Endlich Klarheit: Ein Urteil des Sozialgerichts Darmstadt stärkt Familien mit Diabetes-Kindern. Schulbegleitung bleibt Teil der häuslichen Krankenpflege – und ist keine Aufgabe der Intensivpflege. Ein Signal gegen bürokratische Hürden.
Kinder mit Diabetes benötigen im Kindergarten und in der Grundschule in vielfältiger Art Unterstützung von Erwachsenen beim Durchführen ihrer Behandlung. Wenn Erziehungs- oder Lehrkräfte nicht freiwillig zu dieser Tätigkeit bereit sind, werden Begleitpersonen benötigt. Nach einer am 1. November 2023 in Kraft gesetzten Gesetzesänderung herrschte Chaos, da ab diesem Zeitpunkt extrem verschärfte Anforderungen gestellt wurden, die kaum zu erfüllen waren. Nun hat das Sozialgericht Darmstadt ein interessantes Urteil gefällt.
Durch Gesetzesänderung wurde Krankenbeobachtung in Bereich der außerklinischen Intensivpflege verschoben
Mit zunehmendem Alter des Kindes benötigt dieses immer weniger Unterstützung von Erwachsenen bei der Behandlung. Häufig ist das Personal in Kindertagesstätten und Schulen zur Mithilfe bereit, zumal mit fortschreitender Technik meist keine Blutentnahme zum Messen des Blutzuckers und auch kein Umgang mit Spritzen oder Pens mehr erforderlich ist. Sollten sich trotzdem Erziehungs- oder Lehrkräfte weigern, die Verantwortung zu übernehmen, dann ist abhängig von der Entwicklung des Kindes eine Begleitperson erforderlich.
Ihre Aufgabe ist neben den rein medizinischen Maßnahmen (Blutzucker messen und Insulin dosieren und verabreichen) auch das Beobachten des Kindes, um Stoffwechsel-Entgleisungen rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Im Zuge der Gesetzesänderung war dann im Herbst 2023 die „spezielle Krankenbeobachtung“ von der häuslichen Krankenpflege weg in den Bereich der außerklinischen Intensivpflege (AKI) verschoben worden, die, wie der Name sagt, nur für Schwerstkranke gedacht ist und von Intensivpflegekräften durchgeführt werden muss. Anträge auf Begleitung wurden seitdem von den Krankenkassen häufig mit Hinweis auf die neue Rechtslage abgelehnt.
Neues Urteil sieht Schulbegleitung als häusliche Krankenpflege an
Betroffene Eltern schalteten Sozialgerichte ein. Diese erließen im Eilverfahren einstweilige Anordnungen, die die Krankenkassen verpflichteten, außerklinische Intensivpflege zu genehmigen. Unklar blieb jedoch, wie die Gerichte endgültig entscheiden würden. Am Sozialgericht Darmstadt wurde jetzt ein Fall in der ersten Instanz entschieden (Az. S 13 KR 262/23, 07.02.2025).
Das Gericht geht davon aus, dass Schulbegleitung keine Aufgabe der außerklinischen Intensivpflege sei, da sie auch von angelernten Erwachsenen durchgeführt werden könne. Somit gehöre die Ausübung der Schulbegleitung in den Bereich der „häuslichen Krankenpflege“ – wie schon vor der Gesetzesänderung. Nun bleibt abzuwarten, ob die verklagte Krankenkasse gegen dieses Urteil Berufung einlegen wird, ob andere Gerichte bei anhängigen Verfahren ähnlich entscheiden werden und wie höhere Instanzen die Rechtslage sehen.
von Reiner Hub, DBW-Sozialreferent
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (6) Seite 64-65