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Diagnose, Therapie, Lebensstilveränderung: In vielen Bereichen nutzen wir digitale Gesundheitsanwendungen. Inwiefern werden Gesundheitsvorsorge und die medizinische Versorgung dadurch besser, einfacher, individuell? Unsere Autorin ist Pharmazeutin und ausgesprochene Expertin in Sachen Digitalisierung. Sie sagt, welche positive Rolle digitale Helfer spielen können, und sie gibt eine Einschätzung: Welche Rolle spielt der vor Ort für seine Kunden erreichbare Apotheker im digitalen Gesundheitswesen?
Sensoren in Tabletten, die anzeigen, ob und wann das Medikament tatsächlich eingenommen worden ist. Maßgeschneidert für den jeweiligen Patienten auf Rezept hergestellte Tabletten aus dem 3D-Drucker. Eine Hotline, an der eine Maschine nach Symptomen fragt und danach entscheidet, ob ein Arztbesuch notwendig ist oder nicht. Essen einfach per App fotografieren, um Kalorien oder Broteinheiten der Mahlzeit zu berechnen …
… das alles sind keine Zukunftsszenarien, sondern Produkte, die es heute schon gibt. Das lässt erahnen, wie weitreichend Digitalisierung die Gesundheitsversorgung von morgen verändern wird. Diagnose, Therapie, Lebensstilveränderung – in allen Bereichen haben digitale Gesundheitsanwendungen Einzug gehalten.
Dr. Ursula Kramer ist Pharmazeutin und Pionierin in Sachen Digitalisierung. 2011 hat sie mit dem Aufbau der Informations- und Bewertungsplattform für Health-Apps Healthon.de begonnen. Dieses Angebot richtet sich an Endverbraucher, Anbieter von Gesundheits-Apps sowie Ärzte und Entscheider aus Pharmaunternehmen und Krankenkassen.
Sie will damit Transparenz schaffen über die Qualität der angebotenen Gesundheits-Apps und einen Beitrag leisten zur Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenz. Kramer wurde dreimal mit dem Präventionspreis des Wissenschaftlichen Instituts für Prävention im Gesundheitswesen und der Deutschen Apotheker Zeitung ausgezeichnet.
Als stellvertretende Leiterin der AG Digital Health im Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung engagiert sie sich seit 2016 für die Entwicklung wissenschaftlicher Methoden zur Evaluation und Nutzenbewertung von Gesundheits- und Medizin-Apps.
Auch das ist ein Ergebnis des Digitalisierungsfortschritts: die kontinuierliche Gewebezuckermessung. Rund um die Uhr liefert sie Messwerte ohne lästiges Stechen und ohne Blutzuckerteststreifen. Ein Sensor wird z. B. am Oberarm oder am Bauch angebracht; statt bisher 10 Tage kann die Nutzungsdauer mit einem neuen implantierbaren Sensor gar auf 180 Tage verlängert werden.
Die neuen Systeme können messen – und auch vorhersagen, wie sich der Gewebezucker in der nächsten Zeit verändern wird. Irgendwann geben sie vielleicht auch Empfehlungen, ob Insulin gespritzt oder Nahrung aufgenommen werden soll. Es ist leicht vorstellbar, dass das Diabetesmanagement damit viel einfacher und die Blutzuckereinstellung damit auch besser werden können.
Mittlerweile ist fast jeder mit Smartphones und Apps erreichbar – quasi rund um die Uhr, Tag und Nacht, zuhause, am Arbeitsplatz und auch im Urlaub, und das über Alters- und Sozialschichten hinweg; deshalb liegen große Hoffnungen auf digitalen Lebensstilbegleitern. Statt wie bisher beim Arztbesuch, könnten die digitalen Helfer die Daten kontinuierlich aufzeichnen und auswerten: aus digitalen Tagebüchern, aus Fitnessarmbändern, aus Blutdruckmessgeräten oder digitalen Waagen.
Tipps und Handlungsempfehlungen immer dann zu bekommen, wenn man sie braucht, Fragen stellen zu können, immer dann, wenn ein Problem auftaucht: Das ist für chronisch kranke Menschen, die im Alltag oft auf sich selbst gestellt sind, eine positive Vorstellung. Der digitale Helfer könnte im richtigen Moment dazu motivieren, die Treppe zu nehmen, zu Fuß zum Bus zu laufen oder einen Abendspaziergang zu machen. Er weiß, wie es mir gerade geht, kennt mich und meine Erkrankung und erklärt mir, auf meine Sprache angepasst, was ich wissen muss, um meine Krankheit zu verstehen und meinen Lebensstil positiv zu beeinflussen. Eine angenehme Vorstellung!
