Immer oder nie?

2 Minuten

Immer oder nie?

In Gesprächen landen wir Menschen oft bei Absolutismen und verwenden dann ultimative Begriffe – ganz vorne mit dabei sind dann sehr häufig „immer“ oder „nie“. Doch in de Medizin sind diese beiden Worte unangebracht, erklärt Dr. Hans Langer in seiner Kolumne.

Gestern Abend saß ich wie so oft in Corona-Zeiten mit meiner Frau Gaby auf der Couch. Ich hatte ein Glas von meinem Lieblings-Riesling in der Hand, und Gaby trank ihren Lieblings-Tee. „Du trinkst immer Wein“, meinte sie, und ich konnte den vorwurfsvollen Unterton deutlich erkennen. „Und du trinkst nie mit mir ein Glas Riesling“, maulte ich. „Weil er mir eben nicht schmeckt“, war Gabys Antwort. Und dann entbrannte zwischen uns beiden eine lebhafte Diskussion über das Thema „immer“ oder „nie“.

Unter anderem erzählte ich Gaby, dass in unserer Klinik die Devise gilt, dass es in der Medizin zwei Worte nicht gibt: nämlich die Worte „immer“ und „nie“. Diese vermeiden wir tunlichst im Gespräch mit unseren Patienten, denn wie unser Chefarzt es gern ausdrückt, seien diese beiden Worte kontraproduktiv. Schließlich gibt es gerade in der Medizin oft Ausnahmen von der Regel.

Deswegen sind auch Sätze wie „Da werden wir nie eine Lösung finden“ oder „Das müssen Sie jetzt immer so machen“ in unserer Diabetesklinik verpönt. Ehrlicherweise habe ich dafür vollstes Verständnis, wenn unser Professor die jüngeren Kollegen tadelt, weil sie wieder einmal diese Worte unbedacht verwendet haben. „Immer“ und „nie“ sind nicht selten Hoffnungskiller, denn sie vermitteln eine gewisse Endgültigkeit.

„Am Ende ist immer alles gut …“

Oft habe ich in meiner Zeit als Diabetologe und Oberarzt schon erlebt, dass aussichtslos erscheinende Befunde bei meinen Patienten doch noch ein gutes Ende gefunden haben. Mit den Mitteln der modernen Diabetologie konnten wir schon so manche Stoffwechselentgleisung so korrigieren, dass sich danach ein gutes Leben entwickelt hat und die Therapieergebnisse über lange Zeit stabil blieben. Und auch so mancher hoffnungslos geglaubte Befund an den Füßen ist doch noch geheilt.

Ein berühmter Spruch lautet deswegen auch: „Am Ende ist immer alles gut, und wenn nicht alles gut ist, ist es noch nicht zu Ende.“ „Du bist immer so pragmatisch, Schatz“, meinte Gaby. „Manchmal wünsche ich mir, dass meine Vorgesetzten in der Bank sich auch solche Gedanken über die richtige Wortwahl machen würden, aber da zählen oft nur die Zahlen.“

Ja, und dann geschah bei Kerzenlicht etwas Wundersames: Gaby stand auf und holte sich ein Weinglas. Sie goss sich ein viertel Glas von meinem Riesling ein und sagte: „Prost, und sag̓ nicht immer, dass ich nie mit dir Riesling trinke.“ Na dann: fröhliche Weihnachten!



von Dr. Hans Langer

Das Team für den guten Schluss: Dr. Hans Langer arbeitet als Arzt in einer Diabetesklinik, Jana Einser hat schon seit Kindertagen Typ-1-Diabetes und Alex Adabei hat viele Bekannte und Verwandte mit Typ-2-Diabetes. Sie schreiben abwechselnd für diese Kolumne.


Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (12) Seite 82

Ähnliche Beiträge

„Etwas Sinnvolles tun“ – Diabetes-Technologie-Experte Dr. Freckmann im Interview

Dr. Guido Freckmann hat ziemlich zu Beginn seiner Weiterbildung zum Allgemeinmediziner das „Diabetes-Fieber“ gepackt. Seit einem Vierteljahrhundert forscht er nun in diesem Bereich und hat aus dem damals überschaubaren Institut für Diabetes-Technologie in Ulm ein großes Forschungs-Institut aufgebaut.
„Etwas Sinnvolles tun“ – Diabetes-Technologie-Experte Dr Freckmann im Interview

10 Minuten

Community-Gefühle beim t1day 2025

Beim t1day 2025 in Berlin traf sich die Typ-1-Community unter dem Motto „Time for us!“. Von Forschung bis Bürokratie – es ging um wichtige Themen und die Kraft der Gemeinschaft, die Veränderung möglich macht. Nathalie aus der Diabetes-Anker-Community war auch vor Ort und berichtet.
Community-Gefühle beim t1day 2025 | Foto: Nathalie B./MedTriX

5 Minuten

Community-Beitrag

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert