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Wer einen Typ-2-Diabetes hat, lässt sich normalerweise in einer Arztpraxis betreuen. Apotheken können diese Betreuung erfolgreich ergänzen und gute Effekte in Bezug auf Blutzuckerwerte und Körpergewicht erreichen.
Prävention ist in aller Munde! Als Mensch mit Diabetes hört und liest man immer wieder, was man alles für seine Gesundheit tun kann, wie man für eine stabile Stoffwechsellage sorgen kann – und dazu beiträgt, dauerhaft gut zu leben. Viele Untersuchungen und Studien zeigen jedoch, welche Macht der „innere Schweinehund“ besitzt und wie schwierig es ist, das theoretische Wissen dauerhaft im Alltag unterzubringen.
Die Betreuung durch Fachärzte, Diabetes-Schulungen, Angebote im Internet, Apps, Ratgeber und Zeitschriften können zu einer guten Gesundheit beitragen, aber um die Ratschläge und Programme auf Dauer umzusetzen, ist eine gewisse Disziplin notwendig. Dabei können auch Apotheken mit ihrem oft sogar zusätzlich auf Diabetes spezialisierten Fachpersonal unterstützen.
Hoffentlich haben Sie schon viele gute Erfahrungen mit der Betreuung und Beratung rund um das Management Ihres Diabetes durch die Apothekerin oder den Apotheker ihres Vertrauens gemacht! Eventuell lassen Sie sich hin und wieder Ihren Blutzuckerwert oder den HbA1c-Wert in der Apotheke bestimmen. Vielleicht wurde Ihnen auch die eine oder andere Frage zur Therapie oder zu einer gesunden Ernährung beantwortet.
So soll es sein! Denn nur, wenn Arzt, Apotheker und Patient samt Angehörigen gut zusammenarbeiten, werden Sie allumfassend und bestmöglich betreut. Ab dem Jahr 2022 können Apotheken weitere Dienstleistungen anbieten, die auch gesetzlich durch die Krankenkassen finanziell unterstützt werden.
Welche Dienstleistungen in Apotheken zusätzlich zur medikamentösen Betreuung möglich sind, hat eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und des Wissenschaftlichen Instituts für Prävention im Gesundheitswesen der Bayerischen Landesapothekerkammer untersucht. Die Ergebnisse wurden in diesem Sommer in der Fachzeitschrift „Diabetes Care“ veröffentlicht.
Apothekerinnen und Apotheker aus 26 Apotheken in Bayern haben mit dem strukturierten Betreuungsprogramm GLICEMIA 2.0 Menschen mit Typ-2-Diabetes ein Jahr lang intensiv unterstützt und kontinuierlich begleitet. Dabei haben sie untersucht, welchen Einfluss diese Betreuung u. a. auf den Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) hatte. Mithilfe der Interventionsapotheken, die das komplette Programm für die Teilnehmer anboten, konnte der HbA1c-Wert von durchschnittlich 8,0 auf 7,3 Prozent gesenkt werden. Menschen mit Typ-2-Diabetes, die in Apotheken ohne dieses Programm (Kontrollapotheken) betreut wurden, konnten ihren HbA1c-Wert nur von 7,9 auf 7,6 Prozent verbessern.
Auch bei der Gewichtsreduktion schnitten die Teilnehmenden aus den Interventionsapotheken eindeutig besser ab. Mit der Studie konnte also nachgewiesen werden, dass die intensive Betreuung durch die Apotheker die Blutzuckerkontrolle und auch das Gewicht der Teilnehmer positiv beeinflussen kann – und zwar deutlich mehr, als dies mit der Standardbetreuung möglich war.
Das ist bedeutsam, wie eine große Studie aus Großbritannien zeigte: Eine Reduktion des HbA1c-Werts um 1 Prozent reduziert das Risiko für Komplikationen u. a. an den Augen, Nerven, Nieren und Beingefäßen um 37 Prozent und um 21 Prozent für einen vorzeitigen Tod durch den Diabetes. Bereits eine Reduktion um 0,5 Prozent gilt heute als relevant in Bezug auf Folgeerkrankungen.
