Forschende wollen aus Blutzucker Strom für medizinische Geräte erzeugen

3 Minuten

Forschende wollen Strom für medizinisch-technologische Geräte aus Blutzucker erzeugen
Foto: Fussenegger Lab, ETH Zürich
Forschende wollen aus Blutzucker Strom für medizinische Geräte erzeugen

Technologische Hilfsmittel für die medizinische Anwendung, die am oder im Körper getragen werden, benötigen Strom, um zu funktionieren. Schweizer Forschende haben dazu nun eine futuristisch anmutendes Konzept entwickelt: Eine Brennstoffzelle unter der Haut soll Blutzucker aus dem Körper in elektrische Energie umwandeln, die dann z.B. Insulin-Pumpen versorgt. Einen Prototypen, der im Tiermodell getestet wurde, gibt es bereits – sogar in Kombination mit eingekapselten künstlichen Beta-Zellen, die Insulin produzieren. Bis zu einer etwaigen Marktreife ist es aber noch ein sehr langer und ungewisser Weg.

Medizinisch-technologische Hilfsmittel wie Insulin-Pumpen oder Herzschrittmacher brauchen für den Betrieb eine zuverlässige Energieversorgung. Derzeit wird diese vor allem mit Strom aus Batterien oder wiederaufladbaren Akkus gewährleistet. Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) haben nun eine nach nach Science-​Fiction klingende Idee vorgestellt, um medizinische Geräte, die am oder im Körper getragen werden, mit einer alternativen Stromquelle zu versorgen: Sie haben einen Prototypen einer implantierbaren Brennstoffzelle (s. Abbildung oben) entwickelt, die überschüssigen Glukose (Zucker) aus dem Gewebe nutzt, um daraus elektrische Energie zu erzeugen, die solche Geräte antreibt.

Brennstoffzelle im Teebeutel-​Format: Strom aus körpereigenem Blutzucker, der künstliche Zellen Insulin produzieren lässt

Kernstück der Brennstoffzelle ist eine von Prof. Fusseneggers Team vom Fachbereich für Biosysteme am Campus Basel eigens für diese Anwendung geschaffene Anode (Elektrode). Diese besteht aus kupferbasierten Nanopartikeln und spaltet zur Stromerzeugung Glukose in Glukonsäure und ein Proton auf. Dieser Prozess setzt einen Stromkreislauf in Gang. Die Brennstoffzelle ist in ein Vlies eingewickelt und mit Alginat ummantelt, einem für medizinische Anwendungen zugelassenen Algenprodukt. Dadurch ähnelt die Brennstoffzelle, die etwas größer als ein Daumennagel ist, einem Teebeutel, der unter die Haut eingesetzt werden kann. Das Alginat saugt sich mit Körperflüssigkeit voll und lässt Glukose aus dem umgebenden Gewebe in ihr Inneres passieren.

Die Brennstoffzelle wiederum koppelten die Forschenden um Prof. Dr. Martin Fussenegger anschließend mit einer Kapsel, gefüllt mit bereits vor einigen Jahren von ihnen entwickelten künstlichen Beta-​Zellen. Wenn diese Designerzellen mit elektrischem Strom oder blauem LED-​Licht dazu angeregt werden, können sie Insulin produzieren und ausschütten wie ihre natürlichen Vorbilder in der Bauchspeicheldrüse. Das System kombiniert also dauerhafte Stromerzeugung und kontrollierte Insulin-Abgabe. Sobald die Brennstoffzelle einen Glukoseüberschuss registriert, springt die Stromproduktion an. Die elektrische Energie wird dann dazu genutzt, die Zellen zu stimulieren, sodass sie Insulin produzieren und ins Blut abgeben. Der Blutzuckerspiegel sinkt dadurch auf ein normales Niveau. Sobald er unter einen bestimmten Schwellenwert fällt, stoppt die Strom-​ und damit die Insulinproduktion.

Auch Kommunikation mit externen Geräten möglich, aber noch langer und ungewisser Weg bis zu einer etwaigen Marktreife

Die Brennstoffzelle liefert nicht nur genügend elektrische Energie, um die Designerzellen zu stimulieren. Sie reicht auch aus, damit das implantierte System mit externen Geräten wie einem Smartphone kommunizieren kann. Das ermöglicht es potenziellen Nutzerinnen und Nutzern, das System über eine entsprechende App zu justieren. Auch ein Arzt oder eine Ärztin könnte aus der Ferne darauf zugreifen und Anpassungen vornehmen. „Das neue System reguliert den Insulinpegel und damit den Blutzuckerstand autonom und könnte künftig zur Diabetesbehandlung eingesetzt werden“, gibt Prof. Fussenegger einen visionären Ausblick.

Das vorliegende System ist aber – wie bereits erwähnt – erst ein Prototyp. Die Forschenden haben es zwar im Mausmodell erfolgreich getestet, sie können es allerdings nicht selbst zu einem markttauglichen Produkt für die Anwendungen bei Menschen weiterentwickeln. „Ein solches Gerät zur Marktreife zu bringen, übersteigt unsere finanziellen und personellen Mittel bei Weitem“, sagt Prof. Fussenegger. Gefragt sei deshalb ein Industriepartner, der über entsprechende Mittel und Know-​how verfüge. Ob eine Stromversorgung von medizinisch-technologischen Hilfsmitteln mit körpereigenem Blutzucker – oder gar ein oben beschriebenes System, das wie eine künstliche Bauchspeicheldrüse funktioniert – irgendwann für die breite Anwendung bei Menschen Wirklichkeit wird, ist also noch ungewiss. Die begleitende Studie für diese ersten Schritte haben die Forschenden im Fachmagazin „Advanced Materials“ veröffentlicht.



von Redaktion Diabetes-Anker (gh)

mit Materialien der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Weltdiabetestag und „Meilensteine der modernen Diabetologie“: großes Diabetes-Event im November

Am 10. November 2024 finden die beiden vormals separaten Veranstaltungen „Meilensteine der modernen Diabetologie“ und die Patientenveranstaltung zum Weltdiabetestag in einem großen gemeinsamen Event für Menschen mit Diabetes statt.
Weltdiabetestag und „Meilensteine der modernen Diabetologie“: großes Diabetes-Event im November

2 Minuten

22. Düsseldorfer Diabetes-Tag: vielfältiges Programm für Menschen mit Diabetes und Interessierte

Der 22. Düsseldorfer Diabetes-Tag am 31. August 2024 bietet bei freiem Eintritt ein umfangreiches Programm mit Vorträgen, einer Industrieausstellung und Mitmach-Aktionen für Betroffene, Angehörige und Interessierte.
22. Düsseldorfer Diabetes-Tag: vielfältiges Programm für Menschen mit Diabetes und Interessierte

2 Minuten

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 14 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 5 Tagen, 12 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

Verbände