Insulinresistenz – Irrglaube oder doch Wahrheit?

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Insulinresistenz – Irrglaube oder doch Wahrheit?
Quelle: Olli P.

August 2020 – meine Blutzuckerwerte waren schon über einen längeren Zeitraum außergewöhnlich außer Rand und Band. Sprich hoch. So kannte ich dies nicht. Damit möchte ich nicht meinen, dass ich sonst ein Vorzeige-Patient wäre, aber so grundsätzlich musste ich mich nicht allzu viel in meinen bisher 15 Jahren mit Diabetes Typ 1 kümmern. Es hat sich quasi alles stets von allein wieder relativ gut eingependelt, sollte es mal abseits der gewünschten Wege verlaufen sein. Dadurch, dass die Werte über einen längeren Zeitraum (ich spreche hier von drei Wochen und länger) konstant Achterbahn fuhren, hatte ich für mich persönlich bereits einen Infekt ausgeschlossen.

Dennoch fand ich keinerlei Ansatzpunkte, um dem Ganzen unter die Arme zu greifen oder gar entgegenwirken zu können. Es war, milde ausgedrückt, eine Katastrophe. Diese habe ich in feinster Manier, wie man das gerne erst einmal so handhabt, konsequent versucht, wegzuignorieren. Dies hat allerdings nicht funktioniert. Schade Schokolade …


Das Ende von Schlaf und der Anfang einer mittelschweren Katastrophe

Zusätzlich zu den tagsüber hohen Blutzuckerwerten folgten in der Nacht, stets zu ähnlichen Zeiten, Schweißausbrüche und extrem in die Höhe schießende Werte. Meist schossen diese bis auf 18 mmol/l (324 mg/dl) hoch. Auf diesen rasanten Anstieg nachts war ich absolut nicht vorbereitet und demnach latent schockiert und natürlich tagsüber komplett gerädert.

Anfangs waren diese hohen Blutzuckerwerte keine Regelmäßigkeit, später wurden sie dies. Ich habe es mit einer höheren Basalrate versucht, mit Basalratentests sowie mit einem Extra-Bolus vor dem Schlafengehen. (ACHTUNG! Solche Aktionen nicht einfach nachmachen, denn dies kann sehr gefährlich sein. Sprecht stets mit eurem Diabetologen über Vorgehensweisen.)

Alles half nichts. Der Blutzucker schoss wie eine ungebremste Rakete in die Höhe und blieb dann auch dort.

So wurden meine Nächte immer schlimmer, schlechter und vor allen Dingen kürzer. Dies lag natürlich nicht nur an den auch nachts anhaltenden sommerlich-warmen Temperaturen (im August), die mir generell den Schlaf raubten. Sondern hauptsächlich an der „Bekämpfung“ eines zu hohen Blutzuckers und regelmäßigen Kontroll-Messungen, um nicht doch schlagartig in einer „Hypo“ zu enden.

Quelle: pixabay

Vier lange Wochen… Vielleicht doch nur ein Infekt?

Nach ca. 4 Wochen war ich so langsam ziemlich am Ende und auch etwas ratlos. Ich kontaktierte einen neuen Diabetologen, da ich erst neu umgezogen war und somit noch keinen Facharzt in der Stadt hatte. Leider bekam ich nur den Rat, dass es „solche Phasen gäbe“ und ich doch das Ganze einfach mal „auf einen längeren Zeitraum beobachten sollte“. Wow. Eine qualifizierte und zufriedenstellende Antwort war dies für mich enttäuschenderweise nicht.

Nach dem Gespräch mit der meiner Meinung nach nicht sehr qualifizierten Diabetologin ging ich weiter grübelnd nach Hause, dennoch ohne jeglichen Denkansatz, wieso, weshalb und warum die Werte das machten, was sie machten. Nämlich ausarteten. Natürlich hatte ich zu dem Zeitpunkt mehrfach mein Insulinpumpen- und Kathetersystem sowie das komplette Insulin ausgetauscht. Stets alles auch weiterhin regelmäßig gewechselt und getauscht. Ich stand somit kurz vor der Überlegung, auf Einwegspritzen umzusteigen, zumindest für den Korrektur-Bolus. Dazu muss ich aber leider sagen: Ich hasse Spritzen und Nadeln. Vor allen Dingen Spritzen. Deswegen war ich auch superfroh, dass ich bereits ein Jahr nach meiner Diagnose damals eine Insulinpumpe erhielt.

