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„Präzisionsmedizin – eine Reise in die Zukunft der Diabetologie“ – unter diesem Motto stand im Mai der virtuelle Diabetes Kongress. Alle saßen also am Bildschirm, auch wir von der Redaktion. Zwei besonders interessante Tagungs-Themen waren der Übergang zum Erwachsenenarzt und die Adipositas-Chirurgie. Und: Wir stellen den neuen DDG-Präsidenten Prof. Andreas Neu vor.
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Vor der Pandemie kaum denkbar, jetzt Realität: ein Kongress mit fast 5 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, der nicht in einem Messezentrum, sondern nur am Bildschirm stattfindet. Die Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) war trotzdem eine lebendige, ergiebige Veranstaltung. Zwei der dort diskutierten relevanten Themen haben wir uns für Sie genauer angeschaut.
Für Jugendliche mit Typ-1-Diabetes bringt das Erwachsenwerden auch den Wechsel vom vertrauten Kinderdiabetologen hin zum Erwachsenendiabetologen mit sich. Hier keine Lücke in der ärztlichen Betreuung entstehen zu lassen und eine Ärztin/einen Arzt zu finden, die/der zu einem passt, ist oft schwierig.
Auf dieses Thema machte in einer Pressekonferenz Kongress-Präsident Prof. Hendrik Lehnert (Salzburg) aufmerksam: In einer aktuellen Studie konnte mittels einer Online-Befragung der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie der DDG klar gezeigt werden, dass noch ein erheblicher Bedarf an strukturierten Überleitungsprogrammen (Programmen für die Transition) besteht.
Das Ergebnis: Überwiegend fand die „Übergabe“ der Patienten in der Altersgruppe 18 bis 21 Jahre statt. Der Bedarf für solche Transitionsprogramme wurde von allen als extrem hoch eingeschätzt. Auch der Forschungsbedarf ist hier sehr hoch; bislang liegen nur wenige Studien vor, die eine Verbesserung der Diabeteseinstellung durch ein strukturiertes Transitionsprogramm belegen.
Lehnert zitierte aus einer weiteren Arbeit, wonach die strukturellen Prinzipien der Transition so skizziert werden können:
Schlussendlich wären auch aus gesundheitspolitischen Gründen eine einheitliche Struktur, Organisation und Finanzierung (Beispiel Berliner Transitions-Programm) der Transitionsprogramme in Deutschland sehr sinnvoll; es sollte nicht für jede einzelne Leistung ein gesonderter Vertrag abgeschlossen werden.
Beim Themenkomplex Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes kommt auch Prof. Dr. med. Andreas Neu ins Spiel. Seit Ende Mai ist der Kinderdiabetologe aus Tübingen der Präsident der DDG. Neu leitet an der Kinderklinik Tübingen am Universitätsklinikum Tübingen die Behandlungseinrichtung für Kinder und Jugendliche mit Diabetes.
Kurz bevor er sein neues Amt als Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) angetreten hat, haben wir Prof. Dr. Andreas Neu in Tübingen besucht, um mit ihm über seine Ziele für die zukünftige Aufgabe sowie die zu erwartenden Herausforderungen zu sprechen:
Auch wenn er als DDG-Präsident die gesamte Bandbreite des Faches vertreten wird, will er während seiner Amtszeit verstärkt Schwerpunkte in der pädiatrischen Diabetologie setzen. Er folgt Prof. Dr. med. Monika Kellerer, die nun das Amt der Past-Präsidentin innehat. Zum Vizepräsidenten der DDG hat die Mitgliederversammlung Prof. Dr. med. Andreas Fritsche gewählt.
Während des Diabetes Kongresses meldete sich Neu, der erst einige Tage später das Amt des Präsidenten übernahm, zu Wort und setzte sich für eine bessere Unterscheidung zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes ein: „Kinder und Jugendliche mit Diabetes sehen sich häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, dass Fehlernährung, Übergewicht und mangelnde körperliche Aktivität ursächlich für ihre Erkrankung seien.“
Aber: Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die ohne eigenes Zutun und unabhängig von Lebensstil und Ernährung auftritt. Typ-2-Diabetes dagegen entsteht in aller Regel schleichend auf der Basis einer genetischen Disposition besonders dann, wenn Übergewicht und Bewegungsmangel hinzukommen.
Eine Folge der nicht klaren Unterscheidung zwischen den Diabetes-Typen kann sein, dass gerade bei Kindern erste Symptome einer Erkrankung an Diabetes Typ 1 häufig übersehen oder fehlinterpretiert werden, was das Risiko für eine lebensgefährliche Ketoazidose erhöht. Eine verbesserte Aufklärung, Früherkennung und Prävention sind für Neu deswegen ein wichtiges Anliegen seiner Amtszeit.
Mit „Diabetes-Chirurgie“ ist die metabolische Chirurgie gemeint. Obwohl die metabolische Chirurgie Operationsmethoden aus der Adipositas-Chirurgie nutzt, mit der krankhaftes Übergewicht (Adipositas) behandelt wird, unterscheiden sich die beiden operativen Therapiekonzepte: Unter metabolischer Chirurgie versteht man die nicht ausschließlich gewichtsabhängige chirurgische Therapie von Stoffwechselerkrankungen, deren oberstes Ziel ist, die chronische Überzuckerung (Hyperglykämie) zu reduzieren.
Nach der Leitlinie „Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“ ist eine Maßnahme der metabolischen Chirurgie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und einem Body-Mass-Index (BMI) über
Trotzdem wird die metabolische Chirurgie bisher nur von wenigen Menschen mit Typ-2-Diabetes in Anspruch genommen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass durch moderne Antidiabetika eine sichere, langfristige Blutzuckereinstellung im Zielbereich möglich ist – ohne Unterzuckerungen und Gewichtszunahme und bei guter Lebensqualität. Eine weitere Hürde stellen Operationsrisiken dar.
Trotzdem sollten auch nicht chirurgisch tätige Ärzte die metabolische Chirurgie nicht grundsätzlich ablehnen, da Patientinnen und Patienten in vielfacher Hinsicht profitieren können von einer rechtzeitigen chirurgischen Therapie des mit Adipositas verbundenen Typ-2-Diabetes.
Stand Juni: Am 5. und 6. November möchten sich die Diabetologinnen und Diabetologen sowie Diabetesberater/innen etc. wieder vor Ort treffen – und zwar in Wiesbaden, zur Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) | Redaktion
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (7) Seite 10-11
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