Risiko für Folgen des Typ-2-Diabetes: Es kommt auf den Subtyp an

Risiko für Folgen des Typ-2-Diabetes: Es kommt auf den Subtyp an
Risiko für Folgen des Typ-2-Diabetes: Es kommt auf den Subtyp an
Foto: gradt – stock.adobe.com

Unterschiedliche Subtypen, unterschiedliches Risiko: Ob und welche Diabetes-Folgen eintreten, hängt auch von der Art des Typ-2-Diabetes ab. Auf einem Fachkongress Ende November tauschen sich Experten aus verschiedenen Fachgebieten über die neuesten Erkenntnisse aus.

Diabetologinnen und Diabetologen gehen schon seit längerem davon aus, dass es sich beim Typ-2-Diabetes nicht um ein einheitliches Krankheitsbild handelt. Vielmehr können die Ursachen für die gestörte Blutzuckerregulation individuell verschieden sein. „In den letzten Jahren ist es gelungen, die Heterogenität des Typ-2-Diabetes mit bestimmten individuellen Variablen in Verbindung zu bringen“, sagt Professor Dr. Robert Wagner, Leiter des Klinischen Studienzentrums am Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ) in Düsseldorf.

Nicht jeder Mensch mit Typ-2-Diabetes hat dasselbe Risiko für Folgeerkrankungen

Zunächst in einer schwedischen Studie, später auch im Rahmen der Deutschen Diabetes-Studie mit Hauptstandort am DDZ haben Forschende fünf Subtypen des Diabetes identifiziert, die sich insbesondere im Hinblick auf ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich unterscheiden, berichtet Wagner, der auch als Leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Düsseldorf tätig ist.

Bei der Identifizierung der Subtypen wurden nicht nur Variablen herangezogen, die den Zuckerstoffwechsel charakterisieren – wie der Langzeitblutzuckerwert HbA1c, die Insulinproduktion und das Ausmaß der Insulinresistenz – sondern auch das Alter bei Diagnose sowie der Body-Mass-Index. „Anhand dieser Variablen konnten die Betroffenen in fünf Gruppen eingeteilt werden, die jeweils einem Diabetes-Subtyp entsprachen“, erläutert Prof. Wagner. Drei dieser Subtypen sind als schwerer, zwei als milder Diabetes beschrieben worden.

Gesundheitlichen Folgen der Vorstufe des Typ-2-Diabetes wurden unterschätzt

Besonders auffallend war dabei eine Gruppe mit deutlich reduzierter Insulinproduktion, ähnlich dem autoimmun bedingten Typ-1-Diabetes. In dieser als SIDD (schwerer, insulindefizienter Diabetes) bezeichneten Gruppe kam es besonders häufig zu einer diabetischen Retinopathie. Dabei handelt es sich um eine Schädigung der Augennetzhaut, die bis zur Erblindung führen kann. Auch das Risiko für eine diabetische Nervenschädigung, beispielsweise in den unteren Extremitäten oder an Augen, war erhöht.

Eine weitere Gruppe umfasste Patientinnen und Patienten mit einem schweren, insulinresistenten Diabetes (SIRD). „Viele Patienten mit diesem Subtyp entwickeln bereits sehr früh im Krankheitsverlauf eine diabetische Nierenschädigung“, erläutert Prof. Wagner. Nur fünf Jahre nach der Diabetes-Diagnose sei fast ein Viertel der SIRD-Gruppe von dieser schwerwiegenden Folgeerkrankung betroffen gewesen.

Ohnehin ist die Komplikationsrate bei Menschen mit Typ-2-Diabetes bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sehr hoch. Rund ein Drittel weist dann bereits Diabetes-typische Schädigungen auf. Das deutet nicht nur darauf hin, dass die Diagnose Typ-2-Diabetes häufig zu spät gestellt wird. „Es zeigt auch, dass die gesundheitlichen Folgen des sogenannten Prädiabetes bislang unterschätzt werden. Viele Patienten verharren lange in diesem Vorläuferstadium des Typ-2-Diabetes“, sagt Wagner. „Bereits in dieser Phase kann es zu Komplikationen kommen, die unbehandelt schwerwiegende Auswirkungen haben können.“

Präventionsmaßnahmen für Folgen des Typ-2-Diabetes individualisieren

Im vergangenen Jahr konnten Forschende unter Prof. Wagners Federführung zeigen, dass bei Menschen mit Prädiabetes die Stoffwechsel-Entgleisungen sehr uneinheitlich sind. Auch hier lassen sich Subtypen identifizieren, die sich in Bezug auf ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskuläres Risiko) unterscheiden. Eine solche Subtypisierung könne nicht nur dabei helfen, die Betroffenen anhand ihres individuellen Risikoprofils zielgerichteter zu behandeln und schwerwiegende Komplikationen möglichst zu vermeiden, so Prof. Wagner. „Das kardiovaskuläre Risiko genauer abschätzen zu können, ist auch im Hinblick auf einen gezielten Einsatz der therapeutischen Ressourcen wichtig.“ Angesichts einer weltweiten Prädiabetes-Verbreitung von mindestens 20 Prozent hält Prof. Wagner es für notwendig, die begrenzten und teuren Präventionsmaßnahmen auf die Hochrisikogruppen zu fokussieren, die am meisten davon profitierten.

Auf der Diabetes-Herbsttagung werden sich Experten zur fachübergreifenden Versorgung des Diabetes austauschen: Was funktioniert bereits und was nicht? Auch über das für die Betroffenen besonders belastende Thema der Amputation wird diskutiert: Wann ist ein solcher Eingriff wirklich nötig und wie kann eine ärztliche Zweitmeinung dazu beitragen, die Zahl der Amputationen zu senken? Auch wir werden vor Ort sein und hier darüber berichten.



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA)

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