- Soziales und Recht
Hilfsmittel-Verordnungen: Nicht alles geht
4 Minuten

Kann immer alles verordnet werden, was sich die Menschen mit Diabetes und deren Behandelnde wünschen? Vieles geht, manchmal sind spezielle Begründungen nötig. Aber es gibt auch Grenzen bei den Verordnungen von Hilfsmitteln.
Eigentlich gibt es doch keine Verordnungs-Einschränkungen, oder? Natürlich gibt es auch Einschränkungen bei der Verordnung von Hilfsmitteln. Wie im vorangehenden Artikel erwähnt, muss die Indikation, also die Notwendigkeit für diese Verordnung bestehen. Dies wird auch von den Krankenkassen geprüft, sofern die Begründung nicht bereits offensichtlich ist.
Auch die Häufigkeit und die Menge der Verordnungen müssen passen und können von den Krankenkassen kontrolliert werden. Führt jemand zum Beispiel eine intensivierte Insulintherapie (ICT) mit etwa vier Insulininjektionen pro Tag durch, ist für die circa 92 Tage des Quartals eine Verordnung von 400 Injektionskanülen unproblematisch und begründbar. Besteht eine basal unterstützte orale Therapie (BOT), d. h. es wird einmal am Tag ein langwirksames Insulin injiziert, so wären 400 Kanülen im Quartal nicht begründbar. Hier könnten 100 Kanülen im Quartal verordnet werden.
Die Verordnung von Verbrauchsmaterialien bezieht sich dabei immer auf den Verbrauch des Hilfsmittels für ein Quartal. Deshalb wird regelmäßig von den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen darauf hingewiesen, dass die Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln für längere Aufenthalte im Ausland gesondert mit der Krankenkasse abgestimmt werden muss, um sie sicherzustellen. Eine Verordnung für mehrere Quartale ist nicht zulässig.
Verordnung muss zur Therapie passen
Auch bei Blutzucker-Teststreifen, die kein Hilfsmittel sind, verhält es sich ähnlich. Hier muss die Verordnungsmenge passend zur Therapie und zur Messhäufigkeit gewählt werden. Hierfür gibt es Empfehlungen von der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und von den Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese Empfehlungen richten sich nach der Therapie.
Ein Mensch mit einer intensivierten Insulintherapie (ICT) oder einer Insulinpumpen-Therapie (CSII) kann im Normalfall bis zu 600 Teststreifen im Quartal erhalten, was etwas mehr als sechs Messungen am Tag entspricht. Größere Mengen an Teststreifen müssten unter Umständen individuell begründet werden. Bei einer konventionellen Insulintherapie mit Mischinsulin (CT) oder einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT) können 100 bis 200 Teststreifen rezeptiert werden.
Menschen ohne eine Insulintherapie können nur in besonderen Situationen eine kleine Menge an Blutzucker-Teststreifen verordnet bekommen: im Rahmen des Neuauftretens des Diabetes, einer akuten Entgleisung zur Neueinstellung der Therapie oder bei einer Therapie mit Kortison. Dies ist auch nicht mehrfach hintereinander möglich, d. h. bei einer akut unbefriedigenden Stoffwechsel-Situation in einem Quartal können Teststreifen rezeptiert werden. Besteht das Problem weiterhin, muss die Therapie verändert werden, zum Beispiel durch Beginn einer Insulintherapie, oder es muss auf weitere Messungen verzichtet werden. Natürlich gilt auch hier: Sonderregelungen sind gut zu begründen und mit der Krankenkasse abzustimmen. Ähnlich verhält es sich mit den Lanzetten zum Blutgewinnen, die auch nur bei einer Insulintherapie sowie in den oben genannten Sondersituationen verordnet werden dürfen.
Verträge ermöglichen seltenere Verordnung
Es gibt zunehmend einzelne Verträge mit den Krankenkassen und “Versorgern”. Dabei wird eine Verordnung für das Verbrauchsmaterial z. B. für ein Jahr ausgestellt. Im Rahmen einer Mischkalkulation wurde ein Preis anhand der zu erwartenden Versorgungsmenge vereinbart. Dann müssen für den Zeitraum der Gültigkeit dieser Verordnung keine Rezepte mehr ausgestellt werden und die Verbrauchsmaterialien werden direkt beim Versorger bezogen. Dies ist zum Beispiel bei Zubehör für Insulinpumpen, Injektionskanülen, Blutzucker-Teststreifen, aber auch Materialien bei Inkontinenz der Fall.
Oft gilt Zeitraum für Verordnung
Bei den zu nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln gibt es nicht nur eine Mengenbegrenzung, sondern oftmals einen Zeitraum der Verordnung. Insulinpumpen werden mit einer Garantiezeit von vier Jahren verordnet. Innerhalb dieser Zeit obliegt es den Herstellern, bei einer defekten Insulinpumpe für einen Austausch bzw. eine Reparatur zu sorgen. Eine neue Verordnung einer Insulinpumpe kann also frühestens nach vier Jahren erfolgen, aber auch dann muss ein Defekt an der Insulinpumpe vorliegen, bei dem eine Reparatur unwirtschaftlich wäre.Ein vorzeitiger Wechsel von einer Insulinpumpe auf ein neues oder anderes System bedarf einer individuellen Begründung, die die medizinische Notwendigkeit des vorzeitigen Wechsels darlegt.
