Diabetes und Apotheken – passt das noch zusammen?

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Diabetes und Apotheken – passt das noch zusammen?

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran: Im Jahr 2015, als der Hype um das FreeStyle Libre begann, machte Abbott bewusst einen großen Bogen um die Apotheken und verkaufte das Produkt kurzerhand in Eigenregie über die Unternehmenswebsite. Es gab einen großen Aufschrei seitens der Apothekenverbände. Wie sich Abbott die Notfallversorgung vorstelle und ob dies nun dauerhafte Praxis werden solle? Schließlich hätten die Apotheken einen Versorgungsauftrag.

Schaut man heute darauf zurück, so kann man eigentlich nur sanft schmunzeln. Kaum ein Pumpenträger oder CGM-Nutzer geht noch in die Apotheke, um die benötigten Dinge dort zu kaufen. Im Gegenteil: Die Krankenkassen ermutigen ihre Versicherten sogar dazu, bei bestimmten Versandhändlern zu bestellen. Da muss die Frage nach dem Sinn der Apotheken schon erlaubt sein.

Das Thema Apotheken ist hochaktuell und wird heiß diskutiert

Andererseits: Natürlich ist es gut und wichtig, dass es Apotheken gibt. Viele von uns standen schon nachts oder am Wochenende vor der Apothekentür und baten um Insulin oder Zubehör, weil die Pumpe den Geist aufgegeben oder man seine Utensilien verloren hat. Aber auch in solchen Situationen zeigt sich oftmals, dass man sich auf die Fachkenntnis der Apothekenmitarbeiter oftmals nicht verlassen kann. Aus eigener Erfahrung können viele Menschen mit Diabetes berichten, dass es durchaus ratsam ist, genau zu wissen, was man benötigt.

Quelle: ABDA

Überhaupt ist das Thema Schulung und Weiterbildung in diesem Zusammenhang mindestens ebenso wichtig, wenn es um den Mehrwert geht, den Apotheken bieten können. Nicht umsonst hört man nicht selten von Situationen, in denen trotz korrekter PZN-Angabe falsche Produkte ausgehändigt oder Pumpenträgern ein völlig ungeeignetes Hautdesinfektionsmittel empfohlen wurde. Natürlich sind solche Erlebnisse nicht gerade förderlich für das Image der Apotheken.

Ein kürzlich auf der DiaCoach-Facebookseite veröffentlichter Post zu dem Thema erreichte fast 9.000 Menschen und löste eine Flut an Kommentaren und Mails aus. Das zeigt: Das Thema polarisiert und ist wichtig, denn nicht zuletzt geht es um die Frage, wie die Versorgung von Menschen mit Diabetes zukünftig aussehen soll und kann. Was wünschen sich Betroffene? Was hindert Apotheker daran, hier besser zu werden? Und wohin könnte die Reise gehen?

Beide Seiten müssen gehört werden

Besonders erfreulich: Auch Apotheker haben sich an der Diskussion beteiligt und auch die „andere Seite der Medaille“ beleuchtet. Hier ist die Rede von sehr niedrigen Gewinnmargen, Knebelverträgen mit Krankenkassen und Problemen bei der Lagerhaltung von Medikamenten. Und spätestens hier kommen die Krankenkassen ins Spiel, die in dem ganzen System natürlich auch eine tragende Rolle spielen. Haben Apotheken überhaupt eine Chance, die Erwartungen an sie zu erfüllen, oder werden alle Versuche im Keim erstickt, weil sie einfach wirtschaftlich uninteressant gemacht werden?

Im Zusammenhang mit den Onlineversendern spielt übrigens ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle, der überraschend erscheint: Bei jeder Bestellung liegen kleine Goodies bei, wie Kuscheltierchen, Gummibärchen oder auch mal eine Tasche. Und es gibt (man mag es kaum glauben) regelrechte Aufstände in den einschlägigen Facebook-Gruppen, wenn mal „nur“ Traubenzucker mitgeschickt wird. Man kann davon halten, was man möchte – diese kleinen Aufmerksamkeiten sind tatsächlich für viele Kunden ein Hauptgrund, nicht mehr in die Apotheke zu gehen.

