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Mathias H. (48) beschreibt die Tragweite: Parodontitis und Diabetes haben eine wechselseitige Beziehung. Wer zum Beispiel Parodontalerkrankungen früh behandelt, kann Insulinresistenz mindern. Aber noch viel mehr steckt dahinter.
Karieslöcher, Plomben, Zahnersatz? Mit meinen Zähnen hatte ich früher kaum Probleme. Sie sahen gut aus, und ich musste mich nicht besonders darum kümmern. Einen Zahnarzt sah ich nur in der Fernsehwerbung. Nicht einmal meine Weisheitszähne machten mir Kummer …
… und das, obwohl ich schon seit 30 Jahren rauche. Mit 18 fing ich an – damals, in den 80ern, galt als besonders cool, bei jeder Gelegenheit eine Zigarette zur Hand zu haben. Heute bin ich mit 48 Jahren nicht mehr ganz so cool: Als Werkstattmeister in der Stahlproduktion mache ich seit meiner Ausbildung Schichtdienst – nach über 30 Jahren schlaucht das.
Und der ganze Stress zeigt sich darin, dass ich übergewichtig bin mit einem Körpermassenindex (BMI) von 33 kg/m² und 40 Zigaretten am Tag rauche. Ich versuchte schon öfter, mit dem Rauchen aufzuhören, aber ich schaffe es einfach nicht. Und die Sportschuhe, die ich mir voller guter Vorsätze kaufte, liegen wie neu im Karton (der verstaubt).
Vor drei Jahren merkte ich, dass mein Zahnfleisch stark entzündet war: Es sah geschwollen und gerötet aus, tat aber nicht weh, so dass ich mich am Anfang nicht groß darum scherte. Aber als mein Zahnfleisch beim Zähneputzen oder auch spontan immer häufiger blutete und dann einige Zähne locker wurden, war ich schockiert und ging zum Zahnarzt. Er prüfte mit Hilfe eines Tests (Parodontaler Screening-Index, PSI) den Gesundheitszustand des Zahnfleischs und ermittelte den Schweregrad der Entzündung sowie den möglichen Behandlungsbedarf.
Danach stand für ihn fest, dass ich an einer Entzündung des Zahnhalteapparates(Parodontitis) leide, die bereits weit fortgeschritten war. Er überwies mich sofort an einen Spezialisten der Uniklinik meiner Heimatstadt. Dort folgten weitere Untersuchungen wie eine genaue Bestimmung der Zahnfleischtaschentiefe und der dabei auftretenden Blutung. Es wurde auch ein Röntgenbild des Kiefers gemacht, um den Knochenabbau genauer beurteilen zu können. Außerdem wurde mir Blut abgenommen, um mich auf Diabetes zu testen.
Mir wurde erklärt, dass ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Krankheiten besteht und dass sie sich, unbehandelt, gegenseitig beeinflussen und sogar verstärken können. Zum Glück gab es hier keine beunruhigenden Ergebnisse; mein HbA1c-Wert, der die Blutzuckerkonzentration der letzten Wochen angibt, war völlig unauffällig und so deutete nichts auf eine mögliche Zuckerkrankheit hin – das dachten mein Zahnarzt an der Uniklinik und ich zumindest.
Die Parodontitisbehandlung nahm ich von Anfang an ernst – denn auch, wenn ich nicht mehr wie vor 30 Jahren in die Disko gehe: Sorglos lächeln will ich schon noch können! Also nahm ich die Behandlungstermine und anschließend die regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen wahr.
Zu Hause versuchte ich, so gut es ging, die geübten Tipps und Tricks umzusetzen – für eine optimale häusliche Zahnpflege: wie den richtigen Gebrauch einer Zahnbürste und die Anwendung von Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten. Ich war bei drei Vorbehandlungssitzungen: Hier wurden zunächst alle gut zugänglichen Zahnflächen im Mund von Belägen und Auflagerungen befreit und poliert. Anschließend entfernte mir der Zahnarzt zweimal unter örtlicher Betäubung den Zahnstein und die Beläge von den Wurzeloberflächen (Deep Scaling). Leider aber blieb der Erfolg aus.
Schlimmer noch: Die Messung der Zahnfleischtaschen ergab an einigen Stellen ein noch schlechteres Ergebnis als vor Beginn der Behandlung. Auch das Röntgenbild zeigte einen fortschreitenden Knochenabbau! Ich war alarmiert, zugleich aber zuversichtlich, dass mein Zahnarzt und seine Dentalhygienikerin an der Uniklinik alles dafür taten, um der Parodontitis zu Leibe zu rücken.
Drei Jahre lang ging das so. Zwischendurch gab es 2010 wieder eine Blutuntersuchung: Der HbA1c-Wert war etwas schlechter, aber noch im Grenzbereich.
Erst als mir 2012 wieder Blut abgenommen wurde, stellte sich heraus, dass mein HbA1c viel zu hoch lag. Mein Zahnarzt schickte mich sofort zum Hausarzt – dort die Diagnose Diabetes Typ 2! Bei dieser Diabetes-Form produziert der Körper zwar noch eigenes Insulin, aber verschiedene Gewebe des Körpers reagieren nicht mehr richtig auf das Insulin – es verliert seine Wirkung (Insulinresistenz). Infolgedessen kann der Zuckerhaushalt nicht mehr richtig reguliert werden, die Blutzuckerwerte sind chronisch erhöht.
Mein Zahnarzt und mein Diabetologe tauschten sich fachlich aus: Beide erklärten, wie die beiden Erkrankungen zusammenhängen und was zu tun ist; nun bekomme ich seit 2012 Insulin. Ich führe es von außen zu, weil meine Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug körpereigenes Insulin bereitstellt; der Blutzuckerwert kann also nicht mehr den Zuckergehalt im Blut konstant auf dem richtigen Niveau halten.
Wenn ich jetzt mit dem Insulin meinen Blutzucker in den Griff bekomme, steigen meine Chancen, dass ich bald wieder sorgenfrei lächeln kann. Denn es gilt als erwiesen, dass bei gut eingestellten Diabetikern eine Parodontitistherapie genauso erfolgreich sein kann wie bei Patienten ohne Diabetes; auch kann der Behandlungserfolg gleichermaßen gut aufrechterhalten werden. Mein großer Vorsatz für 2014 ist auf jeden Fall, mit dem Rauchen aufzuhören und mein Gewicht zu reduzieren – denn auch das ist entscheidend für den Behandlungserfolg.
Autor:
Mathias H.
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (3) Seite 22-25
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