Diabetes-Versorgung im Lockdown

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Diabetes-Versorgung im Lockdown

Wie gut wurden Menschen mit Diabetes während der Lockdown-Phasen medizinisch betreut? Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf ihre Lebenssituation? Und gab es gesund­heitliche Auswirkungen? Fragen wie diese hat die Deutsche ­Diabetes Stiftung (DDS) bereits im ersten Pandemie-Jahr adressiert und mehrere Projekte gefördert, die die Versorgungs-Realität von Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes untersucht haben. ­Erste Antworten aus den damals angestoßenen Studien gaben Experten auf einer Online-Pressekonferenz.

Seit gut zwei Jahren prägt die Corona-­Pandemie den Alltag. Auch Änderungen in der medizinischen Versorgung waren die Folge. Gerade während des ersten Lockdowns standen nicht alle Versorgungs­angebote wie Präsenz-Sprechstunden und -Schulungen zur Verfügung oder wurden aus Angst vor Ansteckung gemieden.

„Speziell bei Diabetespatienten kommt hinzu, dass sie einer Risikogruppe für einen schweren COVID-Verlauf angehören“, sagte ­Prof. Dr. Hans Hauner. Neben möglichen Folgen für die Stoffwechselgesundheit sei daher auch mit ­einer höheren psychischen Belastung durch die Pandemie zu rechnen gewesen.

Die Referenten bei der Pressekonferenz der DDS (v. l. o. n. r. u.): PD Dr. Dr. Bernd Kowall (Essen), Moderatorin Michaela Richter (Stuttgart, Berlin), Dr. Ralph A. Bierwirth (Essen), Dr. Stefanie Lanzinger, (Ulm), Prof. Dr. Hans Hauner (München) und Dr. Paula Friedrichs (Rostock).

Menschen mit Diabetes sind meist gut durch die Pandemie gekommen

Diese Befürchtungen bestätigten sich in den vorgelegten Studien nicht. „In der Gesamtschau sind Menschen mit Diabetes, die ­wegen ihres Stoffwechselleidens bereits in Behandlung waren, gut durch die Lockdown-­Phasen gekommen“, berichtete Hauner. Menschen, die gelernt hatten, mit ihrem Dia­betes umzugehen, hätten ihre Krankheit auch im Lockdown gut bewerkstelligt. So zeige eine der Studien, dass Menschen mit einem Typ-2-Dia­betes nach dem ersten Lockdown weder eine schlechtere Stoffwechseleinstellung auf­wiesen noch einen höheren Body-Mass-Index (BMI). Auch die ­Rate psychischer Störungen blieb unverändert.

Digitale Möglichkeiten schließen Lücken

Aufseiten der medizinischen Versorger sei in kurzer Zeit viel bewegt worden, betonte ­Hauner: Diabetesberatungen und -schulungen wurden auf digitale Formate umgestellt, und auch in der ärztlichen Betreuung konnte der Wegfall von Praxisbesuchen zumindest teil­weise durch telefonische oder Video-­Kontakte aufgefangen werden. Die digitalen Möglichkeiten trügen dazu bei, Versorgungslücken zu schließen, die nicht nur während der Pandemie bestünden. Besonders für Menschen mit Diabetes, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien, stelle die Video-Sprechstunde eine große Erleichterung dar und könne die Betreuungsintensität ­sogar erhöhen.

Laut Dr. Ralph-A. Bierwirth sind jedoch nur 30 bis 40 % der Patienten in der Lage, digitale Angebote wahrzunehmen. Ein Politikum sei zudem die Deckelung der Abrechnungs­ziffer für Video-Sprechstunden. 50 % der erbrachten Video-Sprechstunden wurden aufgrund dessen nicht abgerechnet, berichtete der Diabetologe.

Pandemie-Effekte bei Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes

Auffällige Pandemie-Effekte gab es im Bereich der Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes. So liefern die Studien Hinweise darauf, dass ein ­beginnender Typ-1-Diabetes häufig erst verspätet ­dia­gnostiziert wurde. „Besonders bei Kindern unter sechs Jahren traten vermehrt Ketoazidosen auf“, erläuterte Hauner – schwere Stoffwechsel-Entgleisungen, die bei einer instabilen Stoffwechsellage auftreten können, aber auch bei einem noch unerkannten Diabetes.

Rund drei Monate nach den jeweiligen COVID-19-­Wellen nahm die Zahl der Neuerkrankungen mit Typ-1-Diabetes um rund 15 % im Vergleich zum vorpandemischen Niveau zu. „Worauf diese Häufungen zurückzuführen sind, ist noch weitgehend unklar“, sagte ­Hauner. Vor ­allem indirekte Effekte – wie psychische Belastungen – kämen als Ursachen in Frage.

„Es ist in Deutschland nach wie vor sehr schwer, reale Versorgungsdaten zu bekommen“, fasste Hauner die Erfahrung aus den Studien zusammen. Die Daten würden zwar erfasst, könnten aber nur bedingt genutzt werden. Dies erschwere das rasche Identifzieren und Beheben von bestehenden Problemen in der Versorgungslage.


Quelle: Deutsche ­Diabetes Stiftung (DDS) | Redaktion

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (4) Seite 10-11

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