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Durch die kontinuierliche Glukosemessung erhalten Sportler wesentlich mehr Informationen als bei der Blutzuckermessung. Ein Blick auf das Display genügt, und man erfährt neben dem aktuellen Glukosespiegel auch die weitere Verlaufstendenz. Die Autoren der Diabetes- und Sportfibel erklären, worauf bei der CGM-Nutzung beim Sport zu achten ist.
Die Geräte warnen den Nutzer auch durch einen akustischen oder einen Vibrationsalarm, wenn voreingestellte Grenzwerte erreicht sind oder wenn diese in absehbarer Zeit erreicht werden. Vor allem wenn der Sport am Nachmittag oder Abend stattfindet, ist die kontinuierliche Glukosemessung ein Sicherheitsnetz in der anschließenden Nacht, wenn der Muskelauffülleffekt die Hypoglykämiegefahr noch für Stunden erhöht.
Zahlreiche sportliche Aktivitäten erfordern ein hohes Maß an Flexibilität. Sind Intensität und/oder Dauer nicht vorhersehbar, kann die Anpassung der Diabetestherapie bei nur punktueller Blutzuckermessung zum Lotteriespiel werden. Bei vielen Sportarten wie z. B. beim Tennis ist unklar, wie lange die körperliche Aktivität dauern wird: drei oder fünf Sätze, eine oder vier Stunden? Unvorhersehbar sind oft auch die Spielstärke des Gegners sowie die Witterungsverhältnisse.
In diesen Situationen kommen die Vorzüge der kontinuierlichen Glukosemessung besonders zum Tragen, denn der CGM-Nutzer kann damit die Reaktion seines Stoffwechsels „in Echtzeit“ verfolgen.
Die Rennradfahrerin Monique Hanley, die 2007 mit dem Team Typ 1 das RAAM in der Profikategorie gewonnen hat, brachte es auf den Punkt: „Es ist für mich das unbeschreiblichste Wunder in meinem Leben als Sportlerin mit Diabetes, dass ich mich einfach wie alle anderen Raceacross-America-Fahrer ,nur‘ auf das Radfahren konzentrieren konnte. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich als Sportlerin an einem Wettkampf teilnahm, nicht als Diabetikerin.“
Leider ist das Trägerpflaster bei allen derzeit erhältlichen CGM-Systemen ein großer Schwachpunkt, denn es löst sich bei vielen Nutzern häufig deutlich vor Ende der zugelassenen Liegedauer – nicht nur bei einem sportlichen Lebensstil! Daher sollte der Sender unbedingt zusätzlich fixiert werden.
Extra fixieren: Das Trägerpflaster ist Schwachpunkt bei allen erhältlichen CGM-Systemen. Es löst sich bei vielen Nutzern oft deutlich vor Ende der zugelassenen Liegedauer, nicht nur bei Sport-Freaks.
Bewährt hat sich eine zusätzliche Sicherung mit dem hautfreundlichen Fixomull stretch (gut geeignet ist eine Breite von 5 cm) oder dem speziell für körperliche Aktivität konzipierten „Kinesio-Tape“ (unterschiedliche Hersteller, Klebeeigenschaften, Farben und Muster). So ist der Sender selbst bei heftigen Bewegungen und starker Schweißbildung sicher fixiert und übersteht auch intensive sportliche Belastungen wie einen Marathonlauf, ein Fußballspiel mit intensivem Körperkontakt, sogar Kampfsport oder ein Radrennen.
Die meisten CGM-Empfänger müssen beim Schwimmen, Surfen, Kajakfahren und anderen Wassersportarten auf dem Festland zurückbleiben, es sei denn, sie werden „hochseetauglich“ verpackt. Von Herstellerseite werden bisher noch keine wasserdichten Taschen für die Monitorgeräte angeboten (Ausnahme: Medtronic). Da sie jedoch ungefähr die Abmessungen eines Mobiltelefons haben, bietet sich die Zweckentfremdung wasserdichter Handy-Taschen an.
