Patientenvertretung und das „Gesundes-Herz- Gesetz“

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Patientenvertretung und das „Gesundes-Herz-Gesetz“ | Foto: MQ-Illustrations – stock.adobe.com
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Patientenvertretung und das „Gesundes-Herz- Gesetz“

Wie der Gesundheitsminister mit einem kleinen Hebel einen großen Brocken bewegen will und was dies für die Patientenvertretung bedeuten sollte.

Wir Patientenvertreter in der Diabetes-Selbsthilfe haben uns bei der Durchsicht des Referenten-Entwurfs eines „Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit“, das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) etwas griffiger auch gern „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) genannt wird, die Augen gerieben: Was will Lauterbach damit erreichen? Geht es ihm tatsächlich um die Herz-Gesundheit oder steckt doch etwas anderes dahinter? Zum Beispiel eine Neuordnung der Entscheidungsprozesse im Gesundheitswesen? Oder noch krasser vielleicht: um die Abschaffung der Selbstverwaltung? Wenn ja, wie stehen wir Patientenvertreter dazu?

Warum ein Gesundes-Herz-Gesetz?

Der Reihe nach: Das GHG verfolgt inhaltlich eine richtige Richtung. Denn es muss tatsächlich dringend etwas dafür getan werden, dass sich die enormen Ausgaben für das Gesundheitswesen in Deutschland, die mit knapp 5000 Euro pro Einwohner und Jahr über 50 Prozent höher sind als der EU-Durchschnitt, in einer höheren Lebenserwartung in Deutschland niederschlagen als derjenigen aller EU-Länder. Oder sind wir 50 Prozent kränker als die Menschen im restlichen Europa? Und weil Deutschland eine der höchsten Alters-standardisierten Sterblichkeitsraten durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der EU hat, muss genau hier angesetzt werden.

Im Referenten-Entwurf wird einleitend als Problem beschrieben. „Aufgrund ihrer Häufigkeit und ihrer hohen Krankheitslast haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine zentrale bevölkerungsmedizinische und gesundheitspolitische Bedeutung“. Die Verfasser des Referenten-Entwurfs erkennen aber auch sehr klar, dass die Herz-Kreislauf-Erkrankungen überwiegend durch „modifizierbare Lebensstilfaktoren“ verursacht sind. Dazu zähen bspw. ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Alkoholkonsum.

Jetzt war der Schritt natürlich nicht mehr weit zu unserem Thema. Das sind alles exakt diejenigen Treiber für das starke Wachstum von Typ-2-Diabetes, auf die wir seit Jahren hinweisen und für die wir Gegenstrategien fordern. Der Gesetz-Entwurf greift hier nun an, durch ein Bündel an Maßnahmen zur Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen und bei Erwachsenen, mit der Stärkung von Disease-Management-Programmen (DMPs), mit der Vorbeugung, mit der Unterstützung der Reduktion des Nikotinkonsums und mit Regelungen zur Stärkung der Apotheken bei der niedrigschwelligen Beratung und der Prävention.

Die jeweiligen medizinischen und pharmazeutischen Fachgesellschaften werden diese einzelnen Elemente des Gesetzes kommentieren. Die Lobbyverbände werden entweder den Untergang ihrer Klientel befürchten oder einfach nach mehr Geld rufen. Das alles kennen wir und das ist wirklich nichts Neues.

Ist die Selbstverwaltung noch zeitgemäß?

Neu ist jedoch, dass Bundesminister Prof. Dr. Karl Lauterbach mit diesem GHG eine ganz besondere Schwachstelle im deutschen Gesundheitswesen offenlegt: die bürokratisch überbordende und damit zur Langsamkeit verdammte Selbstverwaltung im Gesundheitswesen! Auf der Homepage des BMG ist nachzulesen: „In Deutschland gilt das Prinzip der Selbstverwaltung (im Gesundheitswesen, Anm. d. Verf.). Der Staat gibt zwar die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Aufgaben vor, die Versicherten und Beitragszahler sowie die Leistungserbringer organisieren sich jedoch selbst in Verbänden, die in eigener Verantwortung die medizinische Versorgung der Bevölkerung übernehmen“. So steht das auch im Sozialgesetzbuch (SGB) V. Das ist grundsätzlich auch gut so, weil eine „Staatsmedizin“, wie sie z.B. in England existiert, nun wirklich keine Garantie einer besseren Versorgung bietet.

Wenn aber diese Selbstverwaltung den Erfordernissen einer modernen, digitalisierten, durch künstliche Intelligenz (KI) gestützten und sich rasant verändernden Gesundheitsversorgung nicht mehr gerecht werden kann, sondern sich selbst beschäftigt mit langwierigen Prozessen und gegenseitigen Blockaden, dann stimmt das System nicht mehr. Und wenn in der Selbstverwaltung eine entscheidende Stimme fehlt, nämlich die der Betroffenen, der Patienten selbst, dann stimmt ohnehin etwas nicht im System.

Patientenvertretung braucht endlich Stimmrecht beim G-BA

Weniger Bürokratie und schneller Ergebnisse! Nur so ist zu erklären, dass im Referenten-Entwurf des BMG zum „Gesundes-Herz-Gesetz“ an verschiedenen Stellen von einer „Rechtsverordnungsermächtigung“ zur Umsetzung konkreter Vorgaben die Rede ist. Und nur so wird verständlich, dass Lauterbach beim Thema DMP nun ganz gehörig aufs Gaspedal tritt. Er beauftragt den Gemeinsamen Bundesausschuss der Selbstverwaltung (G-BA) gesetzlich, Anforderungen an ein neues strukturiertes Behandlungsprogramm für behandlungsbedürftige Versicherte mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu beschließen. Das ist zwar ein beispielloser Eingriff in die Selbstverwaltung, aber er scheint dringend nötig zu sein, wenn man bedenkt, mit welcher Geschwindigkeit die Akteure im G-BA beispielsweise die Überarbeitung von DMPs vorantreiben.

Im Gesundheitswesen muss natürlich weiterhin gelten, Maßnahmen und Programme auf ihre Wirksamkeit hin genau zu überprüfen. Aber es muss im Interesse von uns Patienten auch gelten: „Time is of the essence“ – es kommt nun auch auf die Geschwindigkeit an, unser Gesundheitswesen zu verbessern. Dazu müssen die Prozesse in der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen schlanker, schneller, genauer und wirksamer werden. Ich denke, dies will Lauterbach mit dem GHG erreichen. Patienten eine Stimme geben! Wir fordern zusätzlich: Erkennt die Patienten endlich als gleichwertige Partner der Selbstverwaltung an und gebt uns Sitz UND STIMME im G-BA.


von Leonard Stärk, Vorsitzender DDF e.V.

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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