Der Vogel, der wieder fliegen lernte

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Der Vogel, der wieder fliegen lernte

Zuerst konnte und wollte ich es nicht glauben. Diabetes mellitus Typ 1. Eine Krankheit, die vom einen auf den anderen Moment mein ganzes Leben auf den Kopf stellte.

Ich war gerade dabei, mir auszumalen, wie mein zukünftiges Leben mit Diabetes aussehen würde. In diesem Moment flatterte ein Vogel an mir vorbei. Ich beobachtete, wie er sich geschickt vom Wind treiben ließ. Doch einen Wimpernschlag später war er wieder verschwunden. Mit all meiner Kraft befreite ich mich aus dem Schlauchsalat. Trotz meiner Schmerzen wollte ich unbedingt mehr von diesem eleganten Luftakrobaten sehen. Ich hatte Glück, denn gerade, als sich mein Oberkörper aufgerichtet hatte, begann die Hauptvorstellung.

Das Leichteste der Welt

Jeder Flügelschlag ließ ihn näherkommen, näher der Sonne entgegen. Gerade, als er dabei war, die Wolkendecke zu durchbrechen, stürzte er sich todesmutig in die Tiefe. Immer tiefer und tiefer sank er und wurde nicht langsamer. Nun waren es nur noch wenige Meter bis zum Erdboden. Ich hielt den Atem an. Doch obwohl ich es nicht für möglich gehalten hatte, bezwang er die Schwerkraft und wendete den Aufprall ab. Das Fliegen sah dermaßen mühelos aus, als wäre es das Leichteste der Welt.

Zum Abschluss seiner Show segelte er anmutig an mein Fenster heran und bedankte sich bei seinem Publikum, wie es sich für einen wahren Künstler gehörte. Als er gerade dabei war, mich zu verlassen, entdeckte ich etwas an ihm, was mich verwunderte. Seine Augen. Ja, seine Augen, so rein und glänzend, wie ein Diamant. Es war ein Blick ausgefüllt mit purer Freude am Leben.

Wann hatte ich zuletzt diese Freude?

Der Blick traf mich mitten ins Herz, weil er mir unmissverständlich aufzeigte, was ich mir selbst so sehnlichst wünschte. Freude am Leben!

Ich wollte die Zeit festhalten. Noch länger die Energie dieses Wesens in mir aufsaugen. Doch da war er schon wieder weg, auf der Suche nach neuen Bewunderern.

Vogel sitzt auf der Hand von einemMenschen
Quelle: Unsplash

Zurück in meiner Welt, ließ ich mich lustlos auf mein Bett fallen und dachte zurück an meine glückliche Kindheit. Eine Zeit, in der ich noch Freude am Leben hatte.

An heißen Tagen eine erfrischende Limo oder ein leckeres Eis schlotzen und im Winter sofort nach dem Schlittenfahren eine heiße Schokolade schlürfen. Ich konnte essen und trinken, was und wann ich Lust hatte. Ganz wie ein Vogel, der sich aussuchen konnte, wohin er fliegt. Leider wurde mir diese Freiheit erst wirklich klar, als sie mir genommen wurde.

Warum ich?

Akzeptiere, was du nicht verändern kannst und mache das Beste daraus:

Die Fragen brannten sich wie heiße Kohlen in meinen Schädel. Warum? Warum ich? Warum hat die Krankheit mich ausgesucht? Habe ich zu viele Schoko-Croissants gegessen, zu wenig Sport gemacht oder hat der liebe Gott einfach mal Bock drauf gehabt, mir so richtig in den Hintern zu treten?

Ich weiß bis heute keine Antwort und vermutlich gibt es auch keine. Als mir dies klar wurde, begriff ich, dass ich etwas ändern musste. Unlösbare Fragen führen zu einem ungelösten Leben, ich aber wollte ein freies Leben. Also fragte ich mich, was ich tun darf, um ein Leben in Freiheit und Glück genießen zu können. Damit hatte ich es geschafft, allein mit der Umstellung meiner Fragen, zu akzeptieren.

Nur was Schmerzen bereitet, fällt schwer zu akzeptieren. Mir kam es plötzlich sinnlos vor, nach dem Warum zu fragen. Der Vogel fragt sich ja auch nicht, warum er keinen Computer bedienen kann. Nein, er akzeptiert, was ist, und macht das Beste daraus. Der kleine Vogel ist bis heute mein absolutes Vorbild.

Danke, lieber Vogel! Dank dir fand ich den Weg heraus aus dem Tal der Tränen, hinein in einen aufregenden Abenteuerspielplatz. Tag für Tag entdeckte ich neue Wege, frei und glücklich durch mein Leben zu fliegen.

Welche Fragen stellst du dir?

Wie sieht es bei dir aus? Hast du schon das Leben, welches du dir wünschst? Wenn nicht, kannst du dir alle Fragen aufschreiben, die du dir den Tag über stellst. Sortiere aus, was dir nicht nützt, und sei dankbar für das Nützliche. Das bloße Bewusstsein, deiner Fragen, hilft dir schon zu einem erfüllteren Leben. Glaub mir, ich durfte es selbst erfahren. Was sind deine Fragen?


Die Diagnose einer chronischen Krankheit erweitert häufig die Blickweise auf das Leben. Yvonne beschreibt das in ihrem Beitrag Mein Diabetes und ich – an den meisten Tagen sind wir Freunde.

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  • carogo postete ein Update vor 1 Tag, 8 Stunden

    Hallo zusammen! Ich habe mich mit einer Freundin über die Rezepte in der Zeitschrift unterhalten und wir haben uns gefragt, was es eigentlich konkret mit den Nähwertangaben und der Unterscheidung zwischen Kohlenhydraten und anrechnungspflichtign KH auf sich hat?

    • Das wüsste ich auch gerne.

    • Liebe Carogo,
      anrechnungspflichtige KH sind Kohlenhydrate, die den Blutzuckerspiegel erhöhen. Es gibt auch KH, die nicht direkt blutzuckersteigernd wirken und damit für die Insulintherapie nicht oder nicht voll angerechnet werden müssen, wie bspw. Ballaststoffe oder KH, die nur sehr langsam den Blutzucker beeinflussen.
      VLG
      Gregor aus der Diabetes-Anker Redaktion

    • @gregor-hess: danke für die Antwort! Könntest du hierfür mal Beispiele nennen?

  • cesta postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

    • Hallo Christa! Ich verwende die FDDB app. LG Sarah (Lada)

    • @kw: Vielen lieben Dank für den Tipp!

    • @moira: Vielen lieben Dank für den Tipp!

  • sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 3 Wochen

    hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • mayhe antwortete vor 3 Wochen

      Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

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