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Diagnose Diabetes – „schlechte“ Gefühle erlaubt?
4 Minuten

Du hast jetzt Diabetes! Ganz unterschiedlich werden wir mit der Diagnose konfrontiert – abhängig vom Wissensstand und Einfühlungsvermögen des Überbringers dieser Nachricht. Wenn wir bereits Menschen mit Diabetes kennen, haben wir eine Vorstellung davon, was da auf uns zukommt. Und trotzdem ist es individuell, was wir fühlen und wie wir mit dieser Botschaft umgehen.
Sicherlich zunächst ein Schock. Dann können Gefühle wie Angst, Wut, Verzweiflung und Traurigkeit hochkommen oder wir fragen uns, warum das gerade uns passiert.
Heute ist der Umgang mit Diabetes medizinisch und technisch einfacher geworden. Wir haben viele Freiheiten dazugewonnen, aber kümmern müssen wir uns trotzdem – um uns und unseren Diabetes. Diabetes-Management ist in meinen Augen kein Selbstläufer, auch wenn es manchmal so dargestellt wird.
Diagnose-Schock!
Ich habe nach der Diagnose vom Hausarzt zunächst nur eine Broschüre in die Hand gedrückt bekommen. Das war Ende der 80er Jahre. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutet, und war bis zu meiner ersten Schulung ziemlich verunsichert, was ich überhaupt noch essen darf. Insulin spritzen musste ich die ersten zwei Jahre noch nicht, aber Diät halten und regelmäßig zur Kontrolle zu meinem Hausarzt. Dann ging es aber doch nicht mehr ohne Insulin und das war eigentlich der Punkt, an dem ich so richtig anfing zu spüren, was es bedeutet, Diabetes zu haben – in dieser Zeit gab es für mich leider viele Einschränkungen, Verbote und viele Lebensmittel mit dem Label „für Diabetiker geeignet“.
Die intensivierte Insulintherapie (ICT) war noch nicht in Sicht. Ich war damals ziemlich wütend und verzweifelt. Ich hatte Angst davor, es nicht zu schaffen, so zu leben, wie es ab jetzt gut für mich sein sollte.
Nach dem Schock kam das mühsame Herantasten!
Ich habe meinen Diabetes viele Jahre ignoriert. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben und mich in meinem Leben nicht einschränken lassen – vor allem nicht beim Essen! Keine gute Idee. Es gab Höhen und Tiefen. Mal klappte es gut mit dem Messen und Spritzen und dann wieder gar nicht. Abhängig davon, in welchem Umfeld ich mich gerade bewegte, ob ich viel Stress hatte, gerade viel Neues um mich herum passierte oder auch wie viel Betreuung ich in der diabetologischen Praxis hatte, bekam ich es zeitweise gut hin und dann auch wieder gar nicht. Ich wollte mein Leben nicht von meinem Diabetes bestimmen lassen, denn so fühlte es sich für mich an. Allerdings habe ich mich in dieser Zeit auch wenig damit auseinandergesetzt, was eigentlich mein eigener Beitrag ist, damit es besser laufen kann.
Meine Gefühle zulassen – ein erster Schritt auf meinem neuen Weg!
Ich kam immer wieder an den Punkt, dass mein Hirn mir sagte: „Ina, so funktioniert das nicht, wenn du deine Einstellung zu deinem Diabetes nicht veränderst.“ Ich wollte nicht mehr traurig und verzweifelt sein, weil ich es nicht schaffe, meine Diabetes-Therapie umzusetzen. Und ich wollte nicht mehr wütend auf mich sein, weil ich so oft gescheitert bin mit meinen guten Vorsätzen. Also unternahm ich erste zaghafte Schritte, mal hinter meine eigenen Kulissen zu schauen. Wo hatte ich die Abzweigung verpasst, meinen Diabetes zu akzeptieren und mich auf den neuen Alltag einzulassen? Ich fühlte mich allein. Da waren keine anderen Diabetiker auf der Schule, im Studium oder ich kannte sie nicht. Mir fehlten Menschen, mit denen ich mich über den Alltag mit Diabetes austauschen konnte. Ich wollte keine Sonderrolle haben und habe mich sehr verbogen auf Kosten meiner Gesundheit. Sicherlich war hier auch ein bisschen Angst dabei, nicht dazuzugehören und nicht alles mitmachen zu können.
