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Glukosemessung, Insulindosis wählen, Kohlenhydrate abschätzen etc.: Allein schon der Diabetes sorgt für Probleme, wenn man nicht mehr oder nicht mehr gut sehen kann. Im folgenden Artikel sagt unsere Autorin, in welche Kategorien man Sehbehinderungen eingruppiert und über welches Diabetes-Wissen Einrichtungen für Sehbehinderte idealerweise verfügen sollten.
Mehrfache tägliche Glukose- oder Blutzuckerkontrollen, die Anpassung der Insulinmenge je nach gemessenen Ausgangswert und Aktivität, Abschätzen der aufgenommenen Kohlenhydrate…: allein der Diabetes erfordert im Alltag Tätigkeiten, für die es sehr förderlich ist, sehen zu können. Die meisten Menschen setzen dies als absolute Selbstverständlichkeit voraus, was sonst? Was aber, wenn Betroffene nicht mehr richtig oder gar nicht mehr sehen können?
Blinde und Sehbehinderte werden in Deutschland laut DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.) nicht gezählt. Die Zahl der blinden bzw. sehbehinderten Menschen in Deutschland lässt sich mutmaßen auf rund 1,2 Millionen – die Zahl ergibt sich aufgrund Daten anderer Länder wie Dänemark, Finnland, Großbritannien, Irland, Italien oder den Niederlanden sowie nach Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren veröffentlichte Daten aus dem Jahr 2004 stammen.
Laut der Gutenberg-Gesundheitsstudie (Gutenberg Health Study – GHS) haben 1,53 Prozent der Gesamtbevölkerung eine „diabetische Retinopathie“, sprich diabetesbedingte Netzhauterkrankung. Die nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention und Therapie der Netzhautkomplikationen bei Diabetes (2. Auflage, 2015, Version 2) zeigt eine Erkrankungsrate der diabetischen Retinopathie beim Typ-2-Diabetes zwischen 9 – 16 Prozent, beim Typ-1-Diabetes von 24 bis 27 Prozent.
Für stark sehbehinderte oder blinde Menschen mit Diabetes gibt es glücklicherweise technische Hilfsmittel, die unterstützend wirken sollen: Lebensmittelwaagen, die sprechen können; Insulinpens, welche je eingestellte Einheit hörbar „klicken“; oder auch Insulinpumpen mit „Easybolus/Quickbolus“, bei denen pro Knopfdruck eine definierte Schrittgröße zum Programmieren der Insulindosis hinterlegt ist sowie mit vorgefüllten Insulinpatronen, die den Insulinwechsel vereinfachen.
Auch kontinuierliche Glukosemesssysteme, welche den Wert per Sprachausgabe über das Handy ansagen, sind eine immense Erleichterung. Die Alarmierung bei sehr niedrigen oder erhöhten Glukosewerten ist ideal und erleichtert die Therapie beträchtlich. Dies gilt sowohl für die Betroffenen selbst als auch für die Angehörigen oder Betreuer.
Es gibt spezielle Einrichtungen, die sich auf die Förderung sehbehinderter und blinder Menschen spezialisiert haben. Dazu zählen Blindeninstitutsstiftungen sowie spezielle Berufsförderungswerke z. B. in Halle, Düren, Frankfurt am Main, Mainz und in Würzburg (Adressen finden Sie hier). Hier ist der Diabetes mellitus die Herausforderung.
Im November durfte ich bei einem Besuch in einer Blindeninstitutsstiftung erleben, was die Betreuer/Lehrer besonders bewegt und mit welchen Konfrontationen sie sich immer wieder auseinandersetzen müssen. Für die Lehrer und Betreuer ist es von besonderer Bedeutung, alle ihre Schüler fair zu behandeln. Ganz gleich welche weiteren Erkrankungen noch zusätzlich bestehen.
Weiterhin möchten sie unterstützend mitwirken, um beim Abschätzen/Wiegen der Kohlenhydrateinheiten oder in Notsituationen bei Seite zu stehen. Dafür bedarf es entsprechenden Hintergrundwissens, sodass eine Diabetesschulung für die Betreuer ratsam ist. Der Einfluss der Glukosewerte auf die Leistungsfähigkeit war eines der Hautthemen. Nur so können Wissen sowie spezielle Verhaltensweisen der Schüler, die glukoseabhängig sein können, loyal beurteilt werden.
Im Zeitalter technischer Medizinprodukte sollten Informationen darüber auch an die jeweiligen Betreuer weitergegeben werden. Denn wenn Glukosewerte fehlinterpretiert werden, so kann es durchaus vorkommen, dass es zu einer therapeutischen Fehlentscheidung kommt – und z. B. bei einer Unterzuckerung so lange gegessen wird, bis der Wert auf dem Empfängergerät des Glukosesensors normnah ist oder voreilige Korrekturen des Glukosewertes durchgeführt werden.
Da sich der Diabetes sehr individuell gestaltet und auch jeder Mensch mit einer Sehbehinderung unterschiedlich stark eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen ist, sind allgemeine Empfehlungen schwierig. Individuelle Absprachen mit dem Diabetesteam, der Familie und natürlich mit dem Betroffenen selbst sind das A und O, um Konflikten aus dem Weg zu gehen und beste Erfolge zu erzielen.Hierfür muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass Betreuer Fragen stellen können – ebenso ist deren Bereitschaft gefragt.
Hierfür liegt eine Definition vor, welche sich in drei verschiede Kategorien gruppieren lässt.
Im Blindeninstitutsstift in Würzburg wurde der Materie „Diabetes“ bei einem pädagogischen Tag Raum gegeben (Workshop). In Anbetracht, dass der Diabetes nur einer von durchaus sehr vielen Begleiterkrankungen der Bewohner/Schüler ist, konnten sich die Lehrer/Betreuer ihren eignen Schwerpunkt setzen. Der Workshop war auf drei Stunden angesetzt. Die Teilnehmer zeigten großes Interesse und Engagement. Genau das spielgelt auch den großen Bedarf wider.
von Juliane Steffan
Diabetes Zentrum Bad Mergentheim,
Theodor-Klotzbücher-Straße 12,
97980 Bad Mergentheim,
Tel.: 0 79 31 / 59 41 62,
E-Mail: steffanj@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (3) Seite 18-19
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