Zwischen Stigma und fehlender Unterstützung: Typ-1-Diabetes – die „unsichtbare Last“

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Zwischen Stigma und fehlender Unterstützung: Typ-1-Diabetes – die „unsichtbare Last“ | Foto: privat
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Zwischen Stigma und fehlender Unterstützung: Typ-1-Diabetes – die „unsichtbare Last“

Typ-1-Diabetes ist nicht nur eine körperliche Erkrankung, sondern leider oft auch ein Stigma. Denn viele Menschen mit Diabetes kämpfen mit Vorurteilen – und finden bisher kaum Unterstützung im medizinischen Alltag. Untersuchungen zeigen, dass psychische Belastungen und gesellschaftliche Stigmatisierung eine große Last im Alltag von Betroffenen sein können. Deshalb sind psychosoziale Angebote für Menschen mit Typ-1-Diabetes dringend notwendig.

Ein unbezahlter, unfreiwilliger Job ohne Urlaub: der Alltag mit Typ-1-Diabetes. Typ-1-Diabetes bedeutet, Tag für Tag eine chronische Erkrankung zu managen. Doch die größte Herausforderung ist nicht immer das Diabetes-Management selbst – oft ist es der Umgang mit und in der Gesellschaft. Menschen mit Typ-1-Diabetes erleben häufig Vorurteile: Sie müssten sich „nur gesünder ernähren“ oder „mehr bewegen“, heißt es oft. Dabei wird übersehen, dass Typ-1-Diabetes eine Autoimmun-Erkrankung ist – unabhängig von Lebensstil oder Ess-Gewohnheiten.

Fehlendes Wissen führt dazu, dass Typ-1- und Typ-2-Diabetes oft verwechselt werden. Dabei ist auch Typ-2-Diabetes eine komplexe Erkrankung, bei der genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Unwissenheit und stereotype Vorstellungen schüren Unsicherheit – und verstärken soziale Belastungen.

Psychische Belastungen – ein oft übersehener Teil der Erkrankung

Stigmatisierung hinterlässt Spuren. Menschen mit Typ-1-Diabetes entwickeln häufiger Ängste, ziehen sich sozial zurück oder erleben psychische Belastungen wie Depressionen oder Diabetes-Disstress. Schätzungen zufolge sind etwa 65 Prozent der Menschen mit Typ-1-Diabetes im Laufe ihrer Erkrankung von emotionalem Disstress betroffen. Trotz dieser hohen Zahl werden psychosoziale Aspekte in der regulären Versorgung bislang oft nicht ausreichend berücksichtigt – etwa im Disease-Management-Programm (DMP) für Diabetes.

Nicht selten entsteht im Umgang mit der Erkrankung ein starker Perfektionsdruck: Blutzuckerwerte sollen jederzeit stimmen, Fehler möglichst vermieden werden. Diese dauerhafte Anspannung belastet nicht nur das emotionale Wohlbefinden – sie kann auch die Krankheits-Akzeptanz erheblich erschweren. Diabetes ist eine lebenslange Herausforderung und erfordert einen flexiblen, verständnisvollen Umgang – nicht ständige Selbstoptimierung. Hier braucht es dringend Veränderungen: Die psychische Gesundheit sollte fester Bestandteil jeder Diabetesbehandlung sein.

„Language Matters“ – Worte machen den Unterschied

Sprache prägt Wirklichkeit – auch im Umgang mit Diabetes. Begriffe wie „Diabetiker“ oder „Diabetikerin“ oder Urteile wie „nicht compliant“ (nicht therapietreu) können entwertend wirken und Schuldgefühle verstärken. Die Initiative „Language Matters“ setzt sich für einen respektvollen, unterstützenden Sprachgebrauch ein – sowohl im Alltag als auch im medizinischen Zusammenhang.

Oft werden Blutzuckerwerte vorschnell in „gut” oder „schlecht” eingeteilt. Dabei spiegeln Zahlen nur Momentaufnahmen wider, beeinflusst von vielen Faktoren. Statt Bewertung braucht es Solidarität und Verständnis – denn Diabetes-Management ist kein Test, sondern tägliches Bewältigen des Lebens. Auch wird Diabetes in der Öffentlichkeit häufig als reine „Zuckerkrankheit“ dargestellt. Die Vielzahl an Diabetes-Typen wird in einen Topf geworfen – doch Stigmatisierung ist keine Typfrage. Unabhängig von der Art des Diabetes verdient jede Person Respekt, Akzeptanz und empathische Begleitung – ohne Negativ-Etiketten.

Stigma, Sprache, Unterstützung

  1. Viele kennen den Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes nicht – das fördert unbeabsichtigte Vorurteile und Missverständnisse.
  2. Language Matters“: Eine respektvolle Sprache kann Stigmatisierung verringern und das Selbstbewusstsein stärken – auch im medizinischen Alltag.
  3. Peer Support und psychosoziale Unterstützung sind entscheidende Bausteine für eine bessere Lebensqualität – sie fehlen aber bisher oft im Behandlungsalltag.

Peer Support: Gemeinsam stärker

Menschen mit Diabetes berichten oft: Der Austausch mit anderen Betroffenen ist eine der wichtigsten Quellen für Unterstützung. Peer Support hilft, Isolation zu überwinden, stärkt das Selbstbewusstsein und gibt Mut im Alltag. Gespräche mit anderen Betroffenen schaffen einen Raum, in dem Offenheit möglich ist – ohne Angst vor Bewertungen oder Stigmatisierung. Deshalb sollte Peer Support gezielt gefördert und professionell begleitet werden – ebenso wie sozialarbeiterische Angebote, die psychosoziale Belastungen frühzeitig erkennen und aufgreifen.

Es braucht mehr als nur Insulin

Typ-1-Diabetes ist nicht nur eine medizinische Herausforderung. Stigmatisierung, psychische Belastungen und fehlendes gesellschaftliches Wissen verschärfen die tägliche Belastung der Betroffe-nen. Es ist Zeit für eine Versorgung, die den ganzen Menschen sieht: Mit respektvoller Sprache, psychosozialer Unterstützung, Peer-Angeboten und einer differenzierteren gesellschaftlichen Wahrnehmung können wir gemeinsam die Lebensqualität von Menschen mit Typ-1-Diabetes, aber auch mit allen anderen Diabetestypen, verbessern.

Raum für Austausch und Vernetzung

  • Im Community-Bereich des Diabetes-Ankers findest Du viele andere Menschen mit Diabetes, mit denen Du Dich austauschen und vernetzen kannst. Sei es im allgemeinen Feed oder in verschiedenen Gruppen zu speziellen Themen. Mehr zu den Community-Features und wie man sich schnell und komfortabel anmelden kann, findest Du in diesem Beitrag.
  • „Anlaufstelle und Austausch für Menschen mit gelebter Diabeteserfahrung“: So definiert sich der Verein „Blickwinkel Diabetes“ selbst auf seiner Website blickwinkel-diabetes.de. Dabei geht es um Aufklärung, Information, Austausch und Unterstützung.
  • Hilfestellungen bieten zudem Selbsthilfeverbände mit diversen Angeboten und lokalen Gruppentreffen. Im Verbandsbereich findest Du eine Übersicht mit Organisationen.

von Laura Heyn

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (6) Seite 38-39

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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