- Technik
„Die Pumpe ist ein Riesenvorteil“
4 Minuten
Olympiasieger Matthias Steiner hat seit der Diabetesdiagnose mit 18 Jahren eine Therapie mit Insulinpens durchgeführt. Nachdem er 2013 seine Karriere als Gewichtheber beendet hatte, stand seine Entscheidung schnell fest: Er wollte auf Insulinpumpentherapie umsteigen.
Im Frühjahr war es nun so weit – von den ersten Eindrücken und Erfahrungen berichten Matthias und Inge Steiner im Interview mit dem Diabetes-Journal.
Diabetes-Journal (DJ): Herr Steiner, bei Ihnen sind in den letzten Monaten zwei entscheidende Dinge passiert: die Neueinstellung auf die Insulinpumpe Accu-Chek Combo und Sie haben stark an Gewicht verloren. Was war denn für Sie das Schwierigere?
Matthias Steiner: Das erste Gewicht war leicht zu verlieren. Wenn man weniger trainiert, geht relativ leicht erst einmal viel Muskelmasse weg. 20 Kilo waren so schon relativ einfach; das war gut ohne Pumpe zu machen. Es würde auch ohne Pumpe weitergehen, aber sicher deutlich schwieriger. Mit der Insulinpumpe ist der Vorteil, dass ich Zwischenmahlzeiten und die Kohlenhydrate beim Sport weglassen kann. Diese Zwischenmahlzeiten haben mich wirklich gestört, aber es war schwierig mit dem Basalinsulin.
Jetzt kann ich hergehen und die Basalrate der Pumpe vorher reduzieren, wenn ich zum Beispiel hier in Heidelberg zum Königstuhl hochgehen möchte. Ich brauche dann nichts oder nur wenig zusätzlich zu essen. Das macht in der Summe etwas aus. Da ist die Pumpe ein Riesenvorteil.
DJ: Wie war das denn mit der Umstellung auf die Insulinpumpe?
Matthias Steiner: Eigentlich wollte ich die Pumpe schon ein bisschen früher tragen, aber das ging nicht so einfach. Die ganzen Rahmenbedingungen müssen stimmen – und man hat innerlich immer noch so eine kleine Hemmschwelle, weil es ein Gerät ist, das an einem hängt. Ich bin zwar kein ängstlicher Typ, aber mit dem Pen habe ich mich frei gefühlt. Aber aus jetziger Sicht kann ich sagen: Der Mehrwert, den man mit diesen Pumpen hat – flexibler beim Sport, flexibler beim Essen –, der ist so groß, dass das Gerät nicht stört. Das ist einfach eine Qualitätssteigerung.
DJ: Wie lief denn die Neueinstellung ab?
Matthias Steiner: Ich war in der Klinik bei Dr. Frank in Neunkirchen für vier Tage. Eigentlich wollte er mich eine ganze Woche dort haben – aber er hat gesagt, dass es kürzer geht, wenn alles passt. Und es hat dann auch gepasst. Ich habe geschaut, dass ich gleich auch den Alltag simuliere, habe mich auf den Hometrainer gesetzt, auch mal ordentliche Wanderungen gemacht, bin viel rumgelaufen. Und so konnte ich gleich sehen: Sport? Okay, Zucker fällt. Wie stellt man die Pumpe dafür ein?
Dr. Frank kennt mich sehr gut und hat wirklich ein gutes Gefühl gehabt, gerade für die Nacht: Ich gehe mit einem Topwert ins Bett, und mit einem Topwert stehe ich auf – es ist gigantisch! Nur tagsüber musste ich zwei der Faktoren minimal verändern.
Für Sport schalte ich die Basalrate bisher für wenige Stunden um ein paar Prozentpunkte runter – je nachdem, was ich mache; ein eigenes Basalratenprofil für Sporttage benutze ich bisher nicht, weil ich zu unregelmäßig Sport treibe. Wenn ich die Himmelsleiter in Heidelberg hochgehe – vom Schloss bis zum Berg, 1 200 Stufen –, muss ich die Basalrate für die halbe Stunde, die ich brauche, auf 10 Prozent schalten. Fahre ich mit dem Fahrrad rüber zum Olympia-Stützpunkt und mache Krafttraining, reduziere ich um 30 bis 40 Prozent.
