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Als Diabetologe in einer Klinik muss unser Kolumnist Dr. Hans Langer häufig Patienten anraten, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Doch was ist, wenn der eigene Arztkittel plötzlich immer mehr spannt und man sich an seinen eigenen Ratschlägen und Forderungen messen lassen muss?
Es gibt Witze meiner Ehefrau, über die ich überhaupt nicht lachen kann. Gaby, die bekannterweise in einer Bank arbeitet, sagte vor kurzem zu mir: “Weißt du eigentlich, was du und der deutsche Aktienindex gemeinsam haben?” Als ich mit einem langen “Neeee” antwortete, sagte sie: “Der deutsche Aktienindex und dein Gewicht erleben gerade ein Allzeithoch.” “Haha, sehr witzig, aber da kann ich überhaupt nicht drüber lachen.”
Dass ich etwas zugenommen habe, weiß ich selbst; und dass ich gern weniger wiegen würde – auch klar. Es gibt aber nichts, was einen mehr davon abhält, sein Gewicht zu reduzieren als das ständige Rumnörgeln der Ehefrau.
Nun ja, in der Klinik ist es auch schon relativ blöd. Meine Hemden zwicken, und der Kittel schließt auch nur noch unter Spannung. Das Stethoskop hänge ich mir lieber um den Hals, weil es in den Taschen ja so aufträgt. Ich habe das immer darauf zurückgeführt, dass unsere Klinikkittel zu heiß gewaschen werden und dabei eingehen.
Was mir aber letzte Woche passiert ist, ließ mich dann doch etwas nachdenklich werden: Nachdem ich einem meiner übergewichtigen Patienten meinen Standardvortrag über die Gefahren des Übergewichts gehalten hatte und ihm genau erklärte, wie man ohne zu hungern und mit etwas mehr Bewegung Gewicht verlieren kann, meinte dieser nur: “Na, Herr Dr. Langer, da haben wir gemeinsam ja einiges vor.”
Es ist schon wirklich blöd, wenn man eine Vorbildfunktion hat. Und Abnehmen ist doch gar nicht so schwer, zumindest erzähle ich das immer meinen Patienten. 500 kcal pro Tag einsparen, das muss doch drin sein. Schokolade weglassen, kein Feierabendbier usw. – und das bisschen Sport muss doch auch zu schaffen sein. Jeden Tag eine halbe Stunde aufs Ergometer, Joggen, Nordic Walking oder ins Fitnessstudio ist doch umsetzbar, oder?
Ich muss einfach nur das machen, was ich meinen Patienten immer erzähle. Das Entscheidende aber ist: Man muss es wollen. Also die Entscheidung treffen, anfangen und zur Gewohnheit werden lassen. Das ist es, und genau das habe ich beschlossen. Ab morgen – aber Gaby werde ich kein Wort darüber sagen. Bin gespannt, ob sie merkt, was ich mache. Ein wenig Lob von ihr täte mir schon gut, wäre viel besser, als Witze über mich zu machen. Aber sie will ja nur mein Bestes …
von Hans Langer
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (3) Seite 82
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