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Ein Heimspiel hatten Diabetes-Forscherinnen und -Forscher aus Deutschland bei der diesjährigen International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes (ATTD), die Ende Februar in Berlin stattfand. Im Zentrum des Kongresses standen neue Therapieformen – technisch und medikamentös.
Mehr als 4000 Menschen aus 96 Ländern nahmen an der 16th International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes (ATTD) teil. Etwa 3000 waren nach Berlin gereist, die anderen waren virtuell dabei. Vor Ort präsentierten sich auch mehr als 30 Hersteller und Start-ups aus dem Bereich der Diabetes-Technologie. Das Programm bot in fast 70 Symposien viel Wissenswertes.
Gleich zu Beginn kamen die Menschen mit Diabetes selbst zu Wort – im Symposium der Organisation #dedoc°. Der Titel, in Deutsch übersetzt, lautete: “Was wir wünschen, dass Sie es wüssten, – und warum”. Wie wichtig die Stimme der Patienten durch die Präsidenten des Kongresses Prof. Dr. Moshe Phillip und Prof. Dr. Tadej Battelino gesehen wird, zeigte sich in den Begrüßungs-Worten von Battelino: Ihm wurde vor 35 Jahren, als er begann, in der Diabetologie zu arbeiten, gesagt, dass die Diabetes-Therapie nur möglich sei, wenn man mit den Patienten zusammenarbeitet. Für ihn war es ein Privileg, beim aktuellen Kongress Patienten-Vertreter dabeizuhaben.
Ein Beitrag im #dedoc°-Symposium kam von Hamida Nabakka aus Uganda und trug (übersetzt) den Titel “Zugang zu Diabetes-Technologie in Afrika”. Hier wurde deutlich, dass in Ländern wie Uganda die vorrangige Frage nicht ist, ob es Diabetes-Technologie gibt. Es geht mehr um die Fragen, ob und wann es etwas zu essen gibt, ob Wasser und Strom verfügbar sind und dann auch Internet und ob die Menschen lesen und rechnen können. Hamid Nabakka hat seit 17 Jahren selbst Typ-1-Diabetes und weiß deshalb genau, wovon sie spricht. Am Ende zitierte sie eine Aussage der Sonia Nabeta Foundation, die sich um Kinder mit Typ-1-Diabetes in Afrika kümmert (wieder übersetzt): “Typ-1-Diabetes sollte den Träumen eines Kindes niemals im Wege stehen.”
Der Eröffnungs-Vortrag, der mit Prof. Dr. Chantal Matthieu aus Belgien seit dem Bestehen des ATTD seit 2008 erst zum zweiten Mal von einer Frau gehalten wurde, befasste sich mit dem “neuen Gesicht des Diabetes”. Aus ihrer Sicht ist die aktuelle Generation eine einmalige, weil wir gesehen haben, wie sich die Diabetologie grundlegend verändert. Der Typ-2-Diabetes verändert sein Gesicht, indem er in immer jüngerem Alter auftritt und so zur Zeitbombe wird. Auf der anderen Seite nehmen jüngere Menschen seltener als ältere an Medikamenten-Studien teil. Auch der Typ-1-Diabetes verändert sich: Etwa die Hälfte der Betroffenen ist bei der Diagnose bereits erwachsen, berichtete die Expertin, und auch hier nimmt die Zahl der Erkrankten weltweit stetig zu. Da es auch immer mehr ältere Menschen mit Typ-1-Diabetes gibt, warf sie auch einen Blick auf die Diabetes-Technologie und betonte (aus dem Englischen): “Wenn sie sie verwenden können, sollten sie sie verwenden!” Damit einher ging ihre Forderung an die Industrie, die Preise für die Technologien so zu gestalten, dass alle Menschen Zugang dazu bekommen. Sie endete hoffnungsvoll: “Was für aufregende Zeiten wir erlebt haben – und was für eine aufregende Zeit wir in der Zukunft erleben werden!”
Noch kommen moderne Hilfsmittel und Medikamente jedoch längst nicht bei jedem Patienten zum Einsatz. Gleich mehrere Referenten beim ATTD widmeten sich deshalb der Frage, wie mehr Menschen mit Diabetes vom medizinischen Fortschritt profitieren könnten. Umstritten ist beispielsweise bislang die Frage, ob auch Patienten mit Typ-2-Diabetes, die nicht mit Insulin behandelt werden, einen Vorteil durch kontinuierliche Glukose-Messung haben. Erste Studien zeigen nun, dass sich auch bei dieser Patientengruppe die HbA1c-Werte und die Zeit im Zielbereich verbessern. Die Sensoren liefern ihnen regelmäßig Informationen über Auswirkungen von Ernährung und körperlicher Aktivität, die dann zum Anpassen des Lebensstils genutzt werden. CGM-Systeme werden in nicht allzu ferner Zukunft die Blutglukose-Messung ersetzen, lautete deshalb die These von Prof. Dr. Satish Garg (USA).
Für noch wirkungsvoller hält Prof. Dr. Julio Rosenstock (USA) den häufigeren Einsatz von Medikamenten, die Menschen mit Typ-2-Diabetes beim Abnehmen unterstützen. Der neue Wirkstoff Tirzepatid beispielsweise habe gleich mehrere positive Effekte, machte Prof. Dr. Juan Pablo Frias (USA) deutlich: Das Medikament zügelt durch eine verzögerte Magenentleerung den Appetit und verbessert gleichzeitig die Insulinwirkung. Bei Patienten mit Übergewicht seien die neuen Präparate einer Therapie mit Metformin und Langzeitinsulin überlegen, hieß es. Gleichwohl geht auch bei Insulinen die Forschung weiter: Derzeit werden langwirksame Insuline, die nur noch einmal pro Woche verabreicht werden, in klinischen Studien erprobt. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und Insulinbehandlung dürften sie in wenigen Jahren zum Standard werden, vermutet Rosenstock. Die Insuline seien schon jetzt sicher und wirksam, hieß es. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes hingegen werden Systeme zur automatisierten Insulindosierung (AID-Systeme) wohl schon bald zur üblichen Therapieform.
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (4) Seite 30-31
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