- Behandlung
Den einen Typ-2-Diabetes gibt es nicht!?
4 Minuten
2022 erscheint in der Zeitschrift Diabetologia ein Artikel „Eine neue Einteilung des Typ-2-Diabetes: auf dem Weg zur zielgerichteten Diabetologie – von den Ursachen zur Behandlung“. Darin fassen Prof. Herder und Prof. Roden aus Düsseldorf aktuelle Erkenntnisse zusammen, die darauf hinweisen, dass es sich bei Typ-2-Diabetes nicht um eine einheitliche Erkrankung handelt. Sie folgern: Es wird unterschiedliche Behandlungen und unterschiedliche Ursachen für die Untergruppen des Diabetes geben.
So entstanden Typ-1- und Typ-2-Diabetes
Es war eine Frau, die 1975 herausfand, dass bei jungen Menschen mit Diabetes Antikörper gegen Inselzellen auftreten – diese Entdeckung von Prof. Dr. Deborah Doniach führte zur Einteilung in Typ-1-Diabetes (bei dem diese Immun-Reaktion auftritt) und Typ-2-Diabetes. Deborah Doniach entdeckte auch die Antikörper gegen Schilddrüsengewebe und setzte durch, dass die dadurch hervorgerufene Erkrankung nach ihrem Entdecker Hashimoto-Thyreoiditis genannt wurde. Besser hätte man die von ihr entdeckte Form des Diabetes ebenfalls nach ihrer Entdeckerin „Doniach-Diabetes“ genannt und alle übrigen Fälle als „Diabetes noch unklarer Ursache“ bezeichnet. Leider entstand so mit der Einteilung in Typ-1- und Typ-2-Diabetes die Vorstellung, dass es sich bei Typ-2-Diabetes um eine einheitliche Erkrankung handele.
Ein neues Kapitel begann 2017
2017 war es wieder eine Frau, Dr. Emma Ahlqvist aus Schweden, die eine weitere Unterteilung der Diabetesformen vorschlug. Sie berichtete erstmals auf der Tagung der europäischen Diabetes-Gesellschaft (EASD) über eine Langzeit-Studie, in der 1500 neu aufgetretene Fälle von Typ-2-Diabetes im Süden von Schweden zwischen 2009 und 2013 untersucht und dann im Rahmen des schwedischen Diabetes-Registers beobachtet wurden.
Anhand von Befunden zu Beginn der Erkrankung konnte sie im Verlauf des Diabetes fünf statistisch unterschiedliche Gruppen beschreiben:
- „schwerer Autoimmun-Diabetes“: Menschen mit Antikörpern gegen Glutamatdecarboxylase (GAD), bei denen eine dem Typ-1-Diabetes ähnliche Erkrankung vorliegt,
- „schwerer Insulinmangel-Diabetes“: Menschen mit deutlichem Insulin-Mangel, mit frühem Krankheits-Beginn und anfangs hohem HbA1c; sie brauchten häufiger Insulin und hatten ein höheres HbA1c; Augenschäden durch den Diabetes traten bei ihnen häufiger auf,
- „schwerer Diabetes mit Insulin-Resistenz“: Patienten mit deutlicher Störung der Insulin-Wirkung, bei ihnen kam es häufiger zu Nierenschäden,
- „relativ milder Diabetes mit Übergewicht“: schwer übergewichtige (adipöse) Menschen mit eher „mild“ verlaufendem Diabetes,
- „milde verlaufender Diabetes im hohen Lebensalter“: Menschen, bei denen in fortgeschrittenem Alter Diabetes auftritt.
Große Diabetes-Studie in Deutschland
Weltweit gab es seither viele Untersuchungen, um über die Bedeutung dieser Untergruppen, die als „Cluster“ bezeichnet werden, mehr zu erfahren. Wie zu erwarten, zeigen Untersuchungen an Menschen unterschiedlicher Herkunft unterschiedliche Ergebnisse. So waren in Indien mehr Patienten der Gruppe mit verminderter Insulin-Sekretion zuzuordnen. Auch in Deutschland läuft schon seit 2008 eine große Langzeit-Untersuchung, die Deutsche Diabetes-Studie, an der schon über 2000 Menschen mit Diabetes teilnehmen. Menschen, bei denen der Diabetes erst vor kurzer Zeit aufgetreten ist, werden zwei Tage lang sehr genau untersucht. Nachuntersuchungen erfolgen dann nach 5, 10 und 15 Jahren.
Die Studie wird vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf koordiniert. Außerdem arbeiten die Universitäts-Kliniken in Lübeck, Heidelberg, Leipzig, Dresden, München und das Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke daran mit. Ausführliche Informationen findet man unter deutsche-diabetes-studie.de. Schon 2016 war in dieser Studie aufgefallen, wie erheblich sich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes das Ausmaß der Störung von Insulin-Resistenz und Insulin-Freisetzung unterscheidet. Durch modernste Untersuchungs-Methoden konnten später die Ergebnisse von Emma Ahlqvist in dieser deutschen Studie bestätigt werden.