CGM: Hochseetaugliche Verpackungen für Wasserratten – und Taucher benötigen Speziallösungen wie das abgebildete selbstgebaute Tauchgehäuse, mit dem auch in großen Tauchtiefen noch CGM-Werte gescannt werden können.
Gute Erfahrungen machten Anwender zum Beispiel mit Produkten der Unternehmen Aquapac, Tribord oder Anfibio. Schwimmen und Schnorcheln sind mit diesen Plastikhüllen problemlos möglich, Taucher benötigen jedoch Speziallösungen wie das abgebildete selbstgebaute Tauchgehäuse, mit dem auch in großen Tauchtiefen noch CGM-Werte gescannt werden können (nicht vom Hersteller für diesen Zweck zugelassen, Anwendung auf eigenes Risiko. Weitere Informationen dazu: thurm@idaa.de
).
CGM-Anwender haben bei der Therapieanpassung an die körperliche Aktivität den unschätzbaren Vorteil, dass sie vor Beginn körperlicher Aktivität ohne Umstände den Glukoseverlauf der zurückliegenden Stunden und den aktuellen Glukosetrend ablesen können. Zu Beginn körperlicher Aktivität muss der Glukosetrend ansteigend sein. Der Trend ist wichtiger als die absolute Höhe des Wertes (s. folgende Abbildung).
Drei identische Glukosewerte, drei völlig unterschiedliche Stoffwechselsituationen. Entscheidend ist die Trendinformation, wenn z. B. ein Anwender mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause fahren und sicher ankommen möchte.
Das heißt z. B. für einen CGM-Träger vor dem Radfahren:
127 → | 1 – 2 BE trinken und losfahren |
127 ↓ | 3 – 4 BE trinken, warten, nicht losfahren. Erst wenn die Tendenz sich von fallend in steigend „gedreht“ hat, kann der CGM-Träger losradeln. |
127 ↑ | Und los! Der Heimweg kann auf dem Fahrrad ohne Verzögerung oder Zufuhr von Sport-BE angetreten werden. |
Auch während der körperlichen Aktivität bedeuten die Trendinformationen einen großen Vorteil, wie folgendes Beispiel zeigt: 20 Minuten vor Ende des Trainings misst der Sportler einen scheinbar perfekten Wert von 162 mg/dl (9,0 mmol/l). Dieser Wert scheint es zu erlauben, sich zum Abschluss noch einmal richtig zu verausgaben.
Doch erst der mittels CGM erhaltene Trendpfeil (↓) zeigt, wie gefährlich diese Deutung danebenliegt: Der Gewebezucker fällt zum Zeitpunkt der Messung stark ab, und ohne eine sofortige Zufuhr schnell wirkender Kohlenhydrate würde der Endspurt aufgrund einer Unterzuckerung seinem Namen mehr als gerecht, er wäre nämlich sehr schnell zu Ende. Signalisiert der Trendpfeil hingegen einen stabilen Verlauf (→) oder sogar eine leicht steigende Tendenz (↗), kann der Sportler ohne zusätzliche Nahrungsaufnahme noch einmal richtig „Gas geben“.
Der Glukoseverlauf beim Sport unterscheidet sich oft deutlich von dem Profil im Alltag. Bei körperlicher Aktivität kommt es häufig zu raschen Blutzuckeränderungen, die von den CGM-Systemen technisch bedingt nur verzögert detektiert werden können. In der Folge warnen die CGM-Systeme gerade bei körperlicher Aktivität manchmal später vor einer Unterzuckerung, als dies wünschenswert wäre. Daher ist es sinnvoll, die Alarmeinstellungen für den Sport zu ändern (s. folgenden Kasten).
Da der Blutzuckerabfall beim Sport oft sehr schnell erfolgt und umgekehrt die Verdauung deutlich verlangsamt ist, muss die Warnung vor Hypoglykämien sehr früh erfolgen. Mit einem Wert von 120 mg/dl (6,7 mmol/l) für den Alarm „Niedriger Blutzucker“ bleibt selbst mit Erreichen des Grenzwerts noch genügend Zeit, mit schnell wirkenden Kohlenhydraten gegenzusteuern.
