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Ich habe das Interview mit Herrn Kimmerle am Telefon geführt. Ein schönes Gefühl, dass unsere Diabetes-Community keine Altersgrenzen kennt, denn wir haben gleich einen guten Draht zueinander gefunden und ein interessantes Gespräch geführt. Der Austausch hat mir Mut gemacht, auch im Alter gut mit meinem Diabetes klarzukommen. Ein Thema, das mich in der letzten Zeit immer mal wieder beschäftigt.
Steckbrief
Name: Johann Kimmerle
Alter: 71 Jahre
Diabetestyp: Diabetes Typ 1
Therapieform: Insulinpumpe und FreeStyle Libre 2
Wohnsituation: zu Hause
Diabetesdauer: 51 Jahre
In meiner ersten Frage in diesem Telefoninterview geht es um die Gründe, die Herrn Kimmerle bewegt haben, an dieser Interview-Aktion teilzunehmen. Er schildert mir daraufhin eine Situation, die ältere Menschen mit Diabetes vor eine Herausforderung stellen können. Vor kurzem erfuhr er nämlich folgendes aus der Zeitung (lieber hätte er es persönlich erfahren): Die ortsansässige Diabetologin, die auch ihn betreut, zieht in einen 16 km entfernten Ort und auch die Diabetesberaterin verlässt die Klinik. Nimmt die Mobilität im Alter ab, kann das einen unfreiwilligen Wechsel bedeuten. Herrn Kimmerle ist es aktuell glücklicherweise noch möglich, den längeren Weg zu bewältigen, aber andere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, verlieren ihre vertrauten und geschätzten Ansprechpartner:innen in der Diabetes-Therapie und müssen sich auf eine neue Situation einstellen.
Bei solchen Gesprächen rattert es dann auch in meinem Kopf. Wie ist das, wenn ich nicht mehr so mobil bin? Aktuell kommuniziere ich mit meiner Diabetologin per Mail oder am Telefon. Den Praxisbesuch ersetzt es natürlich nicht vollständig, denn mein Blut geht noch nicht durch die Leitung, aber es zeigt mir Möglichkeiten, die im Alter eine Erleichterung für mich sein können.
Ich nehme Herrn Kimmerle am Telefon als sehr aktiven Menschen wahr, der sein Diabetes-Management selbst in der Hand hat. Er hat eine klare Philosophie für seinen Alltag mit Diabetes: sich trauen, neugierig sein, auch vor nicht-optimalen Tagen keine Angst haben. Bei der Umsetzung unterstützt es ihn bis heute, diszipliniert zu sein und sich einen strukturierten Alltag zu schaffen.
Zum Thema „Diabetes-Fremdmanagement“ erzählt er mir von einer Situation beim Röntgen. Der behandelnde Arzt erkundigte sich danach, was „das“ denn sei, und zeigte auf seine Insulinpumpe. Glücklicherweise konnte er den Arzt davon überzeugen, dass er die Pumpe bei der Untersuchung nicht abnehmen muss. Auch bei Empfehlungen zur Diabetes-Therapie, die von nicht in Sachen Diabetes geschultem, medizinischem Personal kommen, bleibt er skeptisch. Am liebsten macht er es selber, betont er nochmal mit Nachdruck. Seine Erfahrungen beschränken sich bisher glücklicherweise darauf, dass er sich bei einem Krankenhausaufenthalt darüber Gedanken gemacht hat, was wäre, wenn er seine Pumpe nicht bedienen könnte.
Ich habe meinen Diagnose mit 15 bekommen und erst zwei Jahre später angefangen, Insulin zu spritzen. Das bedeutet, mein Diabetes-Management lag von Anfang an nahezu komplett alleine in meinen Händen. Heute meine Pumpe in andere Hände zu geben, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Allerdings empfinde ich es auch als Erleichterung, mein gesammeltes Wissen in meiner Pumpe speichern zu können wie z.B. meine BE-Faktoren, Basalraten, Korrekturfaktoren. Wenn mal akut etwas wäre, ist es leichter zu erklären, welche Eingabe zu machen ist.
Die Gedanken von Herrn Kimmerle kreisen bei den Wünschen für die Zukunft um die Technik. Er trägt seit 32 Jahren eine Insulinpumpe, die er auf keinen Fall missen möchte. Die Technik entwickelt sich immer weiter, was zwar Erleichterungen mit sich bringt, aber trotzdem wünscht er sich, dass die Pumpen nicht noch mehr technisiert werden. Denn er hat dabei Bedenken, dass er die neuen Generationen der Insulinpumpen irgendwann nicht mehr bedienen kann oder sich auch nicht mehr traut, sie zu bedienen bei der Vielzahl der Funktionen. Wie es sich für „gute Diabetiker“ gehört, tauschen wir uns auch über unsere persönliche Diabetes-Technik aus und ich erzähle ein bisschen was über den Automodus meiner Insulinpumpe.
Die Technik ist auch das, was meine Stirn runzeln lässt. Allerdings habe ich eher die Hoffnung, dass zu dem Zeitpunkt, wenn ich es eventuell nicht mehr alleine kann, die Automatisierung so weit fortgeschritten ist, dass noch mehr (fast alles?) von alleine läuft, und damit verbunden die Bedenken, dass es doch nicht so schnell geht, wie ich es vielleicht brauche.
Wie viel Zeit bleibt mir also? Diese Frage passt bestens zu den guten Wünschen, die ich zum Abschluss des Gesprächs von Herrn Kimmerle bekomme. Er wünscht mir nämlich, dass ich die 20 Jahre, die mir aktuell zu seiner Diabetesdauer noch fehlen, auf jeden Fall noch voll bekomme. Genau das und sogar noch ein bisschen mehr habe ich vor. Am Ball bleiben und die Chancen nutzen, ist dafür wohl das richtige Motto. Und ansonsten ist die „Diabetes-Alters-WG“ auch eine schöne Idee. Wer weiß schon, was sich noch alles tut.
Wer noch ein bisschen mehr über den Alltag mit Diabetes von Herrn Kimmerle erfahren möchte, der schaut doch einfach auch bei Michis Beitrag vorbei, der ebenfalls erschienen ist. 51 Jahre mit Diabetes bieten nämlich eine Menge interessanten Gesprächsstoff.
Ein weiteres Interview aus unserer #DiabetesimAlter-Reihe findet ihr zum Beispiel von Susanne: Zufriedenheit ist das höchste Gut – ein Interview mit Christoph Engelsmann
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