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Selbsthilfe-Verbände fordern: Steuern auf Zucker, Werbe-Beschränkungen – Prävention ernst nehmen!
3 Minuten

Immer mehr Menschen erkranken an Typ-2-Diabetes. Das hat nicht nur schwere individuelle Folgen für die Betroffenen, sondern auch teure Auswirkungen für die Gesellschaft. Daher fordern Selbsthilfe-Verbände die Politik zum Handeln auf, um den Zucker-Konsum zu senken – durch Steuern, Werbe-Beschränkungen und bessere Prävention.
Typ-2-Diabetes ist ein Tsunami: Immer mehr Menschen erkranken – mit eingeschränkter Lebensqualität für die Betroffenen und hohen Kosten für die Gesellschaft. Als Selbsthilfe-Verbände beobachten wir diese Entwicklung mit Sorge. Ein wesentlicher Treiber – neben genetischen Faktoren und Lebensstilrisiken – ist der übermäßige Zuckerkonsum: allgegenwärtig in Lebensmitteln und Getränken, oft aggressiv beworben und preislich verführerisch. Er führt häufig zu Übergewicht, einem der zentralen Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes.
Prävention begünstigen: Vorbeugen statt Reparieren
Die moderne Medizin bietet immer mehr Möglichkeiten, Übergewicht und einen entgleisten Stoffwechsel zu behandeln. Doch diese „Reparatur-Maßnahmen“ sind nur eine Seite der Medaille. Wer Typ-2-Diabetes vorbeugen oder bekämpfen will, muss weniger Zucker konsumieren und sich ausgewogen ernähren. Damit das nicht bei gut gemeinten Ratschlägen bleibt, braucht es spürbare Veränderungen im Umfeld – dort, wo wir einkaufen, essen und trinken.
Zucker- bzw. Limo-Steuer „ein wirkungsvoller Schritt“
Viele Länder haben gezeigt, dass sich überhöhter Zuckerkonsum bremsen lässt – vor allem, wenn entsprechende Produkte spürbar teurer werden. So führte Mexiko eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein – mit messbarem Erfolg: Die Verkaufszahlen sanken, während die Nachfrage nach gesünderen Alternativen stieg. Ähnlich verlief es in Großbritannien, wo eine gestaffelte Abgabe auf Softdrinks nicht nur den Konsum, sondern auch den Zuckeranteil vieler Produkte senkte.
Wir sprechen bewusst von einer „Limo-Steuer“, da vor allem süße Getränke problematisch sind: Sie enthalten große Mengen Zucker, der den Blutzuckerwert rasch ansteigen lässt und dadurch zu Insulinspitzen führt – ein zentraler Mechanismus beim Entstehen von Übergewicht. Gleichzeitig sättigen diese Getränke kaum, was es besonders leicht macht, große Mengen davon aufzunehmen.
Neben dem gesundheitlichen Nutzen kann eine solche Steuer Hersteller dazu motivieren, ihre Rezepturen zu überarbeiten und den Zuckergehalt zu senken. Für die Bevölkerung wäre das ein wirkungsvoller Schritt, um die tägliche Zuckerlast zu reduzieren – ohne ganz auf Geschmack zu verzichten.
Fakten-Check: Zucker-Steuer
Mexiko
2014 führte Mexiko eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein. Bereits im ersten Jahr sank der Konsum dieser Getränke um 12 Prozent, bei finanziell benachteiligten Gruppen sogar um 17 Prozent. Gleichzeitig nahm der Konsum von Wasser zu.
Quelle: Colchero MA, Popkin BM, Rivera JA, Ng SW: Beverage purchases from stores in Mexico under the excise tax on sugar sweetened beverages: observational study. BMJ 2016; 352: h6704. https://doi.org/10.1136/bmj.h6704
Großbritannien
Seit 2018 gilt eine gestaffelte Abgabe auf Softdrinks (Soft Drinks Industry Levy, SDIL). Die Steuer führte dazu, dass Hersteller den durchschnittlichen Zuckergehalt pro 100 ml um etwa 29 Prozent senkten – ohne dass der Absatz stark zurückging.
Quelle: Scarborough P, Adhikari V, Harrington RA, Elhussein A, Briggs A, Rayner M: Impact of the announcement and implementation of the UK Soft Drinks Industry Levy on sugar content, price, product size and number of available soft drinks in the UK, 2015 – 19: a controlled interrupted time series analysis. PLOS Medicine 2020; 17: e1003025. https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1003025
Werbe-Beschränkungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
Dass Werbung enorme Macht hat, ist längst bekannt. Dennoch werden gezielt Kinder und Jugendliche angesprochen, um frühzeitig eine Vorliebe für Süßes zu fördern – etwa durch bunte Figuren, bekannte Influencer oder auffällige Spots. Auch Erwachsene lassen sich von vermeintlichen Gesundheitsversprechen täuschen: So gelten manche Joghurts oder Müsliriegel als „Fitness“-Produkte, obwohl sie viel Zucker enthalten.
Werbe-Beschränkungen oder -Verbote könnten zumindest die aggressivsten Strategien eindämmen. Ein Blick auf andere Politik-Felder zeigt: Solche Maßnahmen wirken. In Ländern mit umfassenden Werbe-Verboten für Tabak, und teilweise auch für Alkohol, ist der Konsum nachweislich zurückgegangen. Für stark zuckerhaltige Lebensmittel wäre ein ähnlicher Weg nur folgerichtig – denn weniger verführerische Bilder, Slogans und Preis-Aktionen erleichtern bewusste Entscheidungen.
Gegenargumente und unsere Sicht
„Das ist eine Einschränkung der Freiheit“ – Kritiker und Kritikerinnen befürchten, dass Steuern oder Werbe-Verbote zu sehr in die persönliche Freiheit eingreifen. Doch eine Gesellschaft, die unter den Folgen hoher Zuckeraufnahme leidet, hat ein legitimes Interesse, diese Risiken zu begrenzen. Freiheit heißt auch, gesund aufwachsen zu können – ohne ständig von ungesunden Angeboten bedrängt zu werden.
„Sozial Benachteiligte werden besonders belastet“ – Es stimmt: Menschen mit geringem Einkommen geben anteilig mehr für Lebensmittel aus. Deshalb muss eine Zucker- oder Limo-Steuer sozial ausgewogen sein – etwa durch Subventionen oder Steuer-Ermäßigungen für gesunde Alternativen oder kostenfreie Angebote in Kitas und Schulen.
Selbsthilfe-Verbände fordern: Handeln statt Zögern!
Die steigenden Zahlen beim Typ-2-Diabetes sprechen eine klare Sprache. Aufklärung allein reicht nicht aus. Es braucht strukturelle und steuernde Maßnahmen, die übermäßigen Zuckerkonsum weniger attraktiv machen – und gesunde Alternativen fördern. Dabei geht es nicht um einen Krieg gegen Zucker, sondern um ein gesundes Maß, das viele längst überschreiten.
Zucker muss nicht verteufelt werden. Er gehört zum Leben – nur nicht in dem Übermaß, das uns heute überall begegnet. Wer regulierend eingreift, etwa durch Steuern oder Werbe-Beschränkungen, hilft mit, dass wir alle künftig bewusster und gesünder leben können.
gemeinsame Positionen der organisierten Selbsthilfe und Patientenvertretung im Diabetes-Anker

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (6) Seite 58-59
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