnen und Schüler mit ihrem Diabetes und seinem Management zurechtkommen. Umso interessanter ist, dass sich nun Personen außerhalb der Gesundheitsversorgung dieses Themas angenommen haben.
Denn Schülerinnen und Schüler des Martin-Luther-Gymnasiums Eisenach untersuchten dazu verschiedene Aspekte im Rahmen einer Facharbeit mit dem Titel „Diabetes bei Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren – Anforderungen an den Schulalltag und Risikofaktoren bei Schülern am Martin-Luther-Gymnasium Eisenach“ – u.a. extern betreut von der Diabetologin Dr. Karin Schlecht aus Eisenach.
Für die Arbeit entwickelten sie eine Reihe von Fragen, die auf einer Website zu beantworten waren und sich an drei Personengruppen richteten: Schülerinnen und Schüler mit Typ-1-Diabetes (13 Teilnehmende ab der 6. Klasse), Mitschülerinnen und -schüler am Gymnasium (129 Teilnehmende ab der 6. Klasse) sowie Lehrkräfte am Gymnasium (22 Teilnehmende). Die Befragung bestand aus Multiple-Choice-Fragen und Freitext-Antworten und lief knapp einen Monat.
Betroffene mit Typ-1-Diabetes wurden gefragt, wie sie mit ihrem Diabetes während ihrer Schulzeit zurechtkommen. 15,4 Prozent antworteten mit „Sehr gut“, 76,9 Prozent mit „Gut“ und 7,7 Prozent sagten, es „könnte besser sein“. Gab es jemals aufgrund der Krankheit Benachteiligungen? „Ja“ sagten 53,3 Prozent. Bisher keine Benachteilungen erlebt hatten 46,7 Prozent.
Probleme der Schülerinnen und Schüler mit Diabetes traten bei 40,0 Prozent beim Sportunterricht auf, 26,7 Prozent nannten Exkursionen und Klassenfahrten. Auch im Unterricht selbst hatten 13,3 Prozent bereits Probleme durch den Diabetes gehabt. In 20,0 Prozent der Antworten lagen die Probleme wegen des Diabetes in anderen Bereichen in der Schule.
Die Kinder und Jugendlichen mit Diabetes äußerten auch einige Wünsche an die Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitschülerinnen und -schüler. 53,6 Prozent wollten Hilfsangebote für die Nicht-Betroffenen, damit diese in einem Notfall richtig handeln. Mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit wünschten sich 26,6 Prozent, mehr Rücksicht auf sich und andere mit Diabetes 59,9 Prozent.
Ein Drittel (34,9 Prozent) der Schülerinnen und Schüler ohne Diabetes kannten in der Schule eine Person mit Typ-1-Diabetes. 52,4 Prozent sagten, dass sie diese behandelten wie jeden anderen. 12,4 Prozent konnten nicht mit dieser Situation umgehen, aber nur 1,9 Prozent hatten Angst, etwas falsch zu machen, und vermieden deshalb das Thema. Die Person zu unterstützen, wenn es nötig war, versuchten 33,3 Prozent.
Die Kenntnisse über Typ-1-Diabetes waren gering. 1,6 Prozent antworteten, dass sie sich sehr gut mit der Krankheit Typ-1-Diabetes auskennen. Die Mehrheit von 60,5 Prozent hatte schon einmal davon gehört, wusste aber wenig. 38,0 Prozent sagten klar, dass sie nichts darüber wissen.
Das zeigte sich auch bei der Frage nach Unter- oder Überzuckerung. 61,2 Prozent wussten nicht, wie sie sich äußern. Noch mehr, nämlich 74,4 Prozent, wussten nicht, wie sie im Notfall handeln müssten. Aber der Wunsch nach Aufklärung und Information war groß. 81,4 Prozent sagten, sie möchten mehr darüber wissen.
Die Frage „Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie erfahren würden, dass einer Ihrer Schüler einen Typ-1-Diabetes hat?“ beantworteten die Lehrkräfte zu 22,7 Prozent mit: „Ich fühle mich unsicher, wie ich damit umgehen soll.“ Die Mehrheit von 77,3 Prozent aber fühlte sich bereit, die Schülerin oder den Schüler bestmöglich zu unterstützen. Niemand fühlte sich unwohl bei der Vorstellung, jemanden mit Typ-1-Diabetes in der Klasse zu haben.
Bei einem Notfall hätten 95,5 Prozent sofort Erste Hilfe geleistet und den Rettungswagen alarmiert. Nur 4,5 Prozent hätten nicht gewusst, was sie tun müssten. Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern mit Diabetes war aus Sicht der Lehrkräfte kaum ein Thema. 95,5 Prozent hatten noch nie eine Diskrminierung aufgrund des Diabetes erlebt.
An Schülerinnen und Schüler mit Typ-1-Diabetes:
An Schülerinnen und Schüler ohne Diabetes
An die Lehrkräfte
Quelle: A. Schubert, J. Horsch, L. Sippel, L. Jäger. Seminarfacharbeit von Schülern am Martin-Luther-Gymnasium Eisenach: DIABETES BEI JUGENDLICHEN ZWISCHEN 10 UND 19 JAHREN. Anforderungen an den Schulalltag und Risikofaktoren bei Schülern am Martin-Luther-Gymnasium Eisenach vom 29.09.2023, unter externer Betreuung von Dr. med. Karin Schlecht.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die meisten Schülerinnen und Schüler mit Diabetes gut mit ihrer Erkrankung umgehen können. Probleme im Schulalltag wurden am ehesten im Sportunterricht und auf Exkursionen geschildert. Eine Diskriminierung aufgrund des Diabetes war aus Sicht der Lehrkräfte selten. Die Schülerinnen und Schüler mit Typ-1-Diabetes wünschten sich allerdings mehr Verständnis und Aufmerksamkeit von Lehrkräften und nicht-betroffenen Mitschülerinnen und -schüler gegenüber ihrer Erkrankung sowie Hilfsangebote im Notfall.
Diese Meinungen der Betroffenen basierten auf der Erkenntnis, dass die Aufklärung über die Krankheit Typ-1-Diabetes an dieser Schule unzureichend ist. Ein Großteil der befragten Schülerinnen und Schüler ohne Diabetes wusste wenig oder gar nichts darüber. Ähnlich verhielt es sich mit einem Teil der befragten Lehrerinen und Lehrer. Sie waren aber größtenteils bereit, die Betroffenen zu unterstützen und im Notfall Erste Hilfe zu leisten. Alle wünschten sich mehr Aufklärung und Schulungen über den Typ-1-Diabetes sowie die notwendigen Handlungen im Notfall.
von Dr. Andreas Thomas, Dr. Katrin Kraatz und Gregor Hess
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