3 Minuten
Ein Leben mit Insulinresistenz muss nicht bedeuten, dass man für immer auf alles verzichten muss. Im Gegenteil: Der richtige Umgang damit kann einem neue Perspektiven eröffnen.
Dass ich im April 2018 herausfand, worauf sich, zumindest teilweise, meine gesundheitlichen Probleme zurückführen lassen, war reiner Zufall. Es war eine unentdeckte Insulinresistenz, die neben einer Hyperprolaktinämie (erhöhter Wert des Hormons Prolaktin im Blut) und weiteren Symptomen bestand. Aber mit dieser Erkenntnis, die wenige Monate später durch einen Zuckerbelastungstest bestätigt wurde, änderte sich mein Leben grundlegend.
Als ich anfing, mich mit dem Zusammenspiel von Kohlenhydraten und Insulin zu beschäftigen, tauchte in einem Podcast-Interview ein Begriff auf, bei dem ich hellhörig wurde: metabolische Flexibilität. Ein sperriges Wort, in das man viel hineininterpretieren kann. Nachdem ich über Jahre mit meiner Ernährung in alle möglichen Richtungen experimentiert und keine guten Ergebnisse erzielt hatte, wurde dieser Begriff eine Art Leitstern. Würde es mir gelingen, meinen Stoffwechsel wieder so korrigieren, dass ich kleine Mengen an Kohlenhydraten würde essen können, ohne dass der Blutzucker Achterbahn fährt?
Viele glauben bei der Umstellung auf Low-Carb oder Keto, dass sie das Non-Plus-Ultra der Ernährung gefunden hätten, das für alle Menschen dauerhaft passt, und sich bis an ihr Lebensende so ernähren werden. Für manche mag das auch zutreffen. Ich stellte mir aber die Frage, ob es eines Tages für mich möglich sein würde, flexibel zu essen. Ein paar Wochen streng kohlenhydratreduziert, ein paar Wochen fast „normal“. Falls es so etwas wie normal beim Essen gibt. Aber ohne tägliches Dokumentieren meiner Nahrungsaufnahme, sondern nach Körpergefühl. Und vor allem ohne die Panik, gleich wieder zu unterzuckern oder unkontrolliert zuzunehmen.
Zweieinhalb Jahre später bin ich an dem Punkt, an dem ich sein wollte. Die meiste Zeit über habe ich streng zuckerfrei und ketogen gegessen. Das letzte halbe Jahr eher sehr entspannt Low-Carb. Was mich allerdings anfing zu stören: Fast jede Mahlzeit ähnelte bei der ketogenen Ernährung einem Anti-Pasti-Teller: Käse, Fleisch, ein bißchen Gemüse, Oliven. Das muss so natürlich nicht sein, es gibt eine große Anzahl ketogener Rezepte. Aber auch da stößt man schnell an Grenzen, denn die Zutaten sind eben doch immer dieselben. Deshalb machte ich es mir einfach und verbrachte während dieser Phase kaum Zeit am Herd. Ein Hinzugewinn an Zeit und Nerven, wenn man nicht ständig darüber nachdenken muss, was man kochen soll.
Wenn man so lange low-carb oder ketogen lebt, greift man aber auch mal zu stark verarbeiteten Produkten, die sich zwar positiv auf Blutzucker und Insulinspiegel auswirken, darüber hinaus aber keinerlei Nährwert aufweisen. Im Gegenteil. Vieles scheint aus Pülverchen zusammengemischt und mit künstlichen Aromen veredelt worden zu sein. Das widersprach einfach zu stark meiner Vorstellung von meiner gesunden Ernährung.
Zudem bin ich davon überzeugt, dass Frauen andere Ernährungsregeln benötigen als Männer. Keto ist eine Ernährungsform, die ursprünglich als Therapie gedacht war, nun aber durch Massenmedien an Popularität gewinnt. Und damit eben leider auch jede Menge überflüssige Produkte und Pülverchen in den Markt spült. Was die meisten dabei nicht verstehen: Die ketogene Ernährung imitiert ein Fasten, aber ist es wirklich gesund für den weiblichen Körper, über Jahre hinweg zu fasten? Oder könnte es sein, dass die Ernährung an den Zyklus angepasst werden muss?
Außerdem wollte ich es wissen: Inwiefern war mein Experimente nun gelungen oder nicht? Noch nicht mal, weil ich etwas anderes schmecken, sondern weil ich meinen Körper ein bisschen testen wollte, ohne gleich wieder zum Zuckerbelastungstest zu müssen. Denn ein weiteres Plus meiner Ernährungsumstellung war, dass ich Signale meines Körpers besser verstand. Nicht weil ich besser hinhören konnte, sondern weil die Signale klarer waren. Ich spekulierte, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, etwas Neues auszuprobieren.
Auf meiner Suche nach einem neuen „insulinverträglichen Ernährungsstil“, der meinen Ansprüchen gerecht würde, fand ich ein Kochbuch über althergebrachte Rezepte. Die Grundlage sind hochwertige tierische Produkte (also von Natur aus wenige bis keine Kohlenhydrate), saisonales Gemüse und Obst, alles roh oder gekocht. Getreide und Nüsse werden nur nach Fermentation verzehrt, was sie bekömmlicher macht. Dass man Nüsse und Kerne ankeimt, kannte ich noch aus meiner Rohkostphase. Aber Getreide fermentieren? Das war mir neu.
Seit fast zwei Monaten spiele ich mit diesen Rezepten und ich kann mich nicht daran erinnern, mich jemals so gut genährt gefühlt zu haben. Was vermutlich gar nicht am Getreide liegt, sondern an den Milchsäurebakterien, die man mit dem fermentierten Produkt zu sich nimmt.
An diesem Punkt stehe ich nun. Immer noch meine Küche als Labor betrachtend und mit mir selbst als dem Versuchsobjekt. Es bleibt alles wieder neu. Und so, wie ich meine Entwicklung einschätze, bin ich in sechs Monaten wieder an einem neuen Punkt.
Mehr Beiträge zum Thema Ernährung sowie Rezepte findet ihr in unserer Kategorie „Essen & Trinken“!
2 Minuten
2 Minuten
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Beliebte Themen
Ernährung
Aus der Community
Push-Benachrichtigungen