Diabetes verläuft sehr unterschiedlich je nach Cluster
Man konnte zeigen, dass Menschen, die man statistisch der Gruppe mit Insulin-resistentem Diabetes zuordnen kann, besonders gefährdet sind. Bei ihnen besteht häufiger eine Verfettung der Leber, verglichen mit allen anderen Gruppen kommt es bei ihnen am häufigsten zu Nierenschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Cluster 3). Menschen in den Gruppen mit Antikörpern und mit Insulin-Mangel (Cluster 1 und 2) neigen mehr zur Übersäuerung des Körpers durch Ketonkörper (Ketoazidosen) und bekommen am häufigsten eine Schädigung der Netzhaut (Retinopathie).
Heute schon praktische Bedeutung?
S
tatistisch gelingt es zwar, Menschen mit Typ-2-Diabetes den beschriebenen Gruppen zuzuordnen. Im Einzelfall ist dies aber nicht mit Sicherheit möglich. Und die mathematische Methode, mit der man diese Untergruppen (Cluster) berechnet, lernt man selbst im Leistungskurs Mathematik nicht. Es fehlen auch noch Studien, die spezielle Behandlungen in bestimmten Gruppen geprüft haben. Aber in Zukunft könnte das Vorgehen bei „Typ-2“-Diabetes ganz anders aussehen als heute: Menschen, bei denen Insulin-Mangel im Vordergrund steht, würden vielleicht mehr von rechtzeitiger Insulin-Behandlung profitieren.
Bei Patienten mit erheblicher Insulin-Resistenz wären eher Diäten oder Medikamente vorteilhaft, die Insulin-Resistenz und Leber-Verfettung reduzieren. Auch Leitlinien für die Langzeit-Betreuung könnten anders aussehen, Patienten mit höheren Risiken für einzelne Folgeerkrankungen müssten auf diese häufiger untersucht werden. Aber solange dazu keine entsprechenden Studien vorliegen, bleibt dies noch Zukunftsmusik.
Auf dem Weg zum Nobelpreis?
Selbst bei Menschen mit hohem Diabetes-Risiko, die noch gar nicht an Diabetes erkrankt sind, haben Tübinger Forscher kürzlich sehr ähnliche Cluster in einer vielbeachteten Veröffentlichung beschrieben. Die Entdeckung verschiedener Untergruppen des Typ-2-Diabetes lässt vermuten, dass diese Formen der Erkrankung verschiedene Ursachen haben. Genetische Untersuchungen weisen auch in diese Richtung. Damit öffnet sich der Weg zum Entdecken der speziellen Ursachen dieser verschiedenen Formen des Typ-2-Diabetes – mit vielleicht ganz neuen Möglichkeiten der Behandlung. Diabetes-Forschung bleibt also richtig spannend.
Theresa May, Konrad Adenauer, Franz Josef Strauss: unterschiedicher Diabetes
Beispiele berühmter Politiker mit Typ-2-Diabetes zeigen, welch unterschiedliche Krankheitsbilder mit ganz anderem Verlauf heute noch unter Typ-2-Diabetes zusammengefasst werden:
Theresa May regierte als britische Premierministerin in turbulenten Zeiten, fast hätte eine falsche Behandlung ihre politische Karriere beendet. Im Jahr 2012 verlor sie an Gewicht und war immer müde. Man stellte bei der damals 56-Jährigen Diabetes fest und diagnostizierte – wegen ihres Alters – Typ-2-Diabetes. Also – ganz nach den Leitlinien – mehr bewegen und abnehmen.
Das besserte die Glukosewerte aber überhaupt nicht. Auch die später eingesetzten Tabletten brachten nichts. Theresa May wurde immer dünner und kränklicher – sodass die Konservative Partei schon anfing, ihr nichts mehr zuzutrauen. Sie wechselte die Ärztin. Diese stellte fest, dass bei Theresa May Antikörper gegen Inselzellen aufgetreten waren. Sie begann mit einer Insulin-Behandlung. Alsbald wurde sie wieder kräftiger und regierte mit Insulin-Therapie energisch das Vereinigte Königreich – fast hätte sie es sogar geschafft, den Brexit zu verhindern, und attackiert jetzt wortgewandt ihren Nachfolger im Parlament.
Alter Staatsmann mit Diät malträtiert
Konrad Adenauer hatte einen mild verlaufenden Diabetes im höheren Lebensalter. Gestorben ist er mit 91 Jahren an den Folgen seiner chronischen Bronchitis, an der er schon seit Jahrzehnten gelitten hatte. Man soll ihn noch in biblischem Alter akribisch mit Diät malträtiert haben – das war wahrscheinlich bei seiner Form des Diabetes gar nicht in dem Maß notwendig. Ganz im Gegensatz dazu war die Diabetes-Erkrankung seines Zeitgenossen Franz Josef Strauß – begleitet von Adipositas und Bluthochdruck – viel bedrohlicher: Er starb im Herz-Kreislauf-Versagen im Alter von 73 Jahren.
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Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (5) Seite 26-28
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Tagen, 22 Stunden
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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