Nach dieser andauernden, fast ausweglosen Misere folgten drei aufeinanderfolgende Tage mit konstant hohen Blutzuckerwerten, welche nicht unter 18 mmol/l (324 mg/dl) fielen. Somit befand ich mich quasi konstant im 25-mmol/l (450-mg/dl)-Blutzuckerwertbereich. Tag eins steckte ich noch relativ gut weg, mit viel Trinken und keinen Ketonen. Tag zwei war schon sehr mühselig und mit leicht nachweisbaren Ketonen. An Tag drei war ich quasi nur noch eine leere Hülle Mensch. Ich hatte kaum gegessen, hatte viel getrunken, viel Korrektur gespritzt und wollte mir einreden, es wäre evtl. doch nur ein Infekt?! Das ergab für mich aber schlussendlich alles keinen Sinn. Ich übergab mich mehrfach und fragte letztendlich familienintern nach Hilfe.


Bloß nicht ins Krankenhaus!

Neben Spritzen und Nadeln mag ich auch keine Krankenhäuser und habe auch hier stets schlechte Erfahrungen gesammelt. Zum Beispiel mit Ärzten, die einfach keinen blassen Schimmer von der Diabetes-Typ-1-Erkrankung geschweige denn der Einstellung des Diabetes haben. Nach vielen Stunden des von mir freiwillig gewählten Ausharrens und Abwartens zu Hause schossen die Blutzuckerwerte über 25 mmol/l (450 mg/dl) und ich fühlte mich, als wäre ich kurz vorm Ableben.

Also ab ins Krankenhaus. Angekommen im Krankenhaus wurde bei mir ein Blutzuckerwert von 11 mmol/l (198 mg/dl) gemessen. Ich fühlte mich wie in der schlimmsten „Hypo“ der Welt gefangen. Mein Blutzucker war aufgrund der Aufregung und persönlichen Angst vor einem Krankenhausaufenthalt abgestürzt – das Abstürzen bei Aufregung kenne ich bei mir schon lange. Im Krankenhaus bekam ich vorerst nur den Spruch „Na, so hoch sind Sie ja jetzt auch nicht, Sie haben es ja im Griff“ zu hören.

Ich forderte freundlich eine Infusion ein, um meinem ausgetrockneten Körper zu helfen, und ignorierte dabei freundlich den vom Arzt erwähnten Spruch. Für Streitigkeiten hatte ich jetzt wirklich keinen Nerv. Die Infusion tropfte sehr langsam und somit über Stunden hinweg in mich hinein. Ein zähes Warten und Ausharren.


Allergisch auf das Insulin?

Ich entließ mich nach einigen Stunden und mit etwas mehr Flüssigkeit im Körper auf eigene Gefahr und begab mich zugleich in familiäre Obhut. Ausgangswert im Krankenhaus waren 11 mmol/l (198 mg/dl). Die Werte fingen aber schon nach 30 Min. wieder flott an, anzusteigen. Erst auf 16 mmol/l (288 mg/dl), keine 30 Minuten später auf 18 mmol/l (324 mg/dl). Mist! Ich fragte meinen Bruder nach seinem Insulin. Er verwendete Fiasp, ich seit 14 Jahren NovoRapid. Doch er hatte keine Einwegspritzen bei sich zu Hause und ich keine parat. Super Timing! Wir hatten familienintern den Pakt geschlossen, dass ich ab einer Grenzüberschreitung des Blutzuckerwertes von 21 mmol/l (378 mg/dl) wohl doch wieder ins Krankenhaus müsste und dort dann auch bleiben würde. Natürlich wollte ich da nicht hin.

Ich schmiss aus lauter Verzweiflung eine Allergie-Tablette ein, mit dem Verdacht, mein Körper könnte allergisch auf mein Insulin (NovoRapid) reagieren. Wieso auch immer. Das half natürlich nichts. Ich spritzte erneut eine Menge an Korrektur-Insulin. Somit wollte ich „testen“, ob ich trotz hoher Korrektur-Menge an Insulin Blutzuckerwerte-technisch weiter ansteige. So war ja meine bisherige Vermutung. (ACHTUNG! Solche Aktionen nicht einfach nachmachen, dies kann sehr gefährlich sein. Sprecht stets mit eurem Diabetologen!)

Und was passierte? Die Werte stiegen. Minütlich. Erst auf 19 mmol/l (342mg/dl), dann auf 21 mmol/l (378 mg/dl), danach auf 24 mmol/l (432mg/dl). Bei 24 mmol/l (432mg/dl) fing ich bitterlich an zu weinen. Es konnte doch alles nur ein Albtraum sein. Mir wurde super schlecht und ich grüßte kurz danach erneut an diesem Tag die Toilettenschüssel.

Quelle: Olli P.

Sollte Fiasp die Lösung sein?

