Wie weit dürfen Diabetiker gehen?

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Wie weit dürfen Diabetiker gehen?

Wenn der Diabetes als Rechtfertigung für unangemessenes Verhalten herhalten muss: Jana Einser berichtet von einer kuriosen Begebenheit.

Neulich kam ich in der Stadt an einem Schild vorbei, das am Eingang eines Geschäfts hing. Darauf stand in leuchtend roten Buchstaben: “Hausverbot für die bekennende Diabetikerin, welche ihre Rechnung nicht bezahlt hat und ausfällig geworden ist. Die Geschäftsleitung”; das Wort Hausverbot war dick unterstrichen. Wahrscheinlich hing das Schild dort schon eine ganze Weile, entdeckt hatte ich es erst jetzt, weil ich über diesen Platz nicht so oft gehe.

Mein erster Gedanke war: Hat da vielleicht die Geschäftsleitung nicht erkannt, dass die Diabetikerin eine Unterzuckerung und sich deshalb nicht mehr im Griff hatte? Dem musste ich sofort nachgehen.

Als ich das Geschäft betrat, stand ich der Geschäftsführerin gegenüber und konnte sie direkt nach dem Vorgang, der dem Schild zugrunde lag, fragen. Was ich erfuhr, erschreckte mich: Es war sicher keine Unterzuckerung gewesen, die die Diabetikerin hatte ausfällig werden lassen – und es war nicht nur einmal passiert, dass sie nicht bezahlen wollte. Wie mir die Geschäftsführerin berichtete, kannte sie auch andere Geschäfte in der Stadt, in denen sich die Betreffende so verhalten hatte. Der Gipfel war, als die Diabetikerin sagte: “Sie haben wohl etwas gegen Diabetiker!” Bis dahin hatte die Geschäftsführerin gar nichts von dem Diabetes der Kundin gewusst.

Mein Entsetzen wegen des Verhaltens der Diabetikerin – zugegeben, ich kenne nur die Version der Geschäftsführerin, die Betroffene selbst kenne ich nicht, konnte sie also auch nicht fragen – können Sie sich vorstellen! Auf solch eine Idee wäre ich nie in meinen mehrere Jahrzehnte dauernden Diabetesjahren gekommen.

Die Frage, die sich mir daran anschloss, war: Wie weit dürfen Diabetiker gehen? Ich denke, die Antwort ist eindeutig: Aus dem Diabetes lassen sich keine besonderen Rechte im Alltag ableiten – denn Diabetiker sind in der Regel voll geschäftsfähig und benötigen keine Sonderbehandlung. Eine Ausnahme stellen tatsächlich plötzlich auftretende Unterzuckerungen dar, bei denen sich unter Umständen das Verhalten beim einen oder anderen ändert, manchmal auch zum Negativen.

Aber wenn der Blutzucker wieder gestiegen und wieder alles normal ist, sollte es kein Problem sein, das eigene eigentümliche Verhalten zu erklären und durchaus auch um Entschuldigung dafür zu bitten. Eine Rechtfertigung dafür, seine Rechnung in einem Geschäft nicht zu bezahlen oder ausfällig zu werden mit dem Vorwurf, etwas gegen Diabetiker zu haben, darf der Diabetes nicht sein.


von Jana Einser
Das Team für den guten Schluss: Dr. Hans Langer arbeitet als Arzt in einer Diabetesklinik, Jana Einser hat schon seit Kindertagen Typ-1-Diabetes und Alex Adabei hat viele Bekannte und Verwandte mit Typ-2-Diabetes. Sie schreiben abwechselnd für diese Kolumne.

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (4) Seite 82

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