Besondere Begründung bei vorzeitigem Wechsel
Ebenso ist es bei Systemen zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM-Systemen). Die Sensoren gelten als Verbrauchsprodukt und werden meist für einen Zeitraum von einem Jahr verordnet und bewilligt. Bei privatversicherten Menschen sind die Versorgungszeiträume häufig kürzer.
Besteht zum Beispiel die Notwendigkeit, mit einem System zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID-System) zu beginnen, das bisher genutzte CGM-System aber nicht mit der Insulinpumpe verbunden werden kann, ist ein vorzeitiger Wechsel des CGM-Systems erforderlich. Dies sollte möglichst bereits bei der Verordnung als Begründung angegeben werden. So ersparen sich Behandler, Krankenkassen und Patienten unter Umständen Stress und Arbeit. Dennauch hier muss die medizinische Notwendigkeit gezeigt werden, warum die bisherige Versorgung mit einer Insulinpumpe und dem bisherigen CGM-System nicht mehr ausreicht.
Aktuell ist es etwas schwierig für alle Beteiligten, da Insulinpumpen und CGM-Systeme getrennt voneinander bewertet und verordnet werden sollen. Die aktuellen Bestimmungen spiegeln nicht die Möglichkeit der Kommunikation von Insulinpumpen und CGM-Systemen als eine Einheit wider. Ebenso bestehen bei der Verordnung eines AID-Systems unklare Regelungen – eindeutige Regelungen und Strukturen müssen auch hier erst geschaffen werden. So bedarf es derzeit häufig der individuellen Begründung und Aufklärung über diese Systeme, um eine Genehmigung für diese Hilfsmittel zu erhalten.
Auch Hilfsmittel nicht zum Verbrauch sind manchmal zu ersetzen
Es gibt Hilfsmittel, die nicht zum Verbrauch bestimmt sind, jedoch auch keine unbegrenzte Lebensdauer haben. Hier kommt es bei der neuen Verordnung auf die entsprechende Begründung an. Darunter fallen zum Beispiel Insulinpens oder Blutzucker-Messgeräte. Aufgrund der mechanischen Belastung ist eine unendliche Lebensdauer nicht zu erwarten, jedoch im Normalfall auch keine neue Verordnung in jedem Quartal. Die Verordnung dieser Hilfsmittel stellt in der Regel keine Probleme dar.
Schuhe für kranke Füße
Schuhe beim Diabetischen Fußsyndrom können ebenfalls als Hilfsmittel verordnet werden. Hier muss medizinisch begründet werden, welche Art der Schuhversorgung benötigt wird: orthopädische Maßschuhe oder vorkonfektionierte Schuhe. Insbesondere Verformungen (Deformitäten) der Füße stellen eine Indikation für Maßschuhe dar. Diese Verordnungen werden in der Regel (bei Erstverordnung) durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) geprüft. Ist die Indikation gegeben, können die Betroffenen als Erstausstattung zwei Paar Straßenschuhe, deren Lebensdauer mindestens zwei Jahre betragen soll, und ein Paar Hausschuhe, deren Lebensdauer mindestens vier Jahre betragen soll, bekommen.
Verordnung unterliegt der Wirtschaftlichkeit
Insgesamt unterliegt die Verordnung von Hilfsmitteln ebenso wie die Verordnung von Medikamenten der Wirtschaftlichkeit. Es kann alles verordnet werden, was begründbar und notwendig ist. Sollte es eine günstigere Alternative zu diesem Hilfsmittel geben, muss der Verordnende entweder die günstigere Variante wählen oder begründen können, warum die günstigere Variante in diesem Fall nicht geeignet ist.
Im Zweifel sollte man mit den Ansprechpartnerinnen und -partnern bei der Krankenkasse reden. Diese müssen sich zwar auch an die Bestimmungen und Regeln halten, können aber im Einzelfall beraten, unter welchen Umständen welche Verordnung akzeptiert werden könnte.
Schwerpunkt: „Hilfsmittel – was, wann, warum“
- Hilfsmittel unterstützen bei der Diabetestherapie
- Hilfsmittel verordnen: So funktioniert es
- Hilfsmittel-Verordnungen: Nicht alles geht
von Dr. Oliver Schubert-Olesen
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2023; 72 (7) Seite 27-29
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tako111 postete ein Update vor 17 Stunden, 39 Minuten
Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!
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nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 20 Stunden, 24 Minuten
Hallo guten Abend ☺️
Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.
Liebe Grüße, schönen Abend
Nina 🙂-
wolfgang65 antwortete vor 5 Stunden, 46 Minuten
Willkommen Nina, …
da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.
LG
Wolfgang
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swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 2 Tagen, 1 Stunde
Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.-
lena-schmidt antwortete vor 1 Tag, 4 Stunden
Hallo Dia-Newbie 🙂 Schön, dass du den Weg zum Diabetes Anker gefunden hast. Ich bin Lena, die Community-Managerin hier und bis sich ein paar Community-Mitglieder bei dir melden, kannst du die Zeit vielleicht mit diesem Artikel überbrücken (https://diabetes-anker.de/behandlung/behandlung-des-diabetes-diese-buecher-und-materialien-helfen-weiter/). Vielleicht findest du noch wichtige Infos für dich, um deinen Alltag zu vereinfachen. 🙂 Ansonsten findest du beim Diabetes-Anker auch fundiertes Wissen zum Thema ICT von Expert:innen aber auch von Menschen mit Diabetes…Viele Grüße Lena
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