Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA): Apps auf Rezept

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Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA): Apps auf Rezept

Gesundheits-Apps liegen voll im Trend. Über 250 Millionen Einträge liefert Google bei der Suche nach dem Begriff „Gesundheits-Apps“. In einer Gemengelage von Medizin, Wellness, Technik und Kommerz können sich vielfach weder Laien noch Gesundheits-Experten orien­tieren. Abhilfe können digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) schaffen, die seit Oktober 2020 neben Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln auf Rezept verordnet werden können.

Förderung des Selbstmanagements steht im Vordergrund

Digitale Gesundheitsanwendungen (­DiGA) sind in erster Linie Apps oder Web-basierte Anwendungen, die Patienten im Selbst-Management ihrer jeweiligen Erkrankung unterstützen sollen. Das Spektrum digitaler Therapie-Möglichkeiten ist breit. Angeboten werden unter anderem DiGA für Patienten mit Migräne, Depression, Angst-Erkrankungen, Rücken-, Hüft- und Knieschmerzen, Krebs-Erkrankungen und Übergewicht sowie seit dem 4. Juli 2021 mit der App ESYSTA erstmalig auch für Menschen mit Diabetes. Ein vollständiges DiGA-Verzeichnis findet sich auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Hohe Hürden sichern die Qualität

Voraussetzung für die Aufnahme einer DiGA in das DiGA-Verzeichnis sind eine Zertifizierung als Medizinprodukt und zusätzlich eine Prüfung durch das BfArM. Dabei müssen unter anderem Sicherheit, Funktions-Tauglichkeit, Datenschutz und -sicherheit, Qualität sowie positive Versorgungs-Effekte anhand wissenschaftlicher Studien nachgewiesen werden.

Unterschiede Gesundheits-Apps und digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)

Gesundheits-Apps digitale Gesundheitsanwendungen
Ziel: Verbessern von Gesundheit und Wohlbefinden
kein klinischer Nutzen-Nachweis Nutzen-Nachweis durch klinische Studie
in der Regel Selbstzahler erstattet durch GKV und PKV
Datensicherheit nicht reguliert gesetzliche Vorschriften für Daten-Sicherheit
Datenschutz durch DSGVO zusätzliche Datenschutz-Regularien
kein Medizinprodukt CE-gekennzeichnetes Medizinprodukt
(modifiziert nach Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, www.digitalversorgt.de)

Falls für eine DiGA noch keine ausreichenden Nachweise für positive Versorgungs-Effekte vorliegen, erfolgt die Aufnahme in der Regel zunächst nur für 12 Monate. Innerhalb dieser 12 Monate müssen für eine dauerhafte Zulassung als DiGA positive Versorgungs-Effekte nachgewiesen werden.

Man kann sich leicht vorstellen, dass trotz aller Bemühungen auf eine zügige Zulassung einer DiGA die hohen Anforderungen und behördlichen Vorgaben die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis erheblich verzögern. Der Sprung von einer Gesundheits-App zur DiGA ist schwer. Von den bisher eingereichten Anträgen sind mehr als die Hälfte zwischenzeitlich zurückgezogen oder abgelehnt worden. Die für Entwickler extremen Anforderungen sichern allerdings Nutzern letztlich die gewünschte und erforderliche Qualität.

DiGA in der Diabetologie

Aktuell gibt es mit ESYSTA und Hello­Better Diabetes und Depression nur zwei „richtige“ Diabetes-DiGA. In Kürze werden aber sicher noch einige folgen. ­ESYSTA ist eine DiGA für Insulin-behandelte Menschen mit Diabetes. Sie ermöglicht den automatischen Daten-Import aus verschiedenen Blutzucker-Messgeräten und auch aus Smart-Insulinpens in ein digitales Tagebuch. In Anwendungsbeobachtungen konnte eine Verbesserung des HbA1c-Werts um durchschnittlich 0,9 % gezeigt werden. Die HelloBetter-DiGA bietet Hilfe bei gleichzeitigem Vorliegen von Diabetes und Depressionen.

Beim Blick über den diabetologischen Tellerrand findet man im DiGA-Verzeichnis viele spannende DiGA, die sicher auch für Menschen mit Diabetes interessant sein können. So richtet sich beispielsweise die App Zanadio an Menschen mit starkem Übergewicht (Body-­Mass-Index 30 – 40 kg/m2).

„Endlich wieder Kapitän auf meinem eigenen Schiff sein“, beschreibt der Schauspieler und Komiker Tetje Mierendorf, bekannt aus der „Schillerstraße“ oder der Soap „Mein großer, dicker, peinlicher Verlobter“, treffend die Zeit, in der es ihm gelungen ist, sein Körpergewicht von 180 kg auf 110 kg zu reduzieren. Auch Zanadio möchte über ein multimodales Behandlungskonzept, bestehend aus Ernährung, Bewegung und Verhalten und insbesondere Interaktivität die Selbst-Management-Kompetenz der Nutzer stärken.