Loslassen und neu starten!
Wie sollte mein Alltag mit Diabetes nun für mich aussehen? Das ist eine Frage, die mich schon etwas länger beschäftigt hat. Es fing eigentlich damit an, dass ich mir aktiv andere Diabetiker gesucht habe, mit denen ich so über dies und das reden konnte. Jeder hatte seine individuellen Hürden im Alltag und ist auch ganz unterschiedlich damit umgegangen. Es wurden Tipps und Tricks getauscht. Ich habe gemerkt, dass Vieles möglich ist, wenn ich mir klar darüber werde, wie ich es für mich gut umsetzen kann. Ich habe viel gelesen und mich an verschiedenen Stellen unterstützen lassen. Schritt für Schritt habe ich angefangen, meinen Umgang mit meinem Diabetes und meinen Alltag zu verändern. Zuerst Kleinigkeiten und dann wurde ich immer mutiger, auch größere Dinge anzugehen. Natürlich gab es auch mal Rückschläge, aber das machte nichts, denn insgesamt bin ich gut vorangekommen.
Ich habe mir z.B. ein Abendritual erschaffen, weil ich oft mein Basal irgendwann oder auch mal gar nicht gespritzt habe. 21:30 Uhr Blutzucker messen und Basal spritzen, denn das war der kritische Zeitpunkt, an dem ich oft auf dem Sofa eingeschlafen bin. Also wollte ich vorher alles erledigt haben, was wichtig für mich ist. Über Wochen habe ich das trainiert, bis es mir immer leichter fiel und mir was fehlte, wenn ich es nicht mache.
Mein Lebenskonzept mit Diabetes
Der Einstieg in den Alltag mit Diabetes wird uns doch recht vereinfacht rübergebracht. Ein bisschen nach dem Motto „mit Diabetes lässt es sich doch gut leben“ – ja, wir leben mit Diabetes, doch wir müssen auch so einiges berücksichtigen, was den Alltag nicht immer einfach macht.
In meinem neuen Lebenskonzept – nämlich zufrieden und stark im Alltag mit Diabetes – achte ich darauf, was gut für mich ist. Ich spreche darüber, was mir wichtig ist, was geht und was nicht geht. Gelingt mir auch nicht immer, aber doch sehr oft. Ich lasse aber auch heute „vermeintlich“ negative Gefühle zu, doch die Sichtweise darauf hat sich für mich verändert. Sie ziehen mich nicht runter, sondern sie sind mir ein guter Wegweiser geworden, dass gerade etwas nicht so richtig stimmt und ich schaue, was los ist.
Traurig, wütend, verzweifelt oder ängstlich sein ist kein Tabu!
Sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen und sie zuzulassen, unterstützt uns dabei, die neuen Lebensumstände mit Diabetes zu akzeptieren. In Worte zu fassen, was uns bewegt, worüber wir traurig sind, was uns herausfordert, was uns wütend macht, woran wir verzweifeln oder wovor wir Angst haben, hilft uns Schritt für Schritt, mit dem Diabetes im Alltag besser klarzukommen.
Auch wenn es heute einfacher ist, mit Diabetes zu leben und uns die Welt offensteht, ist es dennoch erst einmal eine Veränderung. Es ist ein Stück weit Abschied nehmen von unserem bisherigen Lebensrhythmus. Für mich hat sich in all den Jahren einiges geklärt, auch wenn ich sehr lange gebraucht habe, mein neues Lebenskonzept zu finden.
Ich möchte euch hiermit motivieren, eure Gefühle ernst zu nehmen und euch Unterstützung zu holen, wenn ihr alleine nicht weiterkommt. Es ist nie zu spät, neu zu starten.
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 6 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 3 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 2 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike