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In Gesprächen landen wir Menschen oft bei Absolutismen und verwenden dann ultimative Begriffe – ganz vorne mit dabei sind dann sehr häufig „immer“ oder „nie“. Doch in de Medizin sind diese beiden Worte unangebracht, erklärt Dr. Hans Langer in seiner Kolumne.
Gestern Abend saß ich wie so oft in Corona-Zeiten mit meiner Frau Gaby auf der Couch. Ich hatte ein Glas von meinem Lieblings-Riesling in der Hand, und Gaby trank ihren Lieblings-Tee. „Du trinkst immer Wein“, meinte sie, und ich konnte den vorwurfsvollen Unterton deutlich erkennen. „Und du trinkst nie mit mir ein Glas Riesling“, maulte ich. „Weil er mir eben nicht schmeckt“, war Gabys Antwort. Und dann entbrannte zwischen uns beiden eine lebhafte Diskussion über das Thema „immer“ oder „nie“.
Unter anderem erzählte ich Gaby, dass in unserer Klinik die Devise gilt, dass es in der Medizin zwei Worte nicht gibt: nämlich die Worte „immer“ und „nie“. Diese vermeiden wir tunlichst im Gespräch mit unseren Patienten, denn wie unser Chefarzt es gern ausdrückt, seien diese beiden Worte kontraproduktiv. Schließlich gibt es gerade in der Medizin oft Ausnahmen von der Regel.
Deswegen sind auch Sätze wie „Da werden wir nie eine Lösung finden“ oder „Das müssen Sie jetzt immer so machen“ in unserer Diabetesklinik verpönt. Ehrlicherweise habe ich dafür vollstes Verständnis, wenn unser Professor die jüngeren Kollegen tadelt, weil sie wieder einmal diese Worte unbedacht verwendet haben. „Immer“ und „nie“ sind nicht selten Hoffnungskiller, denn sie vermitteln eine gewisse Endgültigkeit.
Oft habe ich in meiner Zeit als Diabetologe und Oberarzt schon erlebt, dass aussichtslos erscheinende Befunde bei meinen Patienten doch noch ein gutes Ende gefunden haben. Mit den Mitteln der modernen Diabetologie konnten wir schon so manche Stoffwechselentgleisung so korrigieren, dass sich danach ein gutes Leben entwickelt hat und die Therapieergebnisse über lange Zeit stabil blieben. Und auch so mancher hoffnungslos geglaubte Befund an den Füßen ist doch noch geheilt.
Ein berühmter Spruch lautet deswegen auch: „Am Ende ist immer alles gut, und wenn nicht alles gut ist, ist es noch nicht zu Ende.“ „Du bist immer so pragmatisch, Schatz“, meinte Gaby. „Manchmal wünsche ich mir, dass meine Vorgesetzten in der Bank sich auch solche Gedanken über die richtige Wortwahl machen würden, aber da zählen oft nur die Zahlen.“
Ja, und dann geschah bei Kerzenlicht etwas Wundersames: Gaby stand auf und holte sich ein Weinglas. Sie goss sich ein viertel Glas von meinem Riesling ein und sagte: „Prost, und sag̓ nicht immer, dass ich nie mit dir Riesling trinke.“ Na dann: fröhliche Weihnachten!
von Dr. Hans Langer
Das Team für den guten Schluss: Dr. Hans Langer arbeitet als Arzt in einer Diabetesklinik, Jana Einser hat schon seit Kindertagen Typ-1-Diabetes und Alex Adabei hat viele Bekannte und Verwandte mit Typ-2-Diabetes. Sie schreiben abwechselnd für diese Kolumne.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (12) Seite 82
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