Mensch oder Banane? Egal! Warnung vor Smartwatch mit angeblicher Glukosemessung

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Mensch oder Banane? Egal! Warnung vor Smartwatches mit angeblicher Glukosemessung
© IfDT Ulm
Mensch oder Banane? Egal! Warnung vor Smartwatch mit angeblicher Glukosemessung

Eine schicke Smartwatch für weniger als 50 Euro, die neben Schrittzahl und Herzfrequenz auch Blutzuckerwerte misst – online findet man etliche Produkte, die damit werben. Doch in einem Pilot­versuch am Institut für Diabetes-Technologie, bei der auch eine Banane zum Einsatz kam, sind zumindest zwei Modelle bezüglich der Glukosemessung krachend gescheitert.

Sportuhren, die mit einem nicht-invasiven (also ohne Einstich durch die Haut) optischen Verfahren den Blutzucker messen können, sind bei Herstellern wie Apple oder Samsung seit etlichen Jahren in Arbeit. Über vage Ankündigungen ist die Entwicklung allerdings bislang nicht hinausgekommen. Denn angesichts des komplexen Aufbaus des Hautgewebes und der Vielfalt an Substanzen mit ähnlichen optischen Eigenschaften wie Glukose sind die technischen Herausforderungen immens. Bis heute kann deshalb keine auf dem Markt erhältliche Marken-Smartwatch den Blutzucker messen.

Smartwatch für die Glukosemessung als Alternative zum CGM-System?

Ungeachtet dessen findet man auf Online-Portalen wie Amazon immer wieder preisgünstige Uhren, die mit der Funktion „Blutzuckermessung“ bzw. „Glukosemessung“ werben. Im Kleingedruckten wird zwar darauf hingewiesen, dass die Messergebnisse lediglich als Referenz dienen können und „keine vollständige medizinische Funktion“ haben. Doch diese Einschränkung hält unter Umständen nicht alle potenziellen Interessierten davon ab, sich eine solche Smartwatch – etwa als kostengünstige und einfache Alternative zu einem CGM-System – anzuschaffen.

Insbesondere, wenn man die Werte für Therapie-Entscheidungen nutzen möchte, könnte dies aber riskant sein. Darauf weisen Fallberichte und Anfragen aus der ärztlichen Community hin, die bei der AG Diabetes & Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und beim Institut für Diabetes-Technologie (IDT) der Universität Ulm eingingen. IDT-Forscher Dr. Manuel Eichenlaub berichtet: „Wir haben uns deshalb entschieden, ein paar dieser Uhren einzukaufen und sie zu testen.“ Im Juni 2023 erwarb das IDT online zwei der fragwürdigen Smartwatches für einen Pilotversuch an einer Person mit Typ-1-Diabetes. Beide Geräte – mittlerweile nicht mehr bei Amazon verfügbar – besaßen einen optischen Sensor, der beim Tragen Kontakt zur Hautoberfläche hatte.

Zu den behaupteten Funktionen zählten neben der Glukosemessung u. a. auch die Möglichkeit, Herzfrequenz, EKG, Sauerstoffsättigung, Aktivität, Körpertemperatur und Blutdruck zu bestimmen. Die Ergebnisse konnten direkt auf den Geräten angezeigt werden, zudem gab es für beide Geräte Smartphone-Apps zur Anzeige der Messergebnisse. Wie auch bei anderen Smartwatches dieser Art wiesen die Hersteller immerhin darauf hin, dass es sich nicht um Medizinprodukte handele und dass man die Messergebnisse nicht für medizinische Zwecke verwenden solle.

Identische Werte an verschiedenen Tagen und keine Übereinstimmung mit CGM-Messergebnissen

Doch ob es sich bei den angezeigten Glukosekurven überhaupt um individuelle Messwerte handelt, darf stark bezweifelt werden. Denn die von beiden Smartwaches erfassten vermeintlichen Glukoseverläufe wichen nicht nur deutlich von den parallel durchgeführten Messungen mit einem konventionellen CGM-System ab, sondern waren sogar an allen drei Tagen jeweils identisch. Sie verzeichneten Tag für Tag dieselben Anstiege der Glukosewerte gegen 9.00 Uhr, 13.00 Uhr und 19.00 Uhr, also zu für die Hauptmahlzeiten üblichen Uhrzeiten. „Damit war klar, dass die Uhren keinen Blutzucker messen können und keinen klinischen Nutzen für die Diabetestherapie haben“, erklärt Dr. Eichenlaub.