Ich war kurz davor, mich erneut ins Krankenhaus fahren zu lassen. Es war weit nach 23 Uhr abends, wir hatten mittlerweile eine fachkundige Person im Spezialbereich Diabetes herausfinden und kontaktieren können, um dann schlussendlich zu reagieren. Meine Lösung: das Insulin Fiasp. Die fachkundige Person am Telefon sagte, dass ihr bekannt sei, dass es Personen gäbe, welche auf ein und dasselbe Insulin nach so vielen Jahren resistent wären.

Ich hatte diese Vermutung bereits seit Tagen, habe es nur nie laut ausgesprochen.

Also verabreichte ich mir die errechnete Menge Korrektur-Insulin, dieses Mal mit Fiasp. Und siehe da, kurz vor dem Anbruch der Nacht stagnierten die Werte, bei 24 mmol/l (432 mg/dl). Es war kein schöner Zustand, aber besser als alles andere. Danach fielen die Blutzuckerwerte, auch relativ schnell. Mein Plan ging auf!

Ein Ende in Sicht?

Der Verlauf sah folgendermaßen aus: 21 mmol/l (378 mg/dl), dann 19 mmol/l (342 mg/dl), daraufhin 14 mmol/l (252 mg/dl), und zu guter Letzt 10,8 mmol/l (194 mg/dl). Innerhalb von ca. 1,5 Stunden. Ab dem Wert 10,8 mmol/l (194 mg/dl) bekam ich schon wieder leichte Panik, weil ich vermutete, es würde weiterhin so rasant fallen. Bei 8 mmol/l (144 mg/dl) konnte ich meinen Blutzucker durch Aufnahme von Essen und Trinken vorerst abfangen. Über Nacht sind die Werte dennoch weiter gefallen und auch in eine „Hypo“ gerutscht. Da ich aber alle 30 Min. gemessen habe, konnte ich auch da schnell gegensteuern.

Nach vielen Wochen Ungewissheit und drei Tagen absoluter Qual, bei welchen ich mir mehrfach wünschte, ich würde einfach ableben (ernsthaft, ich wünsche es keinem, solch eine Erfahrung, es war der Horror), waren meine Werte wie zuvor. Nämlich gut und im Durchschnitt bei 5,6-8,4 mmol/l (100-151 mg/dl). Es hat mich einige Tage und viele Stunden Schlaf gekostet, um wieder halbwegs die Alte, sowohl körperlich als auch geistig, zu sein. Da ich natürlich jede Nacht Angst hatte, dieser Alptraum würde wiederkommen.

War es also wirklich eine Insulin-Resistenz?

Quelle: pixabay

Bleibt die offene Frage:
Gibt es eine Resistenz, die sich plötzlich entwickelt, auf ein Insulin, das man schon lange Zeit spritzt?

Nach unzähligen Internetrecherchen und Gesprächen mit meinem Diabetologen wird diese Frage wohl tatsächlich ungeklärt bleiben. Es gibt kein klares JA oder NEIN. Ich bin mir sicher, in meinem Fall war es so, wenn auch nur mittelfristig. Mittlerweile, Stand 2021, benutze ich sowohl Fiasp als auch NovoRapid, im Wechsel. Natürlich nicht wöchentlich und auch erst ab dem Zeitpunkt, ab welchem ich für mich klar identifizieren kann, dass mein Körper nicht mehr auf die eine Sorte Insulin reagiert. Aber auch in meinem Fall gab es diesbezüglich Absprachen mit meinem Arzt und da sich meine Insuline (Fiasp und NovoRapid) grundsätzlich sehr ähneln, ist das in meinem Fall kein Problem.

Meine ausführlichen Internet-Recherchen zu einer möglichen Unverträglichkeit ergaben ähnliche Ergebnisse. Bei manchen Personen fand diese mögliche Insulinresistenz-Reaktion nach z. B. sechs Jahren mit ein und demselben Insulin statt. Andere Personen versuchten es bei solchen Erfahrungen mit einem Wechsel der Einstichstellen (keine Sorge, habe ich alles vorher versucht, ohne Erfolg). Weitere Betroffene sind der Meinung: Nein, so etwas gibt es einfach nicht.

Ich stelle die These auf und sage: Ja, es gibt eine solche Insulinresistenz, wenn auch in einem sehr variablen Rahmen. Was sagt ihr dazu? Ich freue mich auf euren Austausch und eure Geschichten rund um das Thema, gerne unter dem Beitrag in den Kommentaren.


Heike aus der BSL hat ebenfalls schon einmal über diese Thematik geschrieben, lest auch gerne bei ihrem Bericht rein.

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