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Dr. Hans Langer berichtet über die neuen Perspektiven, die sich ihm während eines Vertretungseinsatzes für einen Kollegen im ärztlichen Notdienst eröffnet haben.
Eigentlich führe ich in meiner Diabetes-Klinik ein recht beschauliches Leben: Die Arbeit mit den Patienten und im Team ist immer ähnlich – und ich mache sie wirklich gerne. Auch mein Zusammenleben mit Gabi besteht ja nun seit vielen Jahren, und es hat sich eine gewisse Routine eingeschlichen. Vielleicht sollte ich es nicht Routine nennen, sondern lieber Vertrautheit. Und das ist schön. Manchmal braucht man allerdings neue Perspektiven. Und die eröffnen sich gelegentlich von selbst.
So ging es mir, als ich für einen akut erkrankten Freund am letzten Wochenende den ärztlichen Notdienst übernahm: Ärztlicher Notdienst ist der, den man anruft, wenn der Hausarzt nicht verfügbar ist. Und dann fährt der diensthabende Arzt eben zu dem anrufenden Patienten. Für mich eröffneten sich Perspektiven, die ich gar nicht mehr auf dem Bildschirm hatte:
Da war ich zum einen bei dem alten Ehepaar in einem kleinen Dorf, weit vor unserer Stadt, bei der der 85-jährige Ehemann seine betagte und ebenso alte Ehefrau pflegte – und zwar in einem Pflegebett, das mitten in dem kleinen Wohnzimmer stand, weil an anderer Stelle kein Platz war. Der Blasenkatheter war verstopft, und ich habe ihn gewechselt. Auch wenn das Umfeld für mich nicht so schön war, so fand ich doch die Vertrautheit der beiden alten Menschen, die über Jahrzehnte hinweg Bestand hatte, sehr rührend.
Danach war ich bei einer jungen überforderten Mutter, die das 10 Monate alte und jüngste ihrer fünf Kinder mit einem Back-Käse gefüttert hatte, woran sich die Kleine verschluckte und nicht mehr aufhören wollte zu husten. Ein Fall für die Kinderklinik – und für mich ein Fall zum Kopfschütteln.
Auch in einem Übergangswohnheim für Flüchtlinge war ich an diesem Tag: Medizinisch gesehen für mich keine großen Sachen, aber doch eine Perspektive, die mir zeigte, wie schwer das Zusammenleben in einer solchen Einrichtung ist. Beeindruckt war ich dennoch, wie geordnet es dort zuging.
So könnte ich noch viele Geschichten aus meinem 24-stündigen Dienst erzählen, der mir neue Perspektiven bot. Nach vielen Jahren, an denen ich nicht im Notdienst war, war dies eine durchaus interessante Erfahrung. Trotzdem war ich froh, dass ich danach einen freien Tag zuhause verbringen durfte. Und auf meine Arbeit in der Diabetes-Klinik am Montag freue ich mich auch…
von Dr. Hans Langer
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (06131) 9 60 70 0, Fax: (06131) 9 60 70 90,
E-mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (5) Seite 92
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