Einfacher soll das Leben für Diabetiker werden; tatsächlich gibt es schon die ersten Rundum-sorglos-Pakete aus Teststreifen, Messgerät, digitalem Diabetes-Tagebuch und integriertem Diabetes-Assistenten, der Daten auswertet, Online-Schulungen macht und auf Fragen antwortet: Die ersten Krankenkassen in Deutschland erstatten solche Systeme bereits.
Individueller und besser soll die Versorgung werden – eine Hoffnung, die sich knüpft an die Nutzung der Daten aus digitalen Tagebüchern, Apps, smarten Uhren und Fitnessarmbändern, intelligenten Waagen und digitalen Messgeräten. Man will aus der Auswertung der Daten sinnvolle Erkenntnisse ableiten, das Lebensumfeld des Patienten besser verstehen:
Wie kommt der Patient mit einer vom Arzt verordneten Therapie tatsächlich klar? Wie ändern sich seine Krankheitssymptome, wie fühlt sich der Patient unter der Therapie, wie gut sind Blutdruck, Blutzucker und Gewicht eingestellt? Und wie regelmäßig werden welche Arzneimittel eingenommen? Zusammen mit den Behandlungsdaten, die der Arzt bei den Therapiekontrollen erfasst, ergibt sich ein klareres Bild. Individuelle Unterschiede zwischen Patienten werden erkennbar, ebenso die Hürden, die den Einzelnen an der Umsetzung der verordneten Therapie hindern.
Wer profitiert von welcher Therapie, wer braucht welche Unterstützung? Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine Möglichkeit, die Perspektive der Patienten besser zu verstehen, Therapien zu vereinfachen mit dem Ziel, Behandlungsergebnisse zu verbessern.
Digitalisierung ist jedoch keine technische Allzweckwaffe für die Lösung aller Gesundheitsprobleme; denn am Anfang jeder Therapie steht auch im digitalen Zeitalter das Bewusstsein für deren Notwendigkeit und die eigene Motivation, Therapieziele festlegen und erreichen zu wollen. Das ist und bleibt ein sehr persönlicher Entscheidungsprozess des Einzelnen, den Arzt und Apotheker als vertrauensvolle Ansprechpartner lediglich begleiten können.
Zur praktischen Unterstützung können sie Gesundheits- und Medizin-Apps gezielt empfehlen – da, wo sie die Qualität der Versorgung verbessern, wo sie organisatorische Abläufe vereinfachen oder die Kommunikation mit dem Patienten sinnvoll ergänzen können. Voraussetzung dafür ist immer, dass der Patient die neuen digitalen Helfer nutzen will und kann.
Obwohl das Interesse z. B. an Diabetes-Apps sehr groß ist, haben sie sich noch nicht als gemeinsames Arbeitsmittel von Arzt, Apotheker und Patient etabliert. Das hat viele Gründe: Es gibt so viele Apps, welche sind gut und sicher? Welcher App kann ich vertrauen? Wie kann ich Daten aus meinem digitalen Tagebuch mit Arzt und Apotheker austauschen?
Nicht nur Patienten, sondern auch Arzt und Apotheker müssen lernen, die Qualität und Vertrauenswürdigkeit digitaler Anwendungen einzuschätzen. Es muss eine sichere, digitale Infrastruktur geben, um Daten untereinander austauschen zu können. Die erforderlichen Entwicklungen lassen weiter auf sich warten. Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und die Telematikinfrastruktur, die Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser und Patienten miteinander verbinden soll, haben sich leider immer wieder verzögert.
Was macht uns krank, was hält uns gesund, wie können wir uns besser schützen vor Umweltbelastungen, Antibiotikaresistenzen, Virusepidemien? Wie können wir die Arzneimittelversorgung sicherer gestalten und bessere Ergebnisse für den Patienten erzielen? Die Vernetzung im Gesundheitswesen aller Beteiligten und die Nutzung von Daten, die Verbraucher und Patienten mit Apps, Messgeräten, Fitnessarmbändern etc. erfassen, können dazu beitragen, Gesundheitsrisiken früher zu erkennen und früher helfend eingreifen zu können.
Der vor Ort für seine Kunden erreichbare Apotheker hat im digitalisierten Gesundheitswesen der Zukunft eine gute Position, um sowohl die Gesundheitsvorsorge als auch die medizinische Versorgung für den Patienten einfacher, individueller und besser zu machen. Neue Möglichkeiten wie Videosprechstunden, Online-Beratung und die Einlösung elektronischer Rezepte weisen den Weg in diese digitale Zukunft.
von Dr. Ursula Kramer
Emmy-Noether-Str. 2, 79110 Freiburg,
Tel. 07 61/15 15 48-0, Fax 07 61/15 15 48-9,
E-Mail: ursula.kramer@healthon.de
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Internet: www.healthon.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (10) Seite 18-20
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