„Uns kam dann der Gedanke zu testen, ob die Uhren überhaupt erfassen können, dass sie an einem Menschen befestigt sind“, erzählt er weiter. Die Wahl des unbelebten Testobjekts fiel auf eine Banane – zum einen aus praktischen Erwägungen, weil man an ihr problemlos eine Uhr befestigen kann, zum anderen, um dem Pilotversuch trotz des ernsten Hintergrunds noch eine augenzwinkernde Note zu geben.

Praxis-Versuch für Glukosemessung per Smartwatch zeigt: Alles Banane!

Tatsächlich kann man sich beim Blick auf die Ergebnisse des zweiten Versuchsteils ein Schmunzeln wohl kaum verkneifen: Auch die Banane wies dieselben, nahezu identischen Glukoseverläufe auf wie an den Tagen zuvor der menschliche Proband. Im IDT vermutet man daher, dass die Hersteller einfach ein typisches CGM-Tagesprofil hinterlegt haben, das somit den Anschein eines echten Glukoseprofils erweckt.

Testergebnisse von Smartphones für die Glukosemessung, zusammengefasst auf einen Blick:
Sowohl bei der Messung an der Banane als auch am Handgelenk wurden mit den getesteten Smartphones, die sich angeblich auch für die Glukosemessung eignen, jeweils nahezu identische Gukose-Verläufe angezeigt – ohne dass sich eine relevante Ähnlichkeit zu den CGM-Daten für den entsprechenden Zeitraum zeigte. Vermutlich wurde ein typisches CGM-Tagesprofil in den Smartwatches hinterlegt. Also: Alles Banane, Finger weg!

Die Chancen, etwas gegen betrügerische Angebote dieser Art unternehmen zu können, schätzt Dr. Eichenlaub allerdings als gering ein. Zwar habe die amerikanische Zulassungsbehörde FDA eine offizielle Warnung vor Smartwatches dieser Art ausgesprochen, die fälschlicherweise mit einer Blutzuckermessfunktion werben. „Aber im europäischen Raum gibt es keine Institution, die eine ähnliche Funktion wie die FDA erfüllt“, meint der Wissenschaftler. Das hiesige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sei nur für Produkte zuständig, die ein echtes CE-Kennzeichen tragen. Die getesteten Uhren waren zwar mit den Buchstaben „CE“ bedruckt, doch diese stehen bei fragwürdigen Produkten in der Regel für ‚Chinese Export‘ und nicht für „Conformité Européenne“, also Konformität mit den geltenden EU-Richtlinien und -Normen. Es scheint also schwer, von behördlicher Seite etwas zu unternehmen, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.

Technische Hürden für optische Blutzuckermessung sind schwer zu überwinden

Dr. Eichenlaub und sein Team wollen daher lieber direkt an die potenziellen Anwender solcher Smartwatches herantreten: „Man kann nur immer wieder bekräftigen, dass bis dato keine Smartwatch auf dem Markt ist, die nicht-invasiv den Blutzucker messen kann.“ Die technischen Hürden für eine optische Blutzuckermessung seien hoch: „Es ist schwer, über das Handgelenk mit einer optischen Methode ein zuverlässiges Signal zu generieren. Es wird unserer Einschätzung nach noch Jahre dauern, bis so etwas auf den Markt kommt – und ob es jemals in einem Gerät verbaut wird, das man locker am Handgelenk tragen kann, wage ich zu bezweifeln.“

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➤ Große Fortschritte bei der Glukosemessung – aber auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes?

Nicht-invasive Blutzuckermesssysteme müssten sich außerdem in Sachen Genauigkeit mit den verfügbaren Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung messen. „Der Vorsprung, den die aktuellen minimal-invasiven CGM-Systeme inzwischen erzielt haben, ist aber so leicht nicht aufzuholen“, meint Dr. Eichenlaub. Beim IDT plane man, gelegentlich Smartwatches mit „Blutzuckermessfunktion“ zu kaufen und auszuprobieren. „Wir erwarten aber nicht, dass sich an den Ergebnissen groß etwas verbessern wird.“

Umso wichtiger ist es den Forschenden daher, Menschen mit Diabetes und Diabetes-Teams vor der Nutzung von Smartwatches zu warnen, die nicht als Medizinprodukte zugelassen sind und auf ähnliche Weise vermarktet werden wie die getesteten Modelle. Die Ergebnisse ihres Pilotversuchs haben Dr. Eichenlaub sowie seine Kolleginnen und Kollegen mittlerweile veröffentlicht und beim diesjährigen Diabetes Kongress auf einem Poster vorgestellt.



von Antje Thiel

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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