(modifiziert nach Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, www.digitalversorgt.de)

Mit Oviva Direkt steht eine weitere digitale Anwendung zur Behandlung von starkem Übergewicht zur Verfügung. Mit ganz unterschiedlichen Werkzeugen wie Ernährungs-Protokollen mithilfe von Mahlzeiten-Fotos, Aktivitäts-Protokollen, persönlichem Coaching und Fortschritt-Verfolgung werden Patientinnen und Patienten auf verhaltenstherapeutischer Basis unterstützt, ihr Gewicht mit einem hohen Maß an Eigenbeteiligung und Eigenverantwortlichkeit zu optimieren.

Bemerkenswert viele DiGA finden sich im Bereich psychischer Krankheits-Bilder. Dabei sind Apps für unterschiedliche Angst- und Panik-Störungen, Depression sowie psychische Verhaltens-Störungen durch Alkohol. Wer versuchen möchte, das Rauchen einzustellen, kann es mit dem digitalen Nichtraucher-Coach NichtraucherHelden versuchen. Laut BfArM dient die App der Behandlung und Linderung einer dia­gnostizierten Tabak-Abhängigkeit. Durch ein verhaltenstherapeutisches Nichtraucher-Coaching wird Patientinnen und Patienten geholfen, ihre Tabak-Abhängigkeit zu überwinden.

Es bleibt spannend, die weitere Entwicklung der DiGA zu verfolgen. In den nächsten Monaten werden gerade im Dia­betes-Sektor noch neue DiGA eine Zulassung erhalten. Beispielsweise findet sich mit der App myDose Coach aktuell eine ­DiGA in der Bewertungsphase, die Patienten bei der Anpassung der Dosis ihres langwirksamen Insulins im digitalen Austausch mit ihrem Diabetes-Team unterstützt. Ein regelmäßiger Blick ins ­DiGA-Verzeichnis lohnt sich sicher.

Ganz einfach verordnen lassen

Das Beste vorweg: DiGA werden von allen gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Es gilt das Sachleistungs-Prinzip, d. h. Versicherte müssen weder in Vorleistung treten noch eine Zuzahlung leisten. Die Verordnung kann durch Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten erfolgen. Eine Erstattung durch private Krankenkassen ist allerdings nicht gesichert. Hier empfiehlt sich eine Klärung der Kostenübernahme vor dem Einlösen.

Voraussetzung für die Verordnung einer ­DiGA ist das Vorliegen einer entsprechenden Dia­gnose, die im DiGA-Verzeichnis für die jeweilige App hinterlegt ist. Verordner können die App direkt aus ihrer Praxissoftware – wie ein Medikament – verordnen. Auf dem Rezept müssen neben dem Namen der Anwendung lediglich die Verordnungs-Dauer und die Pharma-Zentral-Nummer (PZN) stehen. Das Rezept wird anschließend bei der Krankenkasse eingereicht. Dort erhält die Nutzerin oder der Nutzer einen entsprechenden Rezept-Code, der für das Freischalten nur noch in die App eingetragen werden muss.

DiGA-Verzeichnis

Welche DiGA zugelassen sind, publiziert das BfArM jeweils aktuell auf seiner Internet-Seite diga.bfarm.de/de/verzeichnis.

Auch ohne Rezept geht es prinzipiell. Allein mit der ärztlich bestätigten Diagnose kann die Nutzung der App direkt bei der Krankenkasse beantragt werden. Dafür reicht es beispielsweise aus, einen Arztbrief mit der entsprechenden Dia­gnose bei der Krankenkasse einzureichen.

Wichtiger Tipp

Patienten, die sich für eine DiGA interessieren, sollten sich unbedingt im Vorfeld des Arzt-Besuchs die unterschiedlichen DiGA zu der jeweiligen Indikation im DiGA-Verzeichnis genauer anschauen. Dort findet man alle relevanten Informationen transparent und übersichtlich aufgelistet. Zudem gibt es einen Link zur jeweiligen Hersteller-Seite mit einer anschaulichen Präsentation der DiGA. Auch wenn die Zahl der zugelassenen DiGA noch überschaubar ist, fällt es Ärztinnen und Ärzten schon jetzt nicht immer leicht, alle DiGA zu überblicken. Gut vorbereitet zum Arzt-Gespräch zu gehen, erleichtert das Verordnen sicher.

Fazit

Digitale Gesundheitsanwendungen haben das Potenzial, Selbst-Management-Prozesse unterschiedlicher Erkrankungen zu verbessern und damit – wie unser ehemaliger Gesundheitsminister Jens Spahn zitiert wird – „die Versorgung digitaler – und besser zu machen“.

Schwerpunkt: „Diabetes digital“


von Dr. med. Meinolf Behrens

Avatar von meinolf-behrens

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (3) Seite 20-22

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  • gingergirl postete ein Update vor 15 Minuten

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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  • hexle postete ein Update vor 1 Tag, 4 Stunden

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

  • tako111 postete ein Update vor 4 Tagen, 13 Stunden

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

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