- Aus der Community
We are Family – drei Insulinjunkies unter einem Dach
4 Minuten
„Ja, sag mal, hast du den Diabetes eigentlich geerbt?“ Normalerweise schüttelt ein Typ-1-Diabetiker bei dieser Frage den Kopf. Meine Antwort auf diese Frage ist: „Normalerweise nicht, allerdings bin ich mir da bei mir (bei meiner Familie) nicht so sicher.“
Statistisch gesehen beträgt das Erkrankungsrisiko für das Kind drei bis fünf Prozent, wenn die Mutter an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt ist. Es liegt etwas höher, wenn der Vater erkrankt ist. Das Risiko steigt auf 10 bis 25 Prozent, wenn beide Eltern an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt sind.
Was ist jetzt aber, wenn man selbst Diabetikerin ist und beide Kinder im Laufe des Lebens Typ-1-Diabetes diagnostiziert bekommen? Hoppla!
In meiner Familie ist das der Fall.

Beginnen wir am Anfang
Noch heute macht meine Tante darüber Witze, dass sie noch nie so ein hässliches Baby gesehen hat. Aufgedunsen, gelb, die Augen kaum zu erkennen.
Das war keine Überraschung, schließlich war ich die Tochter einer Schwangerschaftsdiabetikerin. Was heute für Ärzte keine Herausforderung mehr darstellt, war 1993 schon ein bisschen komplizierter. Jeder neu diagnostizierte Diabetiker weiß, wie schwer es ist, den Diabetes in den ersten Jahren in den Griff zu bekommen. Bei einer Schwangerschaft hat man nur 9 Monate Zeit und muss hoffen, dass das Ganze glimpflich ausgeht. Hilfsmittel wie CGMs oder Insulinpumpen, die es meiner Mama leicht gemacht hätten, waren nicht verfügbar und oder nicht so verbreitet wie heute. Trotzdem hat sie es sehr gut gemanagt und so bin ich als relativ gesundes Kind auf die Welt gekommen. 2 Jahre später ist mein Bruder geboren, bei dem es während der Schwangerschaft keine Komplikationen mit irgendeiner Form von Diabetes gab.
Groß werden zwischen Spritzen und Nadeln
Nach der Scheidung meiner Eltern lebte ich bis 2002 bei meinem leiblichen Vater und besuchte meine Mutter regelmäßig am Wochenende. Als ich ungefähr 7 oder 8 Jahre alt war, zeigte mir meine Mama einen großen Stift und sagte zu mir, ich soll diesen bitte liegenlassen und nicht anfassen. Das sei ein Insulinpen, den sie jetzt regelmäßig verwenden müsse, weil sie Diabetes habe. Manchmal habe ich sie gesehen, wie sie sich mit einem Gerät in den Finger pikst und dann das Blut auf einen Streifen aufträgt, oder habe ihr beim Spritzen zugesehen und gefragt was sie da macht. So habe ich schon ziemlich früh viel über den Diabetes gelernt, auch wenn ich nie gedacht hätte, dass es mich auch mal trifft.

Wer will noch mal? Wer hat noch nicht?
Das Positive an der Sache ist, dass weder mein Bruder noch ich die lästige Diagnosephase lange durchmachen mussten. Also die ganze Situation mit Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Erbrechen, Durst etc.
Bei mir hat meine Mutter 2005 die Symptome erkannt und mich sofort ins Krankenhaus gebracht. Da lag mein HbA1c um die 7-8%. Mein Bruder wurde vor circa 4 Jahren diagnostiziert. Er hatte sich für eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr beworben und beim Bluttest sind Ketonkörper im Blut festgestellt worden. Somit hatten dann beide Kinder die Diagnose Diabetes Typ 1 bekommen.
Während dieser Zeit scherzte mein Opa immer, wie gut er es hat, dass er gegen seinen Diabetes nur Tabletten nehmen muss. Und zwei Jahre später hat dann auch er einen Insulinpen von seinem Doktor in die Hand gedrückt bekommen. Der Unterschied ist aber, dass mein Opa wirklich klassischer Typ-2-Diabetiker ist, bei dem Tabletten einfach nicht mehr ausreichen. Seitdem nörgeln wir alle drei an ihm rum, dass er vor und nicht nach dem Essen messen soll oder dass er sich nicht zu wundern braucht, dass sein Blutzucker nach einer ganzen Schale Weintrauben in die Höhe schießt.
Das sind meine Hypohelfer!
Wie sich andere Geschwister um die Fernbedienung streiten, streiten wir uns über z.B. Hypohelfer. Das liegt aber daran, dass mein Bruder einfach unglaublich faul ist. Sogar zu faul, um sich einfach eines der 7.000 Caprisonne-Päckchen aus dem Keller mit hochzunehmen, und dann immer meine klaut. Gefährlich kann das sogar dann werden, wenn keiner die Hypohelfer im Auto auffüllt und man mit sinkendem Wert auf der Autobahn unterwegs ist.
Lustige Seiten an der Sache gibt es auch, z.B. Blutzucker Bingo – wer von uns drei den niedrigsten Wert hat, gewinnt. Oder Rezeptbestellungen beim Diabetologen: „Ich brauch bitte Humalog in der Durchstechflasche, eine Packung NovoRapid im Flexpen für Lukas, 3-mal Hypokit – unsere sind abgelaufen – und habt Ihr noch ’n Desinfektionsmittel für uns“, gefolgt vom irritierten Blick der Apothekerin, wenn einer von uns mit 6 Rezepten auf einmal kommt.
Wenn wir zusammen unterwegs sind, muss man sich nicht drum sorgen, wenn man sein Testgerät vergessen hat. Irgendeiner hat immer eins dabei. Nur mit Insulin muss sich jeder selbst versorgen, da haben wir nämlich alle unterschiedliches.

Nie im Leben sind das nur 3 BE!
Ein riesiges Thema bei uns ist natürlich Essen! Während meine Mama und ich noch klassisch gelernt haben, unsere Lebensmittel abzuwiegen und in der Tabelle nach der Menge der Kohlenhydrate schauten, hatte mein Bruder das Ganze schon im Blut – im wahrsten Sinne des Wortes. Er wusste schon vor seiner Diagnose, dass ein Vollkornbrötchen 2 BE hat und eine Orange ungefähr 1 BE. Zusätzlich gab es bei uns schon immer nur Light-Getränke. Und auch wenn wir inzwischen alle richtige Diabetes-Profis sind, gibt es ab und an Meinungsverschiedenheiten über enthaltene Broteinheiten. Vor allem unser Diabetiker-Küken muss sich ab und an noch auf das Schätzurteil der alten Hasen verlassen oder frägt nach, wie er sich verhalten soll, wenn es zum Essen z.B. ein Glas Wein gibt.
We are Family
Für uns gehört der Diabetes zum Familienleben wie für andere der Fernsehabend oder der Wochenendausflug. Natürlich hat sich das keiner von uns gewünscht und wir würden wahrscheinlich gerne alle drei unsere Diamonster irgendwo an einer Raststätte aussetzen. Aber letztendlich ist hier wieder das Klischee „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“ zutreffend und bei uns sogar im Kollektiv.

Auch Kathy Maggy schrieb darüber, wie es ist, nicht die einzige Diabetikerin in der Familie zu sein: Zuckersüße Familienbande
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 4 Tagen, 14 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 6 Tagen, 9 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 4 Tagen, 9 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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