Diabetes Typ F: Unterstützung? Firlefanz? Oder eher ein großes Missverständnis?

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Diabetes Typ F: Unterstützung? Firlefanz? Oder eher ein großes Missverständnis?

Manuela hat es schon 2014 gemacht, Imke folgte ihr 2016, und in diesem Jahr unterzog sich Andy dem ultimativen Typ-F-Experiment. Alle drei haben selbst keinen Diabetes, leben aber trotzdem damit, weil ihr Partner bzw. ihre Partnerin sich mit Diabetes herumschlagen muss. Und um besser zu verstehen, wie es sich anfühlt, täglich Blutzucker zu messen, Kohlenhydrate zu berechnen, viel lästiges Zeugs mit sich herumzuschleppen und Fragen aus dem Umfeld zu Sensoren oder Geräten am Körper zu beantworten, haben sie eine Zeitlang Diabetes simuliert – und darüber gebloggt. Ich fand bislang sämtliche dieser Testläufe spannend, denn sie offenbarten mir noch einmal einen ganz anderen Blick auf den Diabetes. Ganz besonders spannend fand ich es zu sehen, wie der Glukoseverlauf eines Stoffwechselgesunden auf Kohlenhydrat-Orgien reagiert.

Typ F(irlefanz): Diabetes als Partnerprojekt?

Doch es gab in letzter Zeit auch ein paar kritische Stimmen. So schrieb sich Ramona in ihrem Beitrag „Diabetes Typ F(irlefanz)“ ihren Frust über den „Hype“ um das Thema Typ F von der Seele: „Ich erwarte nicht, dass mein Partner oder eine andere Person aus dem Freundes- oder Familienkreis meine Krankheit bis ins allerkleinste Detail versteht. Das funktioniert auch meiner Meinung nach gar nicht – denn sechs Jahre ‚Passivdiabetes’ sind eben etwas anderes, als sich seit fast 20 Jahren tagein, tagaus mit der eigenen Therapie und all ihren Auswirkungen auseinanderzusetzen.“ Eine ähnliche Diskussion fand auch auf Instagram statt. Tenor: Es ist übertrieben, ein Partnerprojekt aus dem Diabetes zu machen, wenn ihn de facto doch nur einer der beiden hat und in erster Linie selbst Verantwortung für seine Erkrankung übernehmen muss.

Quelle: Screenshot / Antje Thiel

Unterstützung und Verständnis vs. eigene Verantwortung

Ich kann beiden Positionen durchaus etwas abgewinnen. Es ist natürlich klasse und in vielen Situationen auch praktisch sehr hilfreich, wenn sich mein Mann für meinen Diabetes interessiert und mit den wichtigsten Handgriffen vertraut ist. Ebenso ist es schön, wenn er – zumindest halbwegs – nachempfinden kann, wie sich das Leben mit der Stoffwechselerkrankung und dem ganzen lästigen Drumherum anfühlt. Ob er mich dafür aufmerksam beobachtet und mit mir spricht oder es in einem Selbstexperiment ausprobiert, ist ja eigentlich egal. Doch ebenso bin auch ich der Auffassung, dass mein Diabetes in erster Linie meine Angelegenheit ist. Ich habe den Mist an der Backe, ich bin auch dafür verantwortlich. Ich kann nicht meinen Mann anraunzen, wenn ich es versäumt habe, Reserveinsulin einzupacken oder Traubenzucker einzustecken.

Es geht nicht immer nur um uns!

Und doch kreisen beide Sichtweisen ausschließlich um uns, die Diabetiker. Was brauchen wir? Werden wir verstanden? Bekommen wir Unterstützung? Dabei geht es beim Typ-F-Diabetes nach meinem Empfinden vor allem auch darum, wie es den Angehörigen und Freunden von Menschen mit Diabetes selbst geht. Wie fühlen sie sich, wenn sie in der Nacht von einem CGM-Alarm geweckt werden? Was macht es mit ihnen, wenn es gar kein CGM gibt, das Alarm schlagen könnte, und der Partner bzw. die Partnerin auf einmal krampfend neben ihnen liegt? Fühlen sie sich im Alltag eingeschränkt und unter Druck gesetzt, sich wegen eines erforderlichen Spritz-Ess-Abstands ebenfalls ein bisschen später an den Tisch zu setzen? Trauen sie sich aus Solidarität nicht mehr, eine Pizza zu bestellen, weil die bei ihrem Typ-Einser immer für Wertechaos sorgt? Haben sie sofort Angst, wenn ihr Typ-Einser mal nicht ans Telefon geht? Trauen sie ihm zu, den Diabetes ordentlich zu managen (und wenn nicht, wie leben sie mit diesem Misstrauen)? Juckt es sie in den Fingern, sich stärker einzumischen und reinzureden? Sind sie gekränkt, wenn gute Absichten ihrem Typ-Einser lästig sind? Gelingt es ihnen, Beleidigungen oder gemeine Attacken bei einer Hypoglykämie wirklich als „nicht gesagt“ einzusortieren? Sind sie enttäuscht, wenn ihr Typ-Einser ihre Sorgen nicht versteht?

Typ F: Diabetes-Stress, Depressionen und Ängste

Seit der DAWN2-Studie wissen wir, dass die Angehörigen von Menschen mit Diabetes nahezu ebenso stark unter Diabetes-Stress leiden wie Diabetiker selbst, auch das Risiko für Depressionen ist ähnlich hoch. Wenn es um Hypoglykämien geht, haben Angehörige sogar noch größere Angst vor Hypoglykämien, vor allem wenn sie in der Nacht auftreten. Die Erklärung für diesen Unterschied liegt auf der Hand: Eine schwere Hypoglykämie, bei der Fremdhilfe erforderlich ist oder möglicherweise sogar der Notarzt verständigt werden muss, ist besonders für Angehörige ein traumatisches Ereignis. Denn sie erleben den Notfall und ihre eigene Hilflosigkeit bei vollem Bewusstsein, während sich der Diabetiker möglicherweise hinterher gar nicht mehr an Einzelheiten erinnern kann.

Es geht also nicht nur um uns und unsere Bedürfnisse. Auch Typ-F-Diabetes zu haben, kann eine ziemlich ätzende Sache sein und ernstlich krank machen. Vielleicht sollten wir Typ-Einser auch einmal über einen umgekehrten Rollentausch nachdenken, damit wir die Perspektive unserer Liebsten besser verstehen?

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