Wie sah das strukturierte Betreuungsprogramm der Apotheker konkret aus? Von allen in die Studie eingeschlossenen und dann für ein Jahr betreuten Patienten wurden zu Beginn der Betreuung der HbA1c-Wert, der Nüchternblutzuckerwert, der Blutdruck und das Körpergewicht bestimmt. Zusätzlich wurden mit Fragebögen körperliche Aktivität, Lebensqualität und alle eingenommenen Arzneimittel erhoben.
Anschließend erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Interventionsgruppe eine ausführliche Beratung. Schwerpunkte waren dabei Empfehlungen zum Ändern des Lebensstils bezüglich einer gesunden, ausgewogenen Ernährung, körperlicher Bewegung und, falls notwendig, eines Rauchstopps. Zusätzlich wurde über die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beim Arzt gesprochen. Bei Bedarf wurde dazu geraten, diese wahrzunehmen.
Im Mittelpunkt aller Gespräche stand das aktive Einbinden der Patienten und das Festlegen individueller Ziele für das Betreuungsjahr. Diese Ziele wurden bei den Folgeberatungen nach sechs Monaten und am Ende der Studie überprüft und bei Bedarf angepasst. Darüber hinaus wurden die Patienten einmal im Monat angerufen und konnten sich natürlich jederzeit auch in der Apotheke direkt beraten lassen.
Wichtig waren neben den persönlichen Beratungsgesprächen auch die Gruppenschulungen und die schriftlichen Materialien für die Teilnehmenden: Präventionsratgeber mit allgemeinen Informationen zum Thema Typ-2-Diabetes, Rauchfrei-Broschüre, Schrittzettel zum Begleiten der Bewegungssteigerung. Um die Sicherheit der Arzneimitteltherapie zu überprüfen, wurden Medikationslisten zum Unterstützen der korrekten Anwendung ausgegeben. Begleitend zu den sechs Gruppenschulungen wurden Handouts, Aufgaben im Rahmen des Vortrags und Hausaufgaben verteilt.
Wie schon in der Vorgängerstudie wurden die Teilnehmenden zur Bewegungssteigerung motiviert. Dafür erhielten sie einen Schrittzähler und eine an ihre Vorlieben und bisherigen körperlichen Aktivitäten angepasste Beratung. Primäres Ziel war es, damit die Bewegung im Alltag zu steigern.
Alle Maßnahmen zusammen verbesserten den individuellen Gesundheitszustand der Teilnehmenden. Durch das Messen der verschiedenen Parameter trugen die Apothekerinnen und Apotheker zur besseren Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Werte und Ziele bei. Sie motivierten die Teilnehmenden, als mündige Patienten aktiv am Programm mitzuwirken. Mit den Gruppenschulungen zu den Grundlagen der Erkrankung Typ-2-Diabetes, zur medikamentösen Behandlung, zum Lebensstil und zur andauernden Motivation konnten die Beratungsgespräche thematisch ergänzt und verstärkt werden.
Natürlich lassen sich solche strukturierten Programme ohne eine entsprechende Honorierung nicht einfach so umsetzen. Bis es so weit ist, und darauf hoffen wir auch auf Basis dieser neuen Studie, müssen Patienten, Apotheker und Ärzte gemeinsam an einem Strang ziehen, sich getreu der „Politik der kleinen Schritte“ gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten.
Eine intensive und engmaschige Betreuung verbessert die gesundheitliche Situation von Menschen mit Diabetes und liefert gute Argumente für die überfällige Kostenerstattung durch die Krankenkassen. Tipp: Fragen Sie auch in Ihrer Apotheke, erkundigen Sie sich aktiv nach Beratung zum Vorbeugen und nutzen Sie die zusätzlichen Dienstleistungen, um gemeinsam mit Arzt und Apotheker den Diabetes im Griff zu behalten!
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (12) Seite 20-22
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