Bei manchen Übungen nehme ich die Pumpe ab, für 20 Minuten oder eine halbe Stunde, weil sie mich behindern würde, dann mache ich sie wieder dran. Das funktioniert ganz gut.
DJ: Wie viele Kilometer sind das bis zum Stützpunkt?
Matthias Steiner: Das sind 6 Kilometer und zurück auch noch 6, insgesamt also 12 – das ist eher zum Warmfahren, aber ich nutze das Fahrrad generell sehr viel.
DJ: Haben sich Ihre Insulinmengen im Vergleich zur Pentherapie geändert?
Matthias Steiner: Die Basalrate ist jetzt deutlich geringer, aber auch, weil ich ja noch abnehme.
DJ: Was war für Sie auf Anhieb positiv mit der Insulinpumpe?
Matthias Steiner: Das erste Positive war der erste Nachtzucker: zu Abend gegessen, vor den Fernseher gelegt und abends einen Wert von 95 mg/dl (5,3 mmol/l) – ich bin morgens aufgestanden und der Wert war 105 mg/dl (5,8 mmol/l). Ich war total baff!
Inge Steiner: Was seinen Schlaf betrifft: Der ist viel, viel ruhiger geworden durch die Pumpe.
Nächste Seite: die ganze Familie wird in die Pumpentherapie von Papa Matthias eingebunden +++ normaler Kassenpatient – keine Privilegien bei der Verordnung +++ Video: Mattias Steiner über seine Pumpentherapie
DJ: Sie beide haben dadurch Sicherheit gewonnen?
Inge Steiner: Ja, ich kann jetzt auch viel ruhiger schlafen. Vorher habe ich mich immer seinen “Warnhund” genannt, weil ich jede Nacht mehrfach wach war. Wenn ich weiß, dass bei ihm alles in Ordnung ist, kann auch ich gut schlafen. Es ist wirklich ein Gewinn – Lebensqualität für die ganze Familie.
Matthias Steiner: Auch bei einem späten Bankett ist es einfacher: Bei der Vorspeise gebe ich einen Bolus für das, was auf dem Teller ist. Eine Stunde später bei der Hauptspeise drückt man wieder nach, ganz unauffällig per Fernbedienung – das ist herrlich.
DJ: Welche Kanülen benutzen Sie?
Matthias Steiner: Ich hatte die Wahl, aber ich habe Stahl gar nicht probiert. Ich nehme Teflonkanülen, Accu-Chek FlexLink, mit 6 Millimeter Länge. Mit 8 Millimetern bin ich ziemlich schnell im Muskelgewebe, die zwei Millimeter spielen da schon eine Rolle.
DJ: Gibt es Dinge, die Sie jetzt wieder tun, die Sie sich vorher nicht mehr getraut haben zu tun?
Matthias Steiner: Ich habe mir auch vorher nichts nehmen lassen. Es waren halt früher manche Dinge komplizierter.
DJ: Wie gehen Ihre Söhne mit der Pumpentherapie bei Ihnen um?
Matthias Steiner: Dem Großen haben wir angekündigt, dass eine Pumpe kommt, und haben sie ihm erklärt, so dass man in einer wilden Spielsituation auch einmal sagen kann: “Vorsicht, die Pumpe!” In dem Moment hört er dann auch kurz auf.
Inge Steiner: Das versteht selbst der Einjährige.
Matthias Steiner: Ja, das gehört einfach zum Papa dazu. Und wenn Felix, der Vierjährige, will, darf er die Kanüle einschießen.
DJ: Es gibt Diabetiker, die sagen: Die Pumpentherapie ist eine Therapie für Privilegierte …
Matthias Steiner: Ich bin auch Kassenpatient, weil ich als Diabetiker keine Privatversicherung bekomme. Ich bin den ganz normalen Weg gegangen mit drei Monate Tagebuch führen nur für die Pumpe und allem anderen.
DJ: Was ist Ihnen noch wichtig in Bezug auf die Insulinpumpentherapie?
Matthias Steiner: Ich lege Wert darauf, dass man es wirklich selbst wollen muss.
DJ: Herzlichen Dank für diese Informationen und den Einblick in Ihr Leben mit Pumpe.
Video: Steiner über seine Insulinpumpentherapie.
das Interview führten Dr. Katrin Kraatz und Günter Nuber
Redakteurin bzw. Chefredakteur des Diabetes-Journals
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (7) Seite 50-52
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Woche, 2 Tagen
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Woche, 3 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen, 4 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike