Sensordaten richtig interpretieren: der Gruppenleiter

4 Minuten

© Steve Debenport - iStockphoto
Sensordaten richtig interpretieren: der Gruppenleiter

Im 3. Teil der Serie „Flash-Quiz“ stellen wir Ihnen den interessanten und nicht seltenen Glukoseverlauf eines Mannes mit Typ-1-Diabetes vor, bei dem sehr eindrücklich die Auswirkung einer Begleiterkrankung auf den Glukoseverlauf zu sehen ist.

Das Flash-Quiz – so funktioniert’s

Heute nutzen viele Menschen, die eine intensivierte Insulintherapie (ICT) oder eine Insulin­pumpentherapie durchführen, Sensoren zur Therapieüberwachung. Damit erhalten sie statt 4 bis 10 einzelnen Blutzuckerwerten beliebig viele Einzelmessungen der Glukose, einen kontinuierlichen Verlauf über 24 Stunden und Trendmeldungen, ob der Zucker steigt, fällt oder gleich bleibt. Die Tagesdaten lassen sich grafisch übereinanderlegen, so dass man die Werte von 7, 14, 30 oder 90 Tagen im Überblick erhält.

Umgang mit den Programmen erlernen
Diese Daten und grafischen Darstellungen werden von verschiedenen Auswerteprogrammen erzeugt. Den Umgang mit den Programmen muss man erlernen, damit man aus den Darstellungen die richtigen Schlüsse ziehen kann. Dabei sollte man sich nicht nur auf die Interpretation der Daten gemeinsam mit dem Diabetesteam verlassen: Jeder Patient sollte selbst erlernen, seine eigenen Daten anzuschauen, auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

AGP: ambulantes Glukoseprofil
Durch Sensoren erhalten Menschen mit Diabetes beliebig viele Glukosewerte. Ein Auswerteprogramm ist das ambulante Glukoseprofil (AGP). Im AGP sehen Sie die Mittellinie („Median“) mit den Glukosewerten, die in der Mitte liegen, in den blauen Feldern die Abweichungen. Im dunkel­blauen Bereich liegen 50 Prozent aller gemessenen Glukosewerte, im dunkel- und hellblauen Bereich 80 Prozent. Sind diese Bereiche sehr breit, deutet dies auf ein Einstellungsproblem hin. Ein sehr breiter hellblauer Bereich ist ein Hinweis für tägliche Schwankungen.
Achtung: Erst ab 80 Prozent erfasster Sensordaten kann eine therapierelevante Aussage getroffen werden.

Selbst die richtigen Schlüsse ziehen
In drei Teilen der Flash-Serie stellen wir Ihnen die Geschichte eines Patienten vor. Danach sehen Sie die Sensordaten, und wir beschreiben, was man anhand dieser Daten typischerweise erkennen kann. Ihre Aufgabe ist es dann, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ziel ist es, die Therapie durch die richtige Interpretation der Sensordaten für den Patienten zu optimieren.

Am Ende dieser Seite finden Sie die Lösung.

Wir hoffen, dass Ihnen das Flash-Quiz Freude macht und Ihren Blick für die Sensordaten schärft!

Das Flash-Quiz: der Gruppenleiter

Helmut Werner ist 62 Jahre alt und hat seit 38 Jahren Typ-1-Diabetes. Er lebt in einer festen Partnerschaft und arbeitet als Gruppenleiter in einer Behinderteneinrichtung, kein Schichtdienst. Seit fünf Jahren trägt er eine mylife-­Omnipod-Insulinpumpe. Grund für die Umstellung auf Pumpentherapie waren sehr schwankende Blutzuckerverläufe und ein ausgeprägtes Dawn-Phänomen (erhöhte Blutzuckerwerte am Morgen). Sein letzter HbA1c-Wert lag bei 9,2 Prozent.

Herr Werner hatte in letzter Zeit starke Beschwerden in der Schulter und war deshalb beim Orthopäden. Die Dia­gnose: Schultergelenksarthrose. Seitdem ist der Zucker entgleist und lässt sich nur schwer unter 400 bis 550 mg/dl (22,2 bis 30,6 mmol/l) korrigieren. Immer wieder treten aber auch Unterzuckerungen auf.

Seine Pumpe ist mit dem Insulin NovoRapid gefüllt. Seine Basalrate beträgt 19,5 Einheiten/24 Stunden. Er rechnet durchgehend mit KE-Faktoren von 1,1 E/KE, und seine Korrekturregeln lauten 30 - 50 - 40 - 60 mg/dl (1,7 - 2,8 - 2,2 - 3,3 mmol/l) mit dem Ziel 100 mg/dl (5,6 mmol/l) tagsüber und 120 mg/dl (6,7 mmol/l) nachts. Er scannt etwa 10- bis 15-mal am Tag (­FreeStyle ­Libre, FGM) und isst ca. 12 KE am Tag.

Was verraten die Sensordaten?

Auf der 1. Abbildung sehen Sie die Momentaufnahme der letzten 15 Tage direkt nach dem Orthopädenbesuch. Der Glukosedurchschnitt liegt bei 230 mg/dl (12,8 mmol/l). Nur 23 Prozent der Werte liegen im Zielbereich zwischen 70 und 180 mg/dl (3,9 und 10,0 mmol/l). 77 Prozent der Werte liegen über dem Zielbereich. Werte unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l) gab es nicht.

Auf der 2. Abbildung sieht man den Medianwert. Er liegt bei Helmut Werner im Mittel zwischen 200 und 250 mg/dl (11,1 und 13,9 mmol/l). Nach dem Frühstück sieht man einen stärkeren Anstieg. Mittags fällt dieser eher flach aus, abends fehlt der Anstieg nach dem Abendessen. Im dunkelblauen Streifen sieht man keine sehr große Abweichung (Varianz) in der Nacht. Am späten Vormittag und vor allem am späten Nachmittag wird die Varianz größer. Der hellblaue Bereich streut vor allem am Vormittag nach unten und am späten Nachmittag nach oben.

Auf der 3. Abbildung sehen Sie die Werte etwa zwei Wochen später. Der Glukosedurchschnitt liegt bei 115 mg/dl (6,4 mmol/l). 88 Prozent der Werte liegen im Zielbereich, 6 Prozent darüber und 6 Prozent darunter. Es gibt etwa 10 Werte unter 70 mg/dl (3,9 mmol/l), vier davon unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l), keiner unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l). Die erfassten Daten liegen mit 94 Prozent im guten Bereich.

Auf der 4. Abbildung sehen Sie, dass die Nacht mit einer sehr schmalen Varianz um die 100 mg/dl (5,6 mmol/l) verläuft. Der Anstieg nach dem Frühstück ist geringer, der nach dem Mittagessen verstärkt und abends wieder fehlend. Auffallend ist die starke Varianz nach dem Frühstück nach oben sowohl im dunkelblauen als auch im hellblauen Bereich.
Überlegen Sie: Was ist passiert? Was hätte Helmut Werner besser machen können?


So, nun die spannende Frage: Wie können Sie Helmut Werner helfen? Die Lösung finden Sie im folgenden Kasten:


Auflösung ausklappen


Sie werden es sicherlich vermutet haben – der Orthopäde hat Herrn Werner ein kortisonhaltiges Medikament gespritzt. Herr Werner hatte versäumt, die temporäre Basalrate anzupassen. Das Insulin hatte zwei Wochen nach Kortisongabe keine ausreichende Wirkung.

Wichtig bei Kortisongabe: die temporäre Basalrate anheben
Herr Werner hätte gleich nach der Kortisongabe die temporäre Basalrate seiner Insulinpumpe um mindestens 30 Prozent erhöhen müssen. Wenn dies nicht gereicht hätte, hätte er die temporäre Basalrate schrittweise um je 10 Prozent anheben müssen. Man kann die Erhöhung abschätzen, indem man die Insulinmenge der Korrekturen an einem Tag addiert und davon etwa die Hälfte der Basalrate hinzufügt.

Ohne Pumpe: Korrekturen alle zwei Stunden nötig
Ohne Pumpentherapie wären Korrekturen alle zwei Stunden bis zur Glukosenormalisierung notwendig gewesen. Danach wäre für die folgenden Tage ebenfalls das Basalinsulin anzuheben gewesen.

Herr Werner hatte jedoch seine Basalrate beibehalten, aber die KE-Faktoren leicht verändert. Er hatte sich morgens auf einen KE-Faktor von 1,5 eingestellt, mittags auf einen Faktor von 0,8 und abends auf 1,1. Das erklärt die anderen und nicht so günstigen Verläufe.

Na, sind Sie auf die Lösung dieses Problems gekommen? Dann Gratulation!

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