Umgekehrt lassen sich hohe Werte je nach körperlicher Betätigung kaum vermeiden und sind in gewissen Grenzen als „Sicherheitsabstand“ zum Schutz vor Unterzuckerungen sogar erwünscht. Jeder Mensch mit Diabetes sollte vor körperlicher Aktivität einen Ausgangsblutzucker von 150 bis 200 mg/dl (8,3 bis 11,1 mmol/l) anstreben, also sind 220 bis 250 mg/dl (12,2 bis 13,9 mmol/l) in den meisten Fällen ein vernünftiger Kompromiss für die obere Alarmschwelle in Zusammenhang mit Bewegung und Sport.
Die International Diabetic Athletes Association (Internationale Vereinigung diabetischer Sportler) – kurz IDAA – ist eine weltweite Vereinigung von Sportlern mit Diabetes. Auf der deutschen IDAA-Website gibt’s viele praktische Tipps sowie Erfahrungsaustausch mit anderen Sportlern mit Diabetes, gemeinsame Veranstaltungen etc.
Noch ein Tipp aus der Praxis: Wenn der Sportler z. B. den Alarm für eine Hypoglykämie auf Ton stellt und den Alarm für eine Hyperglykämie auf Vibration, kann er beim Sport die Art des Stoffwechselproblems erkennen, ohne auf das Display zu sehen.
Auch nach dem Sport sorgt die kontinuierliche Glukosemessung für Sicherheit: Denn der Muskelauffülleffekt wird sicher überwacht, der bei unzureichender Therapieanpassung vor allem nachts immer wieder für gefährliche Unterzuckerungen sorgt.
Vor dem Einschlafen zeigen Glukosewert und Trendpfeil an, ob eine weitere Absenkung der Basalrate oder des Verzögerungsinsulins und/oder eine zusätzliche Zufuhr von Kohlenhydraten notwendig sind, um einen niedrigen Wert oder eine fallende Tendenz zu drehen. Während der Nacht überwacht das CGM-System, dass der Glukosespiegel nicht zu tief sinkt, und weckt den Sportler rechtzeitig auf, bevor eine Unterzuckerung die Regeneration stören kann.
Ein letzter, nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Abbildung der kontinuierlichen Glukose-Information in einem Kurvendiagramm, das auf dem Display des Empfängers angesehen und am PC ausgewertet und archiviert werden kann. Dies macht es sehr leicht, die erfolgte Therapieanpassung zu überprüfen, und hilft dabei, diese von Training zu Training weiter zu verbessern.
Hier ein Beispiel des Ironman-Triathleten Andreas May: Er hat für seine Garmin-Sportuhr eine spezielle App programmiert, die es ihm ermöglicht, alle CGM- und Sportdaten auf einen Blick im Uhrendisplay auch während des Schwimm-, Rad- oder Marathonwettkampfs problemlos abzulesen (selbstverständlich ist das kein zugelassenes Medizinprodukt, die Anwendung erfolgt auf eigene Gefahr).
Die Garmin von Triathlet Andreas May mit speziell entwickelter App: CGM- und Sportdaten auf einen Blick im Uhrendisplay auch während des Wettkampfs. |
Und auch nach dem Sport helfen die aufgezeichneten Daten auf der Garmin-Connect-Website beim Auswerten der jeweiligen Sportanpassung: Gerade die Kombination von Aktivitäts- und Diabetes-Daten zeigt, was funktioniert hat, was verbessert werden kann.
(Dieser Text besteht zum größten Teil aus Informationen aus der „Diabetes- und Sportfibel“ und der „CGM- und Insulinpumpenfibel“ der beiden Diabetes-Journal-Autoren)
Autoren: Ulrike Thurm
Erste Vorsitzende der IDAA Sektion Deutschland e. V.,
Sportlehrerin, Diabetesberaterin
E-Mail: thurm@idaa.de
und Dr. med. Bernhard Gehr
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie,
m&i-Fachklinik Bad Heilbrunn
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (12) Seite 22-26
5 Minuten
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