Eines hat die Zeit in jedem Fall gezeigt: Die Apothekenverbände sind ebenso wenig in der Lage, das Problem zu lösen, wie vermeintliche Online-Fachblätter, die sich selber zu Anwälten der Apotheker ernennen, aber doch nur recht einseitig berichten und von mannigfaltiger Werbung am Bildschirmrand offenbar recht gut leben können.

Auch von den Betroffenen ist wenig Hilfestellung zu erwarten, denn die wollen natürlich möglichst einfach, günstig und sicher an ihre Wunschprodukte gelangen. Und da geht der Trend derzeit offenbar unaufhaltsam in Richtung Direkt- bzw. Onlinevertrieb. Da gibt es nichts zu lamentieren, nur Taten können helfen.

Der Kampf ist sicherlich noch nicht verloren

Ich persönlich – ob ich will oder nicht – erhalte mein FreeStyle Libre bei Abbott und meine mylife Omnipods bei Ypsomed. Nur mein Insulin hole ich noch in der Apotheke – üblicherweise ohne weitere Beratung und ohne, dass mir zusätzliche Produkte angeboten werden. Ist das nun Desinteresse oder einfach die Angst davor, mich zu nerven? Vielleicht würde ich ja sogar gerne mehr über das Produkt- und Servicespektrum einer Apotheke erfahren. Stattdessen bin ich bei der Abholung meines Insulins hauptsächlich damit beschäftigt, sicherzustellen, dass ich auch das richtige Produkt erhalte. So ist es nun einmal – nicht schön, aber wahr.

Quelle: ABDA

Aber was tun? Das ist die Frage, die sich vor allem Apotheken stellen sollten. Denn offensichtlich sind Menschen mit Diabetes nach wie vor eine interessante Kundengruppe, sonst gäbe es die Diskussion nicht. Wie können Apotheken sich wieder ins Spiel bringen, wenn es um die so wichtige Versorgung im regionalen Umfeld geht? Wie bringt man einen Kunden dazu, wieder in die Apotheke um die Ecke zu gehen, anstatt alles online zu bestellen? Und – mindestens ebenso wichtig: Wie lässt sich der Druck vermindern, den die Kostenträger zunehmend auf die Leistungserbringer ausüben und der erst dazu führt, dass diese Situation entsteht?

Fragen über Fragen, die sich nicht so leicht beantworten lassen. Welche Erlebnisse hattet Ihr mit Versendern, mit Apotheken, vielleicht auch mit Krankenkassen? Schreibt man Euch vor, wo Ihr Eure Utensilien zu bestellen habt? Was haltet Ihr davon?

Es geht auch um wertvolle Daten

Mit dem Direktvertrieb umgehen die Krankenkassen den „Kostenfaktor“ Apotheke. Jeder weggelassene Schritt in der Lieferkette spart zunächst bares Geld. Ob das mittel- und langfristig auch so ist, kann heute noch keiner sagen, denn man könnte ja argumentieren, dass Apotheken zwar zunächst ein teurer Zwischenschritt in der Vertriebskette sind, aber durch hohe Beratungsqualität unter Umständen unerwünschte Nebenwirkungen verhindern, die im Nachhinein eventuell viel teurer für das System sind.

Ein weiterer Punkt ist der Datenschutz. Abbott zum Beispiel macht keinen Hehl daraus, dass die mit dem FreeStyle Libre ausgelesenen Daten auf Servern in den USA gespeichert und verwendet werden. Wer käme da nicht auf den Gedanken, dass es zukünftig einen Datenaustausch zwischen den Herstellerunternehmen und unseren Krankenkassen geben könnte?

Dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren sicherlich begleiten, und wir dürfen gespannt sein, in welche Richtung es sich entwickelt. Wird es ein Apothekensterben geben oder gibt es ausreichend Platz für alle Akteure? Mal sehen, wer uns in fünf Jahren unsere Pumpen liefert.

 

 

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