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Zeitumstellung und Diabetes: Was bedeutet die Stunde vor oder zurück für die Therapie? Mit einfachen Anpassungen bleiben Glukosewerte stabil – ob zu Hause oder auf Fernreisen. Worauf zu achten ist, erklärt Diabetesberaterin Juliane Ehrmann.
Seit vielen Jahren steht die Sinnhaftigkeit des Brauchs der Zeitumstellung zur Debatte. Was diese eine Stunde hin oder her für Diskussionen mit sich bringt, ist immens. Laut einer Umfrage der Europäischen Union würden 80 Prozent der Befragten dieses Drehen an der Uhr gern abschaffen. Andere Länder haben sich mittlerweile bereits gegen die zweimal im Jahr erfolgende Umstellung entschieden.
Bezogen auf den Diabetes stellt sich die Frage: Hat diese eine Stunde Zeitverschiebung einen Einfluss auf die Diabetes-Einstellung? Wenn ja: Was sollte beachtet werden, wenn der Tag sich „offiziell“ um 60 Minuten verkürzt oder verlängert?
Ein Großteil der Menschheit verkraftet diese Zeitumstellung problemlos und das sogar, ohne eine Art „Jetleg“ zu bekommen. Andere haben einen gefühlten Mini-Jetleg. Ähnlich sind die Auswirkungen auf den Diabetes. Auch wenn es bezüglich der Zeitanpassung kein Patentrezept gibt, lassen sich Empfehlungen auf Grundlage von Erfahrungen aussprechen.
Bei einer Therapie mit Tabletten (oralen Antidiabetika, OAD), einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT), einer supplementären Insulintherapie (SIT) oder auch bei einer intensivierten Insulintherapie (ICT) wird empfohlen, die regulären Einnahme- oder Spritz-Zeitpunkte beizubehalten. Durch immer länger wirkende Basalinsuline, welche mit mehr Flexibilität im Alltag und flexibleren Spritz-Zeitpunkten einhergehen, wird dieses Thema immer weniger zum Problem werden und es muss nichts extra beachtet werden.
Bei einer Therapie mit einer Insulinpumpe wird die Uhrzeit der Pumpe einfach an die aktuelle Zeit angepasst, ganz gleich, ob mit oder ohne automatisierte Insulin-Dosierung (AID), auch bekannt als Hybrid-Closed-Loop.
Erfahrungsgemäß spielt die Zeitumstellung für Menschen mit Diabetes eine so untergeordnete Rolle, dass ein Anpassen der Zeit in den Insulinpumpen, Empfängergeräten von Glukose-Sensoren oder Blutzucker-Messgeräten häufig vergessen wird und dennoch keine Schwankungen der Glukosewerte zu sehen sind. Apps passen sich meist mit dem Smartphone von ganz allein an.
Gibt die Insulinpumpe konventionell eine Basalrate ab, passt sich diese an die umprogrammierte Zeit an. Dies kann zu geringfügigen Veränderungen im Glukoseverlauf führen. AID-Systeme kommen auch einwandfrei mit der Umstellung der Uhrzeit um eine Stunde zurecht.
Bei einer Zeitumstellung von mehr als drei bis vier Stunden, wie sie bei Fernreisen auftreten kann und oft mit einem Jetlag spürbar ist, sind Glukose-Schwankungen wahrscheinlicher. Da der Körper in der Regel zwei bis drei Tage benötigt, um sich mit seinem Biorhythmus an die neue Zeit zu gewöhnen, lohnen sich Anpassungen erst, wenn die Reise länger als drei Tage dauert. Ansonsten gilt: Alles bleibt beim Alten.
Bei längeren Zeitverschiebungen haben es Menschen, die eine Insulintherapie durchführen mit einem AID-System, am einfachsten. Hier gilt: Die Uhrzeit wird an die Ortszeit angepasst, alles andere schafft das AID-System ganz allein.
Kommt das Insulin für die basale Insulinversorgung über eine Insulinpumpe, wird empfohlen, die Uhrzeit der Insulinpumpe um zwei bis drei Stunden pro Tag in Richtung Ortszeit zu stellen. Dadurch gleicht sich der Biorhythmus Schritt für Schritt mit an.
Etwas komplexer sind Zeitumstellungen mit einer ICT, also der getrennten Injektion von lang wirksamem und kurz wirksamem Insulin. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Reise in den Westen oder in den Osten geht. In Richtung Westen verlängert sich der Tag, sodass eine Insulinlücke entsteht. Diese wird mit kurz wirksamem Insulin als Korrektur ausgeglichen. Die Injektion des lang wirksamen Insulins findet wie gewohnt zur Ortszeit statt.
Auf dem Rückflug oder bei Flügen in den Osten verkürzt sich der Tag. Wichtig ist, Überlappungen und so mögliche Unterzuckerungen zu vermeiden. Eine Möglichkeit ist es, eine Injektion des lang wirksamen Insulins auszulassen, sodass eine Insulinlücke entsteht, welche über Korrekturen ausgeglichen werden kann.
Eine Reise nach New York ist mit einer Zeitumstellung von 6 Stunden verbunden, sodass die Pumpenuhr an Tag 1 um 3 Stunden in Richtung Ortszeit angepasst wird, an Tag 2 um weitere 3 Stunden. Somit stimmen Pumpenzeit und Ortszeit ab Tag 2 überein.
So könnte es aussehen:
Frankfurt: 12.00 Uhr
New York: 6.00 Uhr
Tag 1 der Reise von 12 Uhr auf 9 Uhr
Tag 2 der Reise von 9 Uhr auf 6 Uhr
Dies ist nur ein Beispiel. Es ist nicht relevant, die Umstellung exakt zu dieser Uhrzeit durchzuführen.
Bei einer zweimal täglichen Gabe eines lang wirksamen Insulins ist das Auslassen einer Dosis eine Option. Bei einer einmaligen Gabe ist eine Möglichkeit, die Insulindosis prozentual um die Zeitverschiebung zu kürzen und mit Korrektur-Insulingaben die Glukosewerte auszugleichen. Bei Insulin degludec ist es möglich, auf Reisen einen individuellen Spritzzeitpunkt zu wählen. Es gilt jedoch, darauf zu achten, dass zwischen zwei Injektionen mindestens acht Stunden Abstand liegen müssen.
Bei den Injektionen des kurz wirksamen Insulins zu den Mahlzeiten sollte die ersten zwei bis drei Tage das Insulin vorsichtiger dosiert werden. Bei Bedarf kann man bei erhöhten Werten mit Insulin korrigieren.
von Juliane Ehrmann
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 72 (12